Von Dr. Ulrich Eiden
(ab dem Moment des Eintauchens)
"Eine Rettungsweste kann bei |
Gelangt plötzlich eiskaltes Wasser in die Nase und den Rachen, kann das zum plötzlichen Reflextod führen. Der sogenannte Reflextod bezeichnet einen Kreislaufstillstand, der durch eine überstarke Stimulation des zehnten Hirnnervs (Nervus vagus) hervorgerufen wird und darüber den Herzschlag komplett lahmlegt.
Betroffen sind hier besonders Kinder, ältere Menschen, alkoholisierte Personen oder Patienten mit neurologischen oder hirnorganischen Vorerkrankungen.
Zur Vermeidung des Reflextodes im Sommer, also bei kühlen Wassertemperaturen und heißen Umgebungstemperaturen, ist es ratsam, sich langsam an die Wassertemperatur zu gewöhnen. Im Winter sollten diese Risikogruppen möglichst Gewässer und Seen meiden. Um einen Reflextod beim „ins Wassertauchen“ zu verhindern, ist es außerdem wichtig, vorbereitet und im Bewußtsein der auftretenden Reaktionen ins Wasser zu fallen. Natürlich ist jeder Unfall unerwartet (obwohl meist vermeidbar), aber wenn man nicht gerade ins Wasser geworfen wird, hat man üblicherweise einige Sekunden Vorwarnung, dass man reinfallen könnte.
Nutze den Augenblick um geistig die Kontrolle zu übernehmen – du weißt, was zu tun ist, um die Überlebenschancen zu verbessern. Dabei „vor dem ins Wasser gelangen“ möglichst tief einatmen, anschließend den Mund geschlossen halten und die Nase mit den Fingern zu halten.
(größtes Risiko 1–5 Minuten nach dem Eintauchen)
Normalerweise wird beim Untertauchen schlagartig der Atem angehalten und die Stimmritze krampfartig geschlossen. Doch beim plötzlichen Eintauchen in kaltes Wasser werden die Atmung in den ersten drei bis fünf Minuten extrem beschleunigt und koordinierte Schwimmbewegungen deutlich erschwert! Die Effekte sind umso ausgeprägter, je größer die Temperaturdifferenz zwischen Wasser- und Körpertemperatur ist und je mehr Körperoberfläche im Wasser ist. Hier nicht unterzugehen und zu ertrinken lässt sich nur verhindern, wenn der Kopf passiv aus dem Wasser gehalten wird, sprich: Die Schwimmweste ist unmittelbar lebensrettend.
Man muss wissen, dass diese Reaktion bis zu drei Minuten dauern kann und sich dann abschwächt. Wer diese Kälteschockreaktion erwartet und Bescheid weißt, kann mit dem Schock besser umgehen.
Verhalte dich in den ersten Minuten nach dem Sturz so ruhig wie möglich und konzentriere dich während der ersten, äußerst kritischen Minuten darauf, nicht zu ertrinken! Je besser die körperliche Verfassung und Fitness, desto geringer ausgeprägt ist der „Kälteschock“ und desto weniger wahrscheinlich sind auftretende Herzprobleme.
Das Tragen einer gut sitzenden, d.h. mit einem Schrittgurt versehenen, Rettungsweste hilft, die Atemwege über Wasser zu halten und hektische Schwimmbewegungen in dieser kritischen Phase zu vermeiden. Geeignete, warme Bekleidung schützt ebenfalls, da der Kältereiz umso geringer ausgeprägt ist, je weniger ungeschützte Haut mit dem Wasser in Kontakt kommt.
(Risiko steigt mit der Zeit, die man sich im Wasser befindet)
Ursächlich für die sogenannte kurzfristige Reaktion oder „Schwimmversagen“ ist der Kälteeinfluss auf die Muskulatur in den Gliedmaßen, so dass manuelle Tätigkeiten und die Fähigkeit zu Schwimmen beeinträchtigt sind. Mit jedem Grad Temperaturabfall im Muskel verliert man 3 % der Kraft. Beträgt die Temperatur in den Händen nur noch 20° ist mit einer Verringerung der Kraft um 50% zu rechnen.
Das Tragen einer Rettungsweste verhindert nicht das Entstehen von Schwimmstörungen, aber wenn die im Wasser befindliche Person das 1. Stadium (d.h. die ersten fünf Minuten!) überlebt hat, keine Rettungsweste trägt, die für Auftrieb sorgt, macht es das „Schwimmversagen“ sehr schwierig das rettende Ufer schwimmend zu erreichen.
Rettung durch Schwimmen sollte nur der letzte Ausweg sein. Ganz wichtig ist es, Ruhe zu bewahren und mögliche Optionen zu checken: ist es möglich, sich am Kanu oder SUP festzuhalten, einen Mitüberlebenden oder sogar das Ufer zu erreichen?
Wenn es keine Möglichkeiten der unmittelbaren Rettung (!) gibt, sollte die Person sich so gut wie es geht treiben lassen, um den Wärmeverlust zu minimieren und auf Rettung warten.
(Häufigste Todesursache ab 30 Minuten aufwärts)
Als Unterkühlung wird eine Körperkerntemperatur (KKT) unterhalb von 35°C bezeichnet.
Jedes Kleidungsstück und eine ordentliche Speckschicht („Biopren“) bremsen das Auskühlen. Der Betroffene zittert, solange er die Kraft dazu hat. Bei Älteren oder Herzkranken kann das Kältezittern durch den vermehrten Sauerstoffverbrauch der Muskeln gefährlich werden, wenn für deren Versorgung das Herz mehr pumpen soll, als es kann. Um die Wärmeverluste über Haut, Arme und Beine („Körperschale“) zu minimieren, wird deren Durchblutung gedrosselt. Dadurch ist die Haut kalt und bläulich-blass, die Finger und Zehen schmerzen. Die „Nagelbettprobe“ ist auffällig, d. h. nach kurzem Druck auf das Nagelbett braucht es mehr als 2 Sekunden, bis die Farbe wieder rosig ist. Nach erfolgreicher Rettung führt die Unterkühlung zu einer vermehrten Urinausscheidung, einer Hemmung der Blutgerinnung und zu einer Abwehrschwäche. Mögliche Folgen sind Kreislaufstörungen, verstärkte Blutungen, Harnwegsinfekte und Lungenentzündungen.
Abhängig von der körperlichen Fitness ist eine Körperkerntemperatur unterhalb von 32°C, erst recht unterhalb von 28°C unmittelbar lebensbedrohlich. Solche Werte werden bei 5°C Wassertemperatur schon nach 20 bis 30 Minuten erreicht! Der Kreislauf ist zentralisiert: Hauptsächlich wird nur noch der „Körperkern“, also Rumpf und Kopf versorgt. Der Unterkühlte kann jederzeit durch Herzrhythmusstörungen, genauer gesagt durch ein Kammerflimmern plötzlich sterben.
Eine Änderung der Körperposition während der Rettung eines kritisch Unterkühlten verschiebt Blut aus den noch kälteren Armen und Beinen in den Rumpf, so dass die KKT weiter fällt („Afterdrop“) und ein hypothermer Herztod provoziert wird.
Ein Kreislaufstillstand durch Unterkühlung kann trotz stundenlanger Wiederbelebung ohne dauerhafte Schäden überstanden werden, selbst nach Ertrinken! Starte sofort mit der Herzdruckmassage. In der Corona-Krise wird von den Fachgesellschaften keine Mund-zu-Mund/Nase-Beatmung empfohlen. Bei Kindern oder den eigenen Angehörigen ist es dem Ersthelfer überlassen, es doch zu tun – trotz der potenziellen Infektionsgefahr .
- Bei einer Körperkerntemperatur unter 35°C und/oder
- bei zusätzlichem Alkoholeinfluss, bei Älteren oder Herzkranken und/oder
- bei Alarmzeichen wie fehlendem Kältezittern, Schläfrigkeit oder Bewusstlosigkeit und/oder
- bei Verletzungen, nach Beinahe-Ertrinken oder
- wenn sich die Situation unklar ist.
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KANU SPORT 1/2021 |
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