14.10.2014 | Umwelt & Gewässer

Sperrung der renaturierten Nidda

Regierungspräsidium Darmstadt lehnt Gütetermin ab, Hessisches Umweltministerium verweigert Dialog mit Hessischen Sportverbänden
Bild: Siegfried Baier / pixelio.de
Landessportbund Hessen und Hessischer Kanu-Verband zeigen sich betroffen durch die ablehnende Haltung der Behörden gegenüber den Belangen des organisierten Sports.
 
Im Rechtsstreit um die beiden in 2012 und 2013 durch das RP Darmstadt erlassenen Allgemeinverfügungen zur Sperrung von drei renaturierten Nidda-Abschnitten für die Dauer von jeweils sieben Monaten vor dem Verwaltungsgericht Gießen im Mai 2014 konnte der Hessische Kanu-Verband einen Teilsieg erringen. Entgegen den Behauptungen des RP Darmstadt ist der HKV sehr wohl klageberechtigt und kann seine Rechte und die seiner Mitglieder vor Gericht vertreten.
 
Leider machte sich das VG Gießen die Argumentation des RP Darmstadt zu eigen - obwohl für die vorgetragenen Behauptungen zur Störwirkung von Kanus auf Fisch- und Vogelwelt keinerlei wissenschaftliche Beweise vorgelegt wurden - und entschied, dass die Allgemeinverfügungen insgesamt rechtmäßig seien.
Das VG Gießen differenzierte bei seiner Urteilsbegründung nicht zwischen den organisierten Kanusportlern, die gut ausgebildet ein naturbelassenes Fließgewässer befahren, und den anderen Freizeitnutzern. So heißt es in der Urteilsbegründung: " ... gab es Störungen durch badende Hunde, Freizeitsportler, durch Anlandungen von Boots- oder Kanufahrern auf Kies- und Sandbänken, Feiern dort und vergleichbares ...". Und weiterhin: "bei stichprobenartigen Überwachungen Störungen, hauptsächlich durch unbedachtes Betreten der Uferbereiche, aber auch durch feiernde Jugendliche und Badenlassen von Hunden ...". Inwiefern hier ein Zusammenhang mit der Ausübung des naturverträglichen Kanusports besteht, bleibt unergründbar.
 
Erstaunlicherweise wurden erst bei der mündlichen Verhandlung vor dem VG Gießen die vertraglichen Regelungen der Ausnahmeregelungen für die Angelsportvereine innerhalb der gesperrten Zonen durch das RP Darmstadt vorgetragen.
Und genau solche vertraglichen Regelungen verweigert das RP Darmstadt dem HKV. Als Argument für die ablehnende Haltung nennt das RP Darmstadt: "Selbst vorbildlich agierende Kanuten können in den sensiblen Gewässerlebensräumen der Nidda allein durch ihre Anwesenheit unbeabsichtigte Beeinträchtigungen auslösen. Da es in den Renaturierungsabschnitten notwendig ist, die Lebensräume störanfälliger Tierarten auch vor geringfügig erscheinenden Belastungen zu schützen, kommt nur eine Sperrung für alle Gruppen von Bootfahrern in Betracht."
Es bleibt unergründlich, warum den Anglern eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, gleichzeitig den Kanuten eine solche Regelung und auch Gespräche darüber verwehrt bleiben.
 
Gegen die Entscheidung des VG Gießen legte der HKV fristgerecht Berufung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein. Von dieser Stelle wurde die Möglichkeit eines Gütetermins vorgeschlagen, den der HKV gerne angenommen hat. In der nun vorliegenden Antwort des RP Darmstadt heißt es: "Dem Vorschlag einer Übertragung der Sache auf einen Güterichter wird damit seitens des Beklagten widersprochen."
 
Mittlerweile ist das Nachanhörungsverfahren zur Novellierung der Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet "Auenverbund Wetterau" abgeschlossen. Der HKV hat in seiner Stellungnahme zu dem zukünftig dauerhaften siebenmonatigen Befahrungsverbot nochmals auf die Bedeutung dieses zusammenhängenden Fließgewässers für die Kanu-Vereine im Bezirk Main und deren Jugend-, Ausbildungs- und Ökologie-Arbeit hingewiesen sowie zahlreiche, in anderen Bundesländern erfolgreich angewandte Maßnahmen zur Befahrungsregelung genannt. Leider blieb das RP Darmstadt bis heute eine Antwort schuldig.
 
Es ist für einen ehrenamtlich geführten Spitzensportverband nur schwer nachvollziehbar, dass eine Behörde wie das RP Darmstadt den Verfassungsrang "Naturschutz" höher einstuft als den gleich gestellten Verfassungsrang "Sport" - genau die gleiche Behörde, die einem Unternehmen erlaubt, streng geschützten Bannwald für die Ausweitung seines Betriebsgeländes zu roden.
 
Ganz unverständlich ist auch die Haltung des Hessischen Umweltministeriums, das die zeitweise Sperrung der renaturierten Abschnitte der Nidda für den Kanusport durch das RP Darmstadt unterstützt und in einer Stellungnahme verlauten lässt: "Ich sehe daher keine Veranlassung, diesbezüglich den Dialog mit dem Kanuverband aufzunehmen." - eben dieses Umweltministerium erlaubt einem Unternehmen bis ins Jahr 2075 die Einleitung von ungeklärter Salzlauge in ein Fließgewässer (wohl wissend, dass diese Erlaubnis im krassen Gegensatz zu den Zielen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie steht).
 
Der Hessische Kanu-Verband bedauert diese Entwicklung sehr und hofft dennoch eine einvernehmlichen Lösung im Sinne des organisierten Sports zu finden. Die Sprachlosigkeit von RP Darmstadt und Umweltministerium sollte auf jeden Fall schnellstmöglich überwunden werden.
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