30.04.2015 | Kanu (Allg.)

Endlich, Freya kann nun auch Südamerika abhaken!

Geschafft! Freya Hoffmeister hat ihr Ziel, nach Australien (2009) in einem serienmäßigen Seekajak nun auch noch einen zweiten Kontinent zu umrunden, in die Tat umgesetzt.

Geschafft! Freya Hoffmeister hat ihr Ziel, nach Australien (2009) in einem serienmäßigen Seekajak nun auch noch einen zweiten Kontinent zu umrunden, in die Tat umgesetzt.

Insgesamt 850 Fahrtentage benötigte sie, um Südamerika zu umrunden. Gepaddelt davon ist sie 606 Tage (71 %); denn nicht an allen Tagen konnte sie ins Kajak steigen, sei es wegen schwieriger Gewässerbedingungen, Beschaffung von Verpflegung und Trinkwasser, Reparatur der Ausrüstung, Regeneration bzw. Erledigung von Grenzformalitäten.

„Länderabhaken“

Was Freya mit dieser zweiten Kontinentalumrundung geleistet hat, ist auch für Paddler unvorstellbar. So „hakte“ sie ein südamerikanisches Land nach dem anderen ab, nämlich:

1.    Argentinien (3.708 km in 118 Fahrtentagen)
2.    Chile (5.774 km in 185 Fahrtentagen)
3.    Peru (2.430 km in 59 Fahrtentagen)
4.    Ecuador (866 km in 24 Fahrtentagen)
5.    Kolumbien (1.846 km in 63 Fahrtentagen)
6.    Panama (676 km in 26 Fahrtentagen)
7.    Venezuela (1.904 km in 64 Fahrtentagen)
8.    Trinidad (226 km in 9 Fahrtentagen)
9.    Guyana (573 km in 16 Fahrtentagen)
10.    Suriname (412 km in 17 Fahrtentagen)
11.    Französisch Guyana (373 km in 16 Fahrtentagen)
12.    Brasilien (7.547 km in 243 Fahrtentagen)
13.    Uruguay (557 km in 18 Fahrtentagen)
14.    Argentinien (52 km in 1 Fahrtentag)

Kartenskizze: Tagesetappen rund Südamerika
http://freyahoffmeister.com/expeditions/south-america/sa-map-of-daily-legs/

Gepaddelt wurde mit einem schwedischen Seekajak, das mit wenigen Ausnahmen mit Ausrüstung beladen war, die zwischen 70 und 100 kg wog. Durchschnittlich saß sie pro Paddeltag 9:13 Std. in ihrem Kajak (inkl. Pausen) und legte dabei durchschnittlich an die 44 km pro Paddeltag zurück, woraus wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,8 km/h ableiten können. Mit diesem Tempo gewinnen wir keine Rallye … außer sie geht über 26.000 Kilometer; denn wenn wir Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr paddeln müssten … und das auch noch mit vollem Gepäck und bei den unterschiedlichsten Gewässer- & Strömungsbedingungen, dann würden wir uns alle in einem wesentlich niedrigeren Geschwindigkeitsbereich vorwärts bewegen als bei jenen Rallyes, die üblicherweise schon nach 40, 80 oder 120 km vorbei sind.

Glück gehabt!?

Freya hat uns mit ihrer Südamerikaumrundung die Grenzen paddlerischer Möglichkeiten des Küstenkanuwanderns aufgezeigt. Wer bis zu diesen Grenzen vorstoßen möchte, der muss nicht bloß zäh, ehrgeizig & solvent sein und über genügend Zeit verfügen, sondern der braucht auch Erfahrungen, die einem ermöglichen, aus Wind, Strömung & Küstenstrukturen die Gewässerschwierigkeiten abschätzen zu können. Außerdem muss er natürlich seegangstüchtig (bis 7-8 Bft.) & navigationstüchtig sein (selbst wenn die Gewässerbedingungen die Benutzung von Karte und GPS nicht erlauben), aber auch nach einer Kenterung rollen können (egal aus welcher Lage). Schließlich sollte er die Grenzen seines eigenen Leistungsvermögens kennen, ein Gespür für Gefahren haben… und einen Schutzengel.

Natürlich hat Freya bei ihren Touren immer viel Glück gehabt … aber letztlich auch deshalb, weil sie ihr Glück nur ganz, ganz selten herausforderte. Und wenn sie doch mal Pech hatte, dann nahm das letztlich stets noch einen glücklichen Verlauf. So z.B.:

•    beim Ansteuern auf Kap Horn, als nur knapp 2 km vor dem Ziel ein für den Abend prognostizierter 8-9er Gegenwind schon am Nachmittag anfing zu blasen und Freya zwang umzukehren und auf der nächst besten Insel zwischen den Felsen notzulanden (s. KS 2/12, S.26ff.);
•    bei einer Portage durchs chilenische Fjordland, wo sie vom Meer aus über den Rio Negro zur Lagune San Rafael ihre Tour abkürzen und sich so den Umweg über die längere Küstenpassage ersparen wollte; 2 Tage hatte sie gebraucht, um sich mit ihrem Kajak im Schlepp durch die versumpfte, zugewucherte und spurenlose Wildnis zu kämpfen, ohne dabei sicher zu sein, dass sie die Lagune wirklich erreichen wird (s. KS 6/12, S.16ff.);
•    entlang Chiles Pazifikküste, wo mehrere Meter hohe Brecher ohne Unterlass so an den Strand rollten, dass ein Anlanden mit einem Seekajak nicht möglich war; doch dann tauchten einheimische Fischersleute mit einem Motorboot auf, nahmen Freya samt ihrem Kajak an Bord und mogelten sich mit viel Bootsgefühl & Erfahrung durch die Brandung an Land (s. KS 5/12, S.24ff.);
•    vor Venezuelas Karibikküste, als ein Motorbootflitzer ihr übers Heck fuhr (s. KS 10/13, S.19);
•    in der nicht enden wollenden Watt-Sumpf-Mangroven-Landschaft Guyanas, wo sie manche Nacht in der zwischen den Mangroven aufgespannten Hängematte liegend nie ganz sicher war, ob das auflaufende Wasser sich damit begnügen wird, sie bloß nass zu spritzen (s. KS 3/14, S.22ff.);
•    in der Amazonasmündung, als die Gezeitenwelle Pororoca sie ganz unerwartet erfasste und auf einer Strecke von ca. 8 km im Seitwärtssurf über die nassen Wattflächen mit sich spülte … lt. GPS mit max. 30 km/h (s. KS 7/14, S.20ff.);
•    am Ostende Brasiliens, wo die Brandung sie kenterte, anschließend aus ihrer Sitzluke schleuderte und dann an einen Sandstrand spülte (s. KS 12/14, S.32ff.);
•    an der südöstlichen Atlantikküste von Brasilien, als beim Anlanden ein Kaventsmann sie erfasste und über ein Riff surfen & kerzen ließ (s. KS 2/15, S.7).

Biwakstillleben

Wattlandschaft

Tägliche Unannehmlichkeiten

Aber es waren nicht diese Pechsträhnen, die Freya unterwegs Probleme bereiteten! Vielmehr waren es die alltäglichen Sorgen, die insbesondere durch Folgendes verursacht wurden:

•    Da war der beständig wehende Gegenwind, der von der Ostküste Panamas bis zum Ostkap Brasiliens das Vorankommen Freyas so wesentlich erschwerte, dass sie fast daran verzweifelte. Sie war drauf und daran, die letzten 1.000 km bis zum Ostkap einfach auszulassen, wenn ihr nicht die rettende Idee gekommen wäre, diese Passage stattdessen entgegen dem Uhrzeigersinn zu paddeln.
•    Dann gab es die tropischen Temperaturen dies- und jenseits des Äquators, die es ihr unmöglich machten, sich von den Strapazen stundenlangen Paddelns zu erholen. Freya gelingt es jedoch, alle sechs, sieben Tage für ein, zwei Tage von Einheimischen eine klimatisierte Unterkunft angeboten zu bekommen. Ohne eines solchen, meist privaten Angebots hätte sie sicherlich auf Dauer nicht die Kraft & Motivation zum Weiterpaddeln gehabt.
•    Als Zugabe konnten die Moskitos angesehen werden, die an Land sich regelrecht auf Freya stürzten, sodass ihr meist nichts anderes übrig blieb, als nach dem Anlanden sofort ihr Zelt aufzubauen, um sich dann dort bis zum nächsten Morgen, so schwül es dort drinnen auch war, aufzuhalten.
•    Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei die fehlende Synchronisation von Sonnenaufgang und Hochwasser, die es während 5 Monaten, die Freya entlang der Wattenmeerküsten von Guyana bis Brasilien paddelte, immer wieder erforderlich machten, mitten in der Nacht zu starten, d.h. kurz nach Mitternacht schon wieder aufzustehen.

Im Wechsel liegt die Kraft - Freya liebte die Abwechslung.

Sie freute sich über eine jede der Küste vorgelagerte Insel. Inseln boten ihr nicht nur häufig Wind- & Wellenschutz, sondern lockerten das Landschaftsbild der Küste auf; denn nichts war für sie langweiliger als ein mehrere hundert Kilometer langer Sandstrand.

Sie nutzte jede Möglichkeit, über Fjorde, Strandsee, Lagunen, Kanälen der Küste auszuweichen, auch wenn die Gelegenheiten dafür recht selten waren und dabei ein Umweg zu paddeln war, u.U. auf Gewässern, die nicht immer über genügend Wasserstand verfügten, aber irgendwann hatte auch die leidenschaftlichste Küstenkanuwanderin, die es z.Zt. gibt, keine Lust tagsüber immer nur Brandung zu sehen und nachts immer nur die Brandung zu hören.

Sie genoss die Begegnungen mit der Fauna Südamerikas. Unvergesslich werden ihr die Delphinschwärme bleiben, die bei einer Nachtfahrt hinüber nach Trinidad das Meer „kochen“ ließen; ebenso die Schildkröte in Venezuela, die nachts ihre Eier unter Freyas Zelt ablegen wollte (s. KS, 11/13, S.45); aber auch die Moskitos, deren Summen manchmal lauter als das Rauschen der Brandung war.

Schildkröte per Anhalter unterwegs

See-Elefant

Qualle

Sie war voller Dankbarkeit ihren einheimischen Gastgebern gegenüber. Nur in der Nacht, wenn Einheimische vor Freyas Zelt standen und nach ihr riefen, das konnte sie furchtbar aufregen. Warum begriffen die denn nicht, dass sie am nächsten Morgen wieder sehr früh starten musste. „Nein, Freya, das was Du da tust, ist nicht nur für den Südamerikaner, der dicht an der Küste „von der Hand in den Mund“ lebt, unbegreiflich, sondern sicherlich auch für die meisten deutschen Kanuten!“

Gastfreundliche Brasilianer

Welcome Party

…. und nun?

Am 1. Mai wird es zu Ehren von Freya Hoffmeister einen großen Empfang in Buenos Aires geben. Die Marine wird extra mit der Fregatte Sarmiento ihr entgegen segeln, wenn sie gemeinsam mit einer großen Schar von Kanuten die letzten verbliebenen Kilometer nach Buenos Aires hinein paddelt. Und am 9. Mai 2015 wird in Augsburg der World-Paddle-Award verliehen. Vielleicht gewinnt Freya ja in ihrer Kategorie. Wir drücken ihr die Daumen.

Text: Udo Beier

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