Nun, am 25.03.17 ist sie ja von Seattle (USA) aus gestartet. Danach hat sie Vancouver Island (CDN) seeseitig abgehakt (ca. 700 km in 26 Tagen) und die kanadische „Inside Passage“ (von Port Hardy bis Prince Rupert) auch (ca. 550 km in 20 Tagen). Als nächstes nahm sie sich die „Inside Passage“ von Alaska mit Ziel Sitka vor (ca. 500 km in 19 Tagen)). Anschließend peilte sie Yakutat (Alaska) an (ca. 500 km in 12 Tagen) und danach Cordova (ca. 430 km in 11 Tagen), wobei anzumerken ist, dass Freya am 2.07.17 genau an ihrem 100 Fahrtentag Cordova erreichte. 69 Paddeltage hatte sie dafür benötigt und dabei insgesamt 2.986 km zurückgelegt.
Rein statistisch kommen dabei die folgenden
Durchschnittswerte heraus: Freya ist Ø 8.12 h pro Tag
gepaddelt, hat dabei Ø 43 km pro Tag zurückgelegt mit Ø 5,3
km/h!
Non-Stop-Paddeln
Natürlich sind das Werte, die mal unter- und mal überschritten
werden. Letzteres passierte des Öfteren auf der letzten Passage
Yakutat – Cordova, die sich dadurch auszeichnete, dass sie fast
gar keinen Schutz vor Wind & Welle bot. Die Folge: Die
Dünung läuft dort ungestört ein und erzeugt kurz vor dem zum
Anlanden ausgesuchten Strandabschnitt ein, zwei hohe Brecher
(„Dumper“), die nur mit viel Erfahrung und Glück gemeistert
werden können, und zwar nicht nur beim Anlanden, sondern auch
beim Starten. Beide Manöver haben dabei Schwierigkeiten zu
bieten:
• denn beim Anlanden fehlt meist die Sicht
auf den „Landeplatz“, sodass Freya beim Anlanden erst sehr spät
merkt, ob vor ihr Felshindernisse liegen bzw. der Strand zu
steil ist;
• und beim Starten – und zwar solo, d.h.
keiner schiebt sie mit Schwung durch die Brecher – muss der
richtige Moment abgepasst werden, also jener Moment, wo der
einlaufende Brecher nicht so wuchtig ist, dass er die startende
Freya samt Kajak quer treibt oder rückwärts an den Strand
spült.
• Es ist dabei genau jener Moment, den sie
auch beim Anlanden abpassen muss. Nicht nur jede 7. Welle ist
besonders hoch (und nicht zum Anlanden geeignet), sondern auch
jede 7. Welle ist besonders niedrig. Diese Welle musste Freya
beim Anlanden genau abpassen, um dann auf ihrem Rücken an den
Strand zu paddeln, und zwar so hoch hinauf, dass sie nicht vom
Rücklauf des Brechers wieder zurück ins Tiefe gezogen
wird.
Freya hatte vor dieser Passage so viel Respekt, dass sie sich
dazu entschloss, nur noch möglichst selten anzulanden. Wie
häufig sie das tat, können wir ihrer Tageskilometerleistung
entnehmen, die weit über ihrem durchschnittlichen Tagespensum
liegt:
• Fahrtentag # 85 = 105 km in 24:35
Stunden;
• Fahrtentag # 91 = 89,3 km in 17:55
Stunden;
• Fahrtentag # 95/96 = 172 km Non-Stop in
31:20 Stunden;
• Fahrtentag # 100 = 107 km in 19:10
Stunden.
Treibsand:
Gastfreundschaft als
Regenerationsquelle
Wie schafft das Freya, 100 Tage Paddeln so durchzuhalten, dass
sie, wenn sie es abrufen muss, -zig Stunden durchpaddeln kann?
Sicherlich gibt es bei ihr einen
„Long-Distance-Sea-Kayaking“-Gen. Und dann ist es von großem
Vorteil, wenn es nicht - wie überwiegend bei Ihrer Tour rund
Australien bzw. Süd-Amerika – erst morgens um 6 Uhr hell und
schon abends um 6 Uhr dunkel wird. Dort oben Alaska wird es im
Juni/Juli praktisch nie stockdunkel, vielmehr ist es für 3
Stunden „dämmerig“ und dann wird es wieder hell. Ja, dann fällt
einem das „Durchpaddeln“ schon etwas leichter. Ihr Hauptproblem
war dabei zu vermeiden, unterwegs auf dem Wasser nicht
einzuschlafen, in Untiefen zu geraten und zu kentern.
Solche Höchstleistungen zu bringen, und zwar 100 Tage lang,
das schafft natürlich auch Freya nicht. Ihre wichtigste
Regenerationsquelle war daher die Einladungen von
Einheimischen, bei ihnen für ein paar Tage zu verweilen, d.h.
warm zu duschen, auszuschlafen, auszuruhen, Wäsche zu waschen,
Verpflegung zu beschaffen, Internetkommunikation zu pflegen ….
Diese Einladungen wurden Freya meist von anderen Paddlern
vermittelt … und manchmal wurde sie auch einfach von einem
Gastgeber zum nächsten Gastgeber weitergereicht. Und wenn sie
mal irgendwelche Probleme hatte, fanden sich immer welche in
den zentralen Ortschaften, die in der Regel nicht mehr als
1.000 Einwohner haben, einer, der zur Lösung beitragen konnte.
So hatte sich doch tatsächlich unterwegs jemand dazu
bereiterklärt, ihr mürbe gewordenes Unterwasserschiff mit einer
neuen Diolenmatte zu verstärken.
Blind date
Bei dieser Tour ist es das erste Mal, dass Freya öffentlich
dazu aufrief – entsprechende Seetüchtigkeit vorausgesetzt - sie
auf einer Passage zu begleiten. Als erstes nahm diese die
Britin Justine Curgenven, bekannt als Seakayak-Video-Filmerin,
wahr. Sie begleitet Freya knapp 14 Tage entlang der Seeseite
von Vancouver Island. Es war ein voller Erfolg. Ab Prince
Rupert paddelte der US-Amerikaner Mike Dziobak (61) an ihrer
Seite. Leider war er nicht sehr gesellig und – beim Tragen
ihres Kajak an Land – wenig hilfsbereit, machte unterwegs
unabgesprochen manche Extra-Tour und wenn Freya am Strand
zeltete, baut er sein Zelt im Wald auf und umgekehrt. Nach 14
Tagen reichte es Freya und bot Mike die „Scheidung“ an, was er
jedoch ablehnte, um dann am folgenden Tag früh um 4 Uhr morgens
vor ihrem Zelt zu stehen und mit einem „See you later!“ von
dann paddelte. Ja … und neun Tage später trifft Freya ihn
tatsächlich wieder an den „White Sulphur Hot Springs“. Dort
stand er in seiner roten Jacke, gerade als Freya vorbei paddeln
wollte. Freya ist nicht „menschenscheu“ und auch nicht
nachtragend, eher neugierig, was „ihr“ Mike in der Zwischenzeit
erlebt hat. Ja, und der „gruppenuntaugliche“ Mike war wie
verwandelt. Von da an war er redselig, anhänglich und
hilfsbereit. Fünf Tage paddelten sie noch zusammen, dann jedoch
kehrte Mike um, da er sich die bevorstehende Passage durch die
„Dumpers“ nicht zutraute.
Paddelabschnittsgefährte Mike:
Freya hatte wohl Gefallen an diesen sporadischen
„Pärchen“-Touren gefunden, zumindest sah sie es als
willkommener Abwechslung zu ihren Solo-Touren an. Ihre
„Sehnsucht“ nach Geselligkeit selbst war so groß, dass sie es
bislang bedauerte, nur vom Seekajak aus Bären beobachten zu
können. Eigentlich vermisst sie irgendwie den Bärenkontakt an
Land.
Bärenkontakt:
Auf alle Fälle wartete an ihrem 100. Fahrtentag in Cordova
das nächste „Raubein“, ein Paddler namens Josh Thomas, der per
Fähre angereist kam und nun Freya bis zum ca. 300 km entfernt
liegenden Seward begleiten will. Übrigens, der nächste
Begleiter steht auch schon fest, der in Fairbanks (Alaska)
lebende Israeli Eyal Saiet. Er möchte Freya bis zum Ende ihrer
ersten Etappe „Round North-America“ begleiten. Als Zeitpunkt
hierfür hat Freya Mitte August angesetzt und als Zielorte
entweder Homer (ca. 300 km) oder Kodiak auf Kodiak
Island.
Was dann?
Ab der zweiten Augusthälfte wird es wieder kälter in Alaska.
In Anbetracht dessen, dass Freya jetzt schon - mitten im Sommer
von Alaska - unter kalten Füßen und Händen leidet, ist es nur
konsequent von ihr, die Umrundung von Nord-Amerika nun im
Süden, also auf ihrer „Subtropik“-Route von Seattle (USA)
Richtung Panama fortzusetzen. Bevor sie aber das in Angriff
nimmt, wird sie sicherlich erstmal für 2-3 Monate nach Hause
fliegen, um nicht nur neue Kräfte zu tanken, sondern auch um
sich darum zu kümmern, dass über ihren derzeitigen „Nebenjob“,
Eigentümerin von zwei Eisdielen in Husum, das Geld reinkommt,
das sie für die Finanzierung ihres derzeitigen – wohl
defizitären - „Hauptjobs“ dringend benötigt.
Keine Feuerholzprobleme:
Text: Udo Beier
Link: www.freyahoffmeister.com > Expeditions
> North-America