30.06.2021 | Parakanu

Anas Al Khalifa im Refugee-Team für die Paralympics

IPC gibt grünes Licht für den syrischen Parakanuten
Anas Al Khalifa bei den Europameisterschaften in Poznan (Bild: Finn Eidam)

Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hat heute sechs Athleteninnen und Athleten bestätigt, die im Refugee Paralympic Team (RPT) bei den Paralympischen Spielen in Tokio 2020 starten werden. Darunter ist auch der syrische Flüchtling Anas Al Khalifa, der seit vier Jahren in Deutschland lebt und auch seit diesem Jahr im deutschen Parakanu-Team mittrainiert. 

„Ich bin überglücklich, dass es geklappt hat“, meinte Al Khalifa im Interview. „Das ist wirklich unglaublich. Auch weil ich den letzten Monaten wegen einer Schulterluxation nicht richtig trainieren konnte. Die letzten Wochen waren nicht einfach, aber ich habe eine große Unterstützung von meiner Heimtrainerin, von meinem Verein und seitens des Verbandes bekommen.“

Dies unterstrich auch der DKV-Präsident Thomas Konietzko: „Die Aufnahme in das Refugee-Team der IPC freut mich wirklich sehr“, so Konietzko. „Wir haben Anas unsere Hilfe und Unterstützung sehr gerne angeboten und ihn in unser Team integriert, sodass er bei Trainingslehrgängen teilnehmen und auch zum Weltcup und den Europameisterschaften fahren konnte. Die Leistungen haben sich gut entwickelt. Deswegen beglückwünschen wir ihn, dass er jetzt nach Tokio fahren und seinen großen Traum erfüllen kann.“

Al Khalifa war vor vier Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen, arbeitete als Handwerker und montierte Solar-Auflagen. Dabei hatte er einen Arbeitsunfall als er von einer Leiter aus dem zweiten Stockwerk stürzte und sich dabei eine schwere Wirbelsäulenverletzung zuzog. Seitdem sitzt der 28-jährige Syrer im Rollstuhl. 

„Eine Freundin von mir hatte Anas bereits im Krankenhaus im September 2019 angesprochen, ob er nicht Lust hätte Kanusport auszuprobieren“, erinnert sich seine heutige Heimtrainerin Ognayana Dusheva, die in Halle an der Saale mit Top-Kanutinnen und Kanuten wie Anja Adler trainiert. „Kurze Zeit später kam Anas zu uns in den Verein. Ich sah, dass er starke Arme und großes Interesse hatte, sodass wir den Versuch gewagt haben. Allerdings hat er zu Beginn nichtmal gewusst, was Paddeln ist. Daraufhin haben wir zunächst in der Gymnastikhalle und im Kraftraum trainiert. Im Februar 2020 habe ich ihn mit meiner Tochter das erste Mal in ein Kajak gesetzt. In unserem Swimming-Pool ist er zwar mehrfach umgefallen, aber er hatte keine Angst. Das waren gute Voraussetzungen. Später im April paddelte er das erste Mal auf einem Fluss. Dann kam zwar die Corona-Zeit und wir mussten online trainieren, aber Anas entwickelte sich stetig weiter.“

„Im Oktober 2020 habe ich Anas das erste Mal zu einem Lehrgang eingeladen“, führt Parakanu Bundestrainer Andre Brendel die Geschichte fort. „Er hat insgesamt schon eine super Entwicklung gemacht, die immer noch weiter geht. Inzwischen fährt er vollkommen sicher im Boot und kann sich voll auf das Techniktraining konzentrieren. Bis Tokio werden wir ihn auch weiterhin unterstützen.“

Zunächst lief es aber bei den nationalen Qualifikationen im April nicht optimal für Al Khalifa, da er nicht den Sprung ins deutsche Team schaffte. Auf Wunsch der Internationalen Kanu-Föderation (ICF) nahm das deutsche Parakanu Team ihn mit zum Weltcup nach Szeged. Dort verbesserte er seine Zeit und schaffte den internationalen Leistungsnachweis. Bei den Europameisterschaften gelang ihm eine weitere Verbesserung seiner Bestzeit um fünf Sekunden. 

Entsprechend sind die Hoffnungen bei Anas Al Khalifa für Tokio groß: „Ich möchte mit einer gesunden Schulter ins Rennen gehen. Ich weiß, dass ich dann noch schneller als bei den Europameisterschaften fahren kann. Vielleicht ist dann ja sogar eine Medaille drin.“


Von Oliver Strubel

 

Über das Refugee-Team der IPC:

Das Team repräsentiert die mehr als 82 Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen fliehen mussten, 12 Millionen davon leben mit einer Behinderung. Chef de Mission des Teams ist Ileana Rodriguez, ein Flüchtling aus Kuba, der bei den Paralympischen Spielen 2012 in London im Schwimmen für die USA antrat.

Andrew Parsons, IPC-Präsident, sagte: "Ich möchte die Menschen überall dazu aufrufen, das mutigste Sportteam der Welt zu unterstützen, das Refugee Paralympic Team. Diese Athleten sind ein Beispiel dafür, wie Veränderung mit Sport beginnt: Sie haben lebensverändernde Verletzungen erlitten, sind um ihre Sicherheit geflohen und haben gefährliche Reisen unternommen, aber trotz der vielen Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt wurden, sind sie zu Elitesportlern geworden, die bereit sind, bei den Paralympischen Spielen in Tokio 2020 anzutreten.

"Sport ist ein mächtiges Werkzeug, um Flüchtlinge mit Behinderungen in die Gesellschaft einzubinden, und die Ankündigung des Refugee Paralympic Teams ist ein ergreifender Moment für das IPC - wir erfüllen damit eine Verpflichtung, die wir beim UNHCR Global Refugee Forum 2019 eingegangen sind, um die gleichberechtigte Teilnahme von Flüchtlingen an Sportveranstaltungen zu fördern."#

Das IPC arbeitet mit dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, zusammen, um diesen bemerkenswerten Para-Athleten die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichte bei den Spielen zu erzählen und eine starke Botschaft der Hoffnung und Inspiration an andere Menschen auf der ganzen Welt zu senden, die zur Flucht gezwungen wurden. Während alle Flüchtlinge mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sind, sind diejenigen mit Behinderungen häufig einem erhöhten Risiko ausgesetzt und sehen sich zusätzlichen Barrieren beim Zugang zu Hilfe, Dienstleistungen und Möglichkeiten gegenüber. 

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