Geschafft! Freya Hoffmeister hat ihr Ziel, nach Australien (2009) in einem serienmäßigen Seekajak nun auch noch einen zweiten Kontinent zu umrunden, in die Tat umgesetzt.
Insgesamt 850 Fahrtentage benötigte sie, um Südamerika zu
umrunden. Gepaddelt davon ist sie 606 Tage (71 %); denn nicht
an allen Tagen konnte sie ins Kajak steigen, sei es wegen
schwieriger Gewässerbedingungen, Beschaffung von Verpflegung
und Trinkwasser, Reparatur der Ausrüstung, Regeneration bzw.
Erledigung von Grenzformalitäten.
„Länderabhaken“
Was Freya mit dieser zweiten Kontinentalumrundung geleistet
hat, ist auch für Paddler unvorstellbar. So „hakte“ sie ein
südamerikanisches Land nach dem anderen ab, nämlich:
1. Argentinien (3.708 km in 118
Fahrtentagen)
2. Chile (5.774 km in 185
Fahrtentagen)
3. Peru (2.430 km in 59 Fahrtentagen)
4. Ecuador (866 km in 24 Fahrtentagen)
5. Kolumbien (1.846 km in 63
Fahrtentagen)
6. Panama (676 km in 26 Fahrtentagen)
7. Venezuela (1.904 km in 64
Fahrtentagen)
8. Trinidad (226 km in 9 Fahrtentagen)
9. Guyana (573 km in 16 Fahrtentagen)
10. Suriname (412 km in 17
Fahrtentagen)
11. Französisch Guyana (373 km in 16
Fahrtentagen)
12. Brasilien (7.547 km in 243
Fahrtentagen)
13. Uruguay (557 km in 18
Fahrtentagen)
14. Argentinien (52 km in 1
Fahrtentag)
Kartenskizze: Tagesetappen rund Südamerika
http://freyahoffmeister.com/expeditions/south-america/sa-map-of-daily-legs/
Gepaddelt wurde mit einem schwedischen Seekajak, das mit
wenigen Ausnahmen mit Ausrüstung beladen war, die zwischen 70
und 100 kg wog. Durchschnittlich saß sie pro Paddeltag 9:13
Std. in ihrem Kajak (inkl. Pausen) und legte dabei
durchschnittlich an die 44 km pro Paddeltag zurück, woraus wir
eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 4,8 km/h ableiten können.
Mit diesem Tempo gewinnen wir keine Rallye … außer sie geht
über 26.000 Kilometer; denn wenn wir Tag für Tag, Woche für
Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr paddeln müssten … und das
auch noch mit vollem Gepäck und bei den unterschiedlichsten
Gewässer- & Strömungsbedingungen, dann würden wir uns alle
in einem wesentlich niedrigeren Geschwindigkeitsbereich
vorwärts bewegen als bei jenen Rallyes, die üblicherweise schon
nach 40, 80 oder 120 km vorbei sind.
Glück gehabt!?
Freya hat uns mit ihrer Südamerikaumrundung die Grenzen
paddlerischer Möglichkeiten des Küstenkanuwanderns aufgezeigt.
Wer bis zu diesen Grenzen vorstoßen möchte, der muss nicht bloß
zäh, ehrgeizig & solvent sein und über genügend Zeit
verfügen, sondern der braucht auch Erfahrungen, die einem
ermöglichen, aus Wind, Strömung & Küstenstrukturen die
Gewässerschwierigkeiten abschätzen zu können. Außerdem muss er
natürlich seegangstüchtig (bis 7-8 Bft.) &
navigationstüchtig sein (selbst wenn die Gewässerbedingungen
die Benutzung von Karte und GPS nicht erlauben), aber auch nach
einer Kenterung rollen können (egal aus welcher Lage).
Schließlich sollte er die Grenzen seines eigenen
Leistungsvermögens kennen, ein Gespür für Gefahren haben… und
einen Schutzengel.
Natürlich hat Freya bei ihren Touren immer viel Glück gehabt …
aber letztlich auch deshalb, weil sie ihr Glück nur ganz, ganz
selten herausforderte. Und wenn sie doch mal Pech hatte, dann
nahm das letztlich stets noch einen glücklichen Verlauf. So
z.B.:
• beim Ansteuern auf Kap Horn, als nur knapp
2 km vor dem Ziel ein für den Abend prognostizierter 8-9er
Gegenwind schon am Nachmittag anfing zu blasen und Freya zwang
umzukehren und auf der nächst besten Insel zwischen den Felsen
notzulanden (s. KS 2/12, S.26ff.);
• bei einer Portage durchs chilenische
Fjordland, wo sie vom Meer aus über den Rio Negro zur Lagune
San Rafael ihre Tour abkürzen und sich so den Umweg über die
längere Küstenpassage ersparen wollte; 2 Tage hatte sie
gebraucht, um sich mit ihrem Kajak im Schlepp durch die
versumpfte, zugewucherte und spurenlose Wildnis zu kämpfen,
ohne dabei sicher zu sein, dass sie die Lagune wirklich
erreichen wird (s. KS 6/12, S.16ff.);
• entlang Chiles Pazifikküste, wo mehrere
Meter hohe Brecher ohne Unterlass so an den Strand rollten,
dass ein Anlanden mit einem Seekajak nicht möglich war; doch
dann tauchten einheimische Fischersleute mit einem Motorboot
auf, nahmen Freya samt ihrem Kajak an Bord und mogelten sich
mit viel Bootsgefühl & Erfahrung durch die Brandung an Land
(s. KS 5/12, S.24ff.);
• vor Venezuelas Karibikküste, als ein
Motorbootflitzer ihr übers Heck fuhr (s. KS 10/13, S.19);
• in der nicht enden wollenden
Watt-Sumpf-Mangroven-Landschaft Guyanas, wo sie manche Nacht in
der zwischen den Mangroven aufgespannten Hängematte liegend nie
ganz sicher war, ob das auflaufende Wasser sich damit begnügen
wird, sie bloß nass zu spritzen (s. KS 3/14, S.22ff.);
• in der Amazonasmündung, als die
Gezeitenwelle Pororoca sie ganz unerwartet erfasste und auf
einer Strecke von ca. 8 km im Seitwärtssurf über die nassen
Wattflächen mit sich spülte … lt. GPS mit max. 30 km/h (s. KS
7/14, S.20ff.);
• am Ostende Brasiliens, wo die Brandung sie
kenterte, anschließend aus ihrer Sitzluke schleuderte und dann
an einen Sandstrand spülte (s. KS 12/14, S.32ff.);
• an der südöstlichen Atlantikküste von
Brasilien, als beim Anlanden ein Kaventsmann sie erfasste und
über ein Riff surfen & kerzen ließ (s. KS 2/15, S.7).
Biwakstillleben
Wattlandschaft
Tägliche Unannehmlichkeiten
Aber es waren nicht diese Pechsträhnen, die Freya unterwegs
Probleme bereiteten! Vielmehr waren es die alltäglichen Sorgen,
die insbesondere durch Folgendes verursacht wurden:
• Da war der beständig wehende Gegenwind,
der von der Ostküste Panamas bis zum Ostkap Brasiliens das
Vorankommen Freyas so wesentlich erschwerte, dass sie fast
daran verzweifelte. Sie war drauf und daran, die letzten 1.000
km bis zum Ostkap einfach auszulassen, wenn ihr nicht die
rettende Idee gekommen wäre, diese Passage stattdessen entgegen
dem Uhrzeigersinn zu paddeln.
• Dann gab es die tropischen Temperaturen
dies- und jenseits des Äquators, die es ihr unmöglich machten,
sich von den Strapazen stundenlangen Paddelns zu erholen. Freya
gelingt es jedoch, alle sechs, sieben Tage für ein, zwei Tage
von Einheimischen eine klimatisierte Unterkunft angeboten zu
bekommen. Ohne eines solchen, meist privaten Angebots hätte sie
sicherlich auf Dauer nicht die Kraft & Motivation zum
Weiterpaddeln gehabt.
• Als Zugabe konnten die Moskitos angesehen
werden, die an Land sich regelrecht auf Freya stürzten, sodass
ihr meist nichts anderes übrig blieb, als nach dem Anlanden
sofort ihr Zelt aufzubauen, um sich dann dort bis zum nächsten
Morgen, so schwül es dort drinnen auch war, aufzuhalten.
• Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei die
fehlende Synchronisation von Sonnenaufgang und Hochwasser, die
es während 5 Monaten, die Freya entlang der Wattenmeerküsten
von Guyana bis Brasilien paddelte, immer wieder erforderlich
machten, mitten in der Nacht zu starten, d.h. kurz nach
Mitternacht schon wieder aufzustehen.
Im Wechsel liegt die Kraft - Freya liebte die
Abwechslung.
Sie freute sich über eine jede der Küste vorgelagerte Insel.
Inseln boten ihr nicht nur häufig Wind- & Wellenschutz,
sondern lockerten das Landschaftsbild der Küste auf; denn
nichts war für sie langweiliger als ein mehrere hundert
Kilometer langer Sandstrand.
Sie nutzte jede Möglichkeit, über Fjorde, Strandsee, Lagunen,
Kanälen der Küste auszuweichen, auch wenn die Gelegenheiten
dafür recht selten waren und dabei ein Umweg zu paddeln war,
u.U. auf Gewässern, die nicht immer über genügend Wasserstand
verfügten, aber irgendwann hatte auch die leidenschaftlichste
Küstenkanuwanderin, die es z.Zt. gibt, keine Lust tagsüber
immer nur Brandung zu sehen und nachts immer nur die Brandung
zu hören.
Sie genoss die Begegnungen mit der Fauna Südamerikas.
Unvergesslich werden ihr die Delphinschwärme bleiben, die bei
einer Nachtfahrt hinüber nach Trinidad das Meer „kochen“
ließen; ebenso die Schildkröte in Venezuela, die nachts ihre
Eier unter Freyas Zelt ablegen wollte (s. KS, 11/13, S.45);
aber auch die Moskitos, deren Summen manchmal lauter als das
Rauschen der Brandung war.
Schildkröte per Anhalter unterwegs
See-Elefant
Qualle
Sie war voller Dankbarkeit ihren einheimischen Gastgebern
gegenüber. Nur in der Nacht, wenn Einheimische vor Freyas Zelt
standen und nach ihr riefen, das konnte sie furchtbar aufregen.
Warum begriffen die denn nicht, dass sie am nächsten Morgen
wieder sehr früh starten musste. „Nein, Freya, das was Du da
tust, ist nicht nur für den Südamerikaner, der dicht an der
Küste „von der Hand in den Mund“ lebt, unbegreiflich, sondern
sicherlich auch für die meisten deutschen Kanuten!“
Gastfreundliche Brasilianer
Welcome Party
…. und nun?
Am 1. Mai wird es zu Ehren von Freya Hoffmeister einen großen
Empfang in Buenos Aires geben. Die Marine wird extra mit der
Fregatte Sarmiento ihr entgegen segeln, wenn sie gemeinsam mit
einer großen Schar von Kanuten die letzten verbliebenen
Kilometer nach Buenos Aires hinein paddelt. Und am 9. Mai 2015
wird in Augsburg der World-Paddle-Award verliehen. Vielleicht
gewinnt Freya ja in ihrer Kategorie. Wir drücken ihr die
Daumen.
Text: Udo Beier