Im vergangenen Jahr überraschte Morley die Kajakszene, als
er den scheinbar unschlagbaren dreifachen adidas Sickline
Meister Sam Sutton aus Neuseeland bezwang. In diesem Jahr
reiste der Slalomspezialist als Titelverteidiger und Topfavorit
an und hielt dem Druck stand. Er legte einen beeindruckenden
Finallauf auf der 7°C kalten Ötztaler Ache hin und fuhr die
Tagesbestzeit, 56,48 Sekunden. Damit war er eine Sekunde
schneller als der Zweitplatzierte Mike Dawson (0:57,42).
„In meinem letzten Lauf hat einfach alles gepasst. Ich bin
über das Wochenende von Lauf zu Lauf immer schneller geworden“,
so Morley. „Somit wusste ich ganz genau, was ich wo zu tun
hatte und das habe ich dann einfach umgesetzt! Ich war etwas
nervös, da Gerd Serrasolses schon das ganze Wochenende
superschnell unterwegs war. Theoretisch kann man auf diesem
Kurs immer noch irgendwo Zeit rausholen. Ich kann immer noch
fitter oder noch stärker im Flachwasser sein. Ich weiß es ist
ein ehrgeiziges Ziel, Sams Rekord von drei adidas Sickline
Siegen schlagen zu wollen, aber ich werde wiederkommen und es
versuchen, solange ich kann.“
Für Mike Dawson, war es bereits die dritte Silbermedaille bei der adidas Sickline nach 2009 und 2011. “Es tut gut, hier wieder auf dem Podium zu stehen“, so Mike Dawson. „Letztes Jahr bzw. dieses Jahr, hatte ich eine OP. Ich habe mir letztes Jahr den Rücken gebrochen, deswegen ist es einfach cool, wieder paddeln zu können. Es wird hier jedes Jahr härter und härter, es kommen immer mehr Jungs, die sich auf Extremrennen konzentrieren und dies zu ihrem Hauptsport machen und sie trainieren das ganze Jahr über wirklich hart. Und es gibt immer mehr neue Rennen, die wirklich gut sind und einen fordern. Wenn dann alle hier zum absoluten Höhepunkt der Saison zusammenkommen, will jeder gewinnen. Und das ist wirklich hart, wenn du in der Vergangenheit immer erfolgreich warst, mit all den jungen Nachwuchspaddlern, die dir an den Fersen hängen und dir deinen Platz auf dem Podium streitig machen wollen, klar zukommen. Es ist hart, aber es macht auch viel Spaß.”
Während Sam Sutton, der seine Tagesbestzeit (0:56,50) im
Halbfinale fuhr, Schwierigkeiten hatte, bei dem niedrigen
Wasserstand von 1,82 m seine Ideallinie zu finden, hielt sein
jüngerer Bruder Jamie heute die Familienehre hoch und sicherte
sich die Bronzemedaille mit einer Zeit von 57,50 Sekunden.
Jamie Suttons Streckenrekord von 0:55,73, den er letztes Jahr
aufgestellt hatte, wurde an diesem Wochenende nicht
angekratzt.
“Ich bin ziemlich froh, dass mein Rekord noch Bestand hat”, so
Jamie Sutton. “Ich habe gesehen, wie Gerd und Sam ziemlich nah
herankamen und da wurde ich schon ein bisschen nervös, denn ich
hatte eigentlich darauf gehofft, mich selbst zu unterbieten.
Aber da es mir nicht gelungen ist, bin ich froh, dass es auch
kein anderer geschafft hat. Ich bin überglücklich über den
dritten Platz.”
Gerd Serrasolses, der die Qualifikation am gestrigen Tag
dominierte und mit einem Vorsprung von 2,5 Sekunden gewann,
zeigte seinen besten Lauf heute im Viertelfinale (0:56,58). Im
Halbfinale traf der Spanier beim Head-to-Head Duell auf seinen
Teamkollegen Sam Sutton. Nachdem Serrasolses die Latte mit
einer weiteren Topzeit (0:56,77) sehr hoch gelegt und Sutton
eine Runde zuvor nur eine 0:57,97 geschafft hatte, fürchteten
schon einige, Sutton würde das Finale nicht erreichen. Doch der
Kiwi bewies einmal mehr seine Klasse, und fuhr im
entscheidenden Moment die bis zu dem Zeitpunkt schnellste Zeit
des Tages (0:56,60). Gerd Serrasolses qualifizierte sich zwar
als Lucky Loser für das Finale, erreichte am Ende aber nur den
undankbaren 4. Platz.
„Ich bin etwas enttäuscht, denn in den letzten Tagen bin ich
so gut gefahren. Gestern war ich Erster und auch heute hatte
ich ein paar richtig schnelle Zeiten. Aber es scheint, als
könne ich nicht mit dem Finale umgehen. Letztes Jahr wie dieses
Jahr, ein und dieselbe Geschichte. Mein Start im finalen Lauf
war ziemlich schlecht. Ich habe einen Felsen touchiert und
konnte deswegen nicht so relaxt starten wie sonst. Der ganze
Lauf war ein einziger Krampf, ich habe so viele Felsen
gestreift und konnte keinen Rhythmus finden. Ehrlich gesagt,
habe ich vieles anders gemacht als zuvor und das spiegelte sich
auch in meiner Finalzeit wider, denn ich war um ein paar
Sekunden langsamer als vorher.“
Das Duell der Generationen im Halbfinale war das Aufeinandertreffen von Vater und Sohn in einem Heat. Der 20-jährige Freestyle Weltmeister Dane Jackson (USA) kämpfte um den Einzug ins Finale gegen seinen 50-jährigen Vater Eric Jackson (USA), eine lebende Legende des Kajaksports, mehrfacher Freestyle Weltmeister und Inhaber der Firma Jackson Kayak. War es väterliche Liebe oder der Zahn der Zeit? Dane besiegte seinen Dad mit einer Sekunde Vorsprung und belegte am Ende des Tages Platz 5.
Eine der größten Überraschungen in der K.O.-Runde war sicherlich die Niederlage des letztjährigen Bronzemedaillengewinners und Topfavoriten Egor Voskoboynikov (RUS). Das 28-jährige Kraftpaket beeindruckte die Konkurrenz mit der zweitschnellsten Zeit sowohl in der Qualifikation als auch im Viertelfinale, musste aber im Halbfinale aufgrund einer Reihe kleinerer Fahrfehler Tribut zollen. Der Russe unterlag in seinem Heat dem Kanadier Joel Kowalski, der nur eine Hundertstel Sekunde schneller war als er. “Ich bin sehr enttäuscht, denn ich hatte mehr von mir erwartet“, so Voskoboynikov . “Mein erster Lauf hat gezeigt, dass ich hier gewinnen kann, aber irgendwie sollte es nicht sein. Ich werde noch lange darüber nachdenken, meine Fehler analysieren und nächstes Jahr wiederkommen, um zu gewinnen.“
Der bester deutsche Wildwasserpaddler war Fabian Dörfler von den Kanu Schwaben Augsburg auf Platz 6. In einer Zeit von 58,90 sek kam er knapp vpr dem zweiten Deutschen, Thilo Niklas Schmitt, und dem dreifachen Champion Sam Sutton ins Ziel.
Fünfzehn Frauen nahmen dieses Jahr an der adidas Sickline
teil, so viele wie noch nie zuvor. Die fünf schnellsten Damen
der Qualifikation trugen ihren Wettkampf um den Titel der
adidas Sickline Queen ebenfalls auf der oberen
Wellerbrückenstrecke aus. Die derzeit beste Extrempaddlerin der
Welt, Nouria Newman aus Frankreich, siegte erwartungsgemäß mit
einem beeindruckenden Vorsprung von 6 Sekunden auf die
zweitplatzierte Toni George (NZL) und 10 Sekunden auf die
drittplatzierte Martina Wegman (NED).
„Ich bin wirklich glücklich über den Verlauf des Rennens. Ich
habe nur kleine Fehler gemacht und das hier ist ein Fluss, auf
dem man große Fehler machen kann und überspült wird. Deshalb
hatte ich einen wirklich guten Tag. Ich messe mich nicht mit
anderen Paddlerinnen, sondern versuche nur gegen mich selbst zu
fahren und in den Zustand zu kommen, in dem man die perfekte
Bewegung im Fluss hat. Ich freue mich, Erste geworden zu sein,
obwohl ich nicht 100 prozentig zufrieden bin mit meinen Läufen.
Das ärgert mich schon ein wenig, aber es ist okay, das zwingt
mich, besser zu werden.“
Über 130 der weltbesten Wildwasser-, Slalom- und Freestylepaddler aus 25 Nationen trafen im malerischen Ort Oetz aufeinander, um auf dem als Wellerbrücke bezeichneten Abschnitt der Ötztaler Ache, einer der schwierigsten und legendärsten Wildwasserstrecken der Welt zu paddeln. Die Wellerbrückenstrecke ist massives Wildwasser der Stufe 5, das heißt sowohl technisch schwierig als auch gefährlich. Jeder noch so kleine Fehler hat Konsequenzen. Die berühmt-berüchtigten Stromschnellen Champions Killer (der letzte Wasserfall der 280-meter langen Rennstrecke) und Champions Killer Minus 1 (die Walze oberhalb des Champions Killers) sind zugleich gefürchtet und beliebt bei den Extremkajakern, die alle großen Respekt vor dem Flussabschnitt haben, aber genauso darauf brennen, ihn zu bezwingen.
Die Teilnehmer sind sich einig, dass die adidas Sickline einzigartig ist, denn hier treffen Athleten der unterschiedlichsten Kajakdisziplinen – Extrempaddler, Slalomfahrer und Expeditionskajaker - in einem Rennen aufeinander. Durch das Head-to-Head Format ist es schwierig überhaupt, ins Finale zu kommen. Jeder der 15 Finalisten, der das schafft, hat die Fähigkeit eine Medaille zu holen.
Ein Wochenende lang war die Wellerbrücke fest in der Hand der internationalen Kajakszene. Ab Montag gehört der Wildfluss wieder der Fischerei, denn die Ötztaler Ache ist auf einer Gesamtuferlänge von 15 Kilometern befischbar. Bis Mitte November kann man hier Bachforellen, Regenbogenforellen und Bachsaiblinge angeln. (Infos unter posthotel-kassl.at)