Mit der Eskimorolle oder, korrekter, der Kenterrolle kann
ein Paddler sein kopfüber schwimmendes Kajak wieder
aufrichten, ohne aussteigen zu müssen. Man sagt, die Inuit
hätten diese Technik deswegen erfunden, weil sie nicht
schwimmen können. (Selbst wenn es wahr ist: Wer will das
schon im eiskalten Wasser?) Kopfunter befindet man sich als
Paddler dummerweise in einer stabilen Position, weil die
Auftriebskraft genau über der Gewichtskraft ansetzt. Will man
den Körper nach oben bringen, ist das aber nicht mehr der
Fall. Dadurch entsteht ein sogenanntes Drehmoment, das den
Körper wieder nach unten zieht (Abb. 1). Es gibt eine
verwirrende Vielzahl von Kenterrollen: Für die Teilnahme an
den grönländischen Kajakmeisterschaften etwa muss man mehr
als zwei Dutzend Varianten beherrschen. Physikalisch passiert
aber immer dasselbe: Der Sportler muss ein Drehmoment
erzeugen, das entgegengesetzt gerichtet ist und größer als
jenes, das ihn wieder nach unten zieht.
Zunächst führt der Sportler ein Ende des Doppelpaddels
knapp unter die Wasserober fläche (Abb. 1). um das Aufrichten
aus dem Wasser zu verstehen, brauchen wir folgende phy
sikalische Zutaten: das 3. newtonsche Axiom („actio est
reactio“), das zuvor erwähnte Drehmoment und das Gesetz des
Auftriebs. Der Sportler drückt nun das Paddel nach unten in
das Wasser und übt auf dieses eine Kraft aus (actio). Das
Wasser übt eine gleich große, aber entgegengesetzte Kraft auf
das Paddel aus (reactio; F² in Abb. 2). nun kommt das
Drehmoment (M) ins Spiel. Dieses ist definiert als Kraft (F)
mal Abstand zur Drehachse (r), also M = F · r. Das Drehmoment
ist bei gleicher Kraft also umso größer, je weiter von der
Drehachse entfernt diese wirkt. Deshalb drückt der Sportler
das Paddelende möglichst weit außen ins Wasser. Das
Drehmoment, das er erzeugt (M²), muss während des Aufrichtens
größer sein als das Drehmoment, das an boot und Sportler
angreift (M1), damit das Aufrichten gelingt. Es muss also
gelten: M² > M1. Die wirkenden Drehmomente in Abb. 2 sind
vereinfacht eingezeichnet. Diese und auch die lage der
Drehachse ändern sich pausenlos. Zu guter letzt brauchen wir
noch das Gesetz des Auftriebs. Die Auftriebskraft ist so groß
wie das Gewicht des verdrängten Wassers und zeigt nach oben.
Die Dichte des Menschen ist praktisch so groß wie die des
Wassers. befindet sich der Oberkörper ganz unter Wasser,
heben sich an ihm
Gewichtskraft und Auftriebskraft praktisch auf, und er ist
salopp gesagt „schwerelos“. Aus demselben Grund versucht der
gekenterte Sportler so lange und mit so vielen Körper teilen
wie möglich unter Wasser zu bleiben. Die benötigte Kraft zur
Drehung ist dann geringer. Dazu kippt der Sportler zunächst
das becken und somit auch das Kajak (Abb. 1 auf 2), und erst
zum Schluss richtet er den Körper auf (Abb. 3). Durch den
Trick mit dem hüftknick wird so das Aufrichten
leichter.
*Mag. DDr. Martin Apolin, 46, promovierter Physiker
und
Sportwissenschafter, arbeitet als AHS-Lehrer und Lektor an
der
Fakultät für Physik in Wien und ist mehrfacher
Buchautor.
Alle Abbildungen finden sich auf dem Bild eingezeichnet
Veröffentlicht im The Red Bulletin.