10.06.2022 | Kanu-Rennsport

"Je mehr ich mich über die 500 Meter quäle, desto mehr Spaß macht es mir"

Jakob Thordsen über seinen ersten Weltcup-Sieg im Kajak-Einer und vieles mehr
Gefragter Gast: Der Erfolg von Jakob Thordsen zog viel Medieninteresse auf sich.

Es war die erste Goldmedaille für das Kanurennsport-Nationalteam im Jahr 2022. Beim Weltcup in Racice lässt Jakob Thordsen bei seinem Debüt im 500-Meter-Einer der Konkurrenz lässt der 22-Jährige Niedersachse die versammelte internationale Konkurrenz alt aussehen und paddelt zu Gold. Weniger gut lief es beim zweiten Kräftemessen in Posen. Doch Thordsen lässt sich auf seinem Weg auf und neben dem Wasser nicht beirren, wie er im Interview klar unterstreicht.

Frage: Jakob, Gold zum Auftakt in die Saison gab es für Dich. Wie war denn die eigentliche Erwartungshaltung vor der Saison?

Sehr gering durch die Corona-Infektion im Frühjahr. Bei der Nationalmannschafts-Qualifikation in Duisburg musste ich deswegen auch die 1000 Meter abbrechen, somit waren die Erwartungen ordentlich gedämpft. Auf den 500 Metern, in denen ich ja dann im Weltcup eingesetzt wurde, habe ich mich schon wohlgefühlt. Ich habe gemerkt: „Du bist fit, das passt alles.“ Aber dass ich dann ganz vorne mitfahren kann und dann sogar den Sieg hole, habe ich mir nicht gedacht. So ganz glauben kann ich es immer noch nicht. Natürlich fehlen beim ersten Weltcup auch noch ein paar Athleten, aber es ist mindestens schon mal ein erster Lichtblick der Saison.

Beim zweiten Weltcup war es dann – bei zugegebenermaßen fürchterlichen Bedingungen – nur das C-Finale. War das bloß ein Ausrutscher oder ist das ein natürliches auf und ab?

Es war ein schwieriger Wettkampf für mich allgemein mit den Verschiebungen, auch wenn mich die Änderungen weniger getroffen haben. Da auf Grundlage des ersten Wettkampfs unsere Boote gebildet wurden, war es natürlich super wichtig, dort erfolgreich zu sein. In Posen war der Zwischenlauf einfach schlecht von mir. Da habe ich den Start fast verpasst, hatte noch Algen vorne an der Spitze und habe die nicht mehr wegbekommen. Beim Losfahren war das noch kein Problem, auf der Strecke hat es mich dann stark eingebremst. Ein gebrauchtes Rennen eben.

Bei den Finals in Berlin bist Du nicht dabei, damit ist der nächste internationale Wettkampf für Dich die WM in Hallifax Anfang August. Was sind denn da Deine Ziele?

Ins A-Finale zu fahren und dort die bestmögliche Platzierung rauszufahren. Ich bin niemand, der sich jetzt riesige Ziele setzt, so baue ich mir nur selbst Druck auf. Stattdessen Schritt für Schritt, das bedeutet: Sollte ich es ins Finale schaffen, überlege ich mir dann nochmal, was ein realistisches neues Ziel ist.

Wir kennen Dich als extrem schnellen 1000-Meter-Fahrer, jetzt geht’s auch auf den kürzeren 500 richtig vorwärts – was ist Dir denn mittlerweile lieber?

(lacht) Vor drei Wochen hätte ich noch definitiv 1000 gesagt, heute sage ich: Tagesformabhängig! Grundsätzlich bevorzuge ich die 1000 schon noch, weil ich da einfach über mein Grundtempo noch mehr einsetzen kann. Aber je mehr ich mich über die 500 quäle, desto mehr Spaß bringt es mir. Man kann da auch nie sagen, ob jetzt die Sprinter oder die Mittelstreckenfahrer einen Vorteil haben, es ist immer sehr eng. Das macht die Sache so interessant.

Mit 22 Jahren bist Du teils deutlich jünger als die Weltspitze in Deinen Disziplinen. Welches Potential steckt bei Dir noch drin, welches bei den „Älteren“ nicht mehr so da ist?

Ich glaube, bei mir gibt’s bei den Trainingsumfängen noch viel Luft nach oben wegen meiner zwar schönen, aber sehr zeitintensiven Ausbildung zum Mechatroniker. Noch mehr zu trainieren kann natürlich auch nach hinten losgehen, aber ich gehe davon aus, dass es mich nach vorne bringt. Ich werde den Umfang langsam steigern und dann mal sehen, wie mein Körper darauf reagiert.

Eine Ausbildung zum Mechatroniker ist nicht gerade ein gängiger Berufsweg für Spitzensportler und damit sicher auch etwas schwieriger mit dem Kanu zu verbinden. Wäre da nicht eine andere Berufswahl besser?

Ich bin super zufrieden mit meinem Arbeitgeber Sennheiser, weil die mir schon sehr viele Freiheiten geben. Klar muss man trotzdem beiden Aufgaben gerecht werden, deswegen kann es schonmal passieren, dass Du am Montag nach einem harten Trainingslager oder Wettkampf wieder früh morgens auf der Matte stehen musst. Trotzdem finden sich immer Mittel und Wege, weil ich einen super guten Kontakt mit meinem Ausbilder habe. Da gab es noch nie Sachen, die ich nicht machen durfte. Ja, vielleicht mal eine verspätete Anreise zu einem Lehrgang. Aber es lässt sich vereinbaren. Nur – und da bin ich ganz offen – muss man es wollen. Man muss sich darauf einstellen, dass es stressig wird.

Warum eigentlich genau Mechatroniker?

Mein Vater ist selbstständiger Elektromeister in unserem kleinen Familienbetrieb. Da durfte ich als kleiner Junge in der Werkstatt rumspielen und bin deswegen sehr technikaffin. Es hat mich schon immer interessiert, wie diese großen Fertigungsstraßen mit Fräsen und Co. funktionieren. Bei Mechatronik sind es eben drei Fachbereiche (Metallbearbeitung, IT und Elektro), auf die es sich aufteilt. Das macht es sehr facettenreich und dementsprechend wird es einem nie langweilig.

Nie langweilig wurde es Dir auch in Sachen interner Konkurrenz – zwei Deiner gleichalten Namensvetter begleiten Dich schon länger auf Deinem Weg, als dauerhafte Rivalen. Jacob Schopf und Jakob Kurschat. Vor allem Ersteren musstest Du national schon häufiger den obersten Platz auf dem Podest überlassen. Nervt das, wenn da im selben Jahrgang so ein Überflieger dabei ist, der einem immer wieder Pokale vor der Nase wegschnappt?

Jacob Schopf gehört seit Jahren zur Weltspitze. Es ist doch schön, dass wir in Deutschland jemanden haben, der alle Strecken so exzellent beherrscht. Ich sehe das gar nicht negativ, denn das ist ja der Vorteil hierzulande, dass wir eben so viele schnelle Leute haben. Natürlich ist es manchmal blöd, wenn der eine schneller ist und den Einsatz in einem begehrten Boot bekommt, aber Konkurrenz belebt eben das Geschäft. Wir drei Jakobs verstehen uns hervorragend, deswegen bin ich auch gar nicht neidische auf deren Erfolge, sondern freue mich mit ihnen. Ich bin froh, dass ich die beiden habe!

Das Interview führte Ludwig Degmayr.

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