Von Friedhelm Wollner, Potsdam
Die Mosel heißt lateinisch Mosella, französisch Moselle, luxemburgisch Musel und moselfränkisch, dem regionalen Dialekt, Mussel (oder so ähnlich). Bei dieser Vielfalt und Internationalität sind wir schon bei Kuriosum am Anfang der Strecke und deshalb fangen wir damit an: Wo sonst kann man in fünf Minuten durch vier verschiedene staatliche Hoheitsgebiete paddeln?
Das geht so: Man fährt unterhalb der Schleuse Apach, dem letzten französischen Ort vor der Grenze zu Deutschland, los, erreicht nach ein paar Metern das Gebiet der saarländischen Gemeinde Perl, und fährt quer über den Fluss ins Großherzogtum Luxemburg, nach Schengen. Wo auf einem Schiff das bekannte Schengener Abkommen unterzeichnet wurde.
Und das vierte Hoheitsgebiet? Das ist die Mosel selbst, denn die ist weder deutsch noch luxemburgisch, sondern gemeinsames Hoheitsgebiet, ein Kondominium. Dieses wird, soweit es etwas zu verwalten gibt, von einer gemeinsamen deutsch-luxemburgischen Kommission verwaltet. Und das seit 1815, obwohl es damals noch gar keinen deutschen Nationalstaat gab und Luxemburg gerade von den österreichischen Niederlanden in den Deutschen Bund – aber in Personalunion mit den nicht mehr österreichischen Niederlanden – übergegangen war. Aber lassen wir das. Kompliziert und sehr lange her.
Zurück zum Fluss. Oberhalb von Apach, in Lothringen, ist das Moseltal von überschaubarer industrieller Schönheit und die Kühltürme des Kernkraftwerkes Cattenom mit seinen vier Blöcken sind auch aus größerer Entfernung überaus gut zu sehen.
Das spricht für ein Einsetzen in Perl oder Schengen, beides Weinorte, in denen traditionell auch viel Elbling angebaut wird. Hat nichts mit der Elbe zu tun, sondern ist die älteste in Europa angebaute Rebsorte und schmeckt trotzdem frisch.
Die folgende, halt oft übersehene Moselstrecke bis Trier, ca. 50 Kilometer lang, ist Hügelland, manchmal, an den Prallhängen auch ein bisschen steiler. Das Paddelvergnügen wird unterbrochen von drei Schleusen im Abstand von ca. 15 Kilometern, die letzte ist am Stadtrand von Trier.
Das Deutsche Fluss- und Zeltwanderbuch, 17. Auflage 1961 vermerkte noch: „Der DKV versucht, bei allen neuen Stauwerken und Schleusen geeignete Anlagen für Kleinboote zu erhalten, bei jeder Staustufe wird eine Bootsschleuse und eine Bootsschleppe gebaut“. Umtragen ist über Rampen ziemlich einfach möglich, Bootsgassen und Bootsschleusen gibt es - aber sie sind recht störanfällig und öfter außer Betrieb. Und so eine Reparatur durch eine Verwaltung, die kann dauern.
Die Strömung ist durch die Staustufen ziemlich gering. Ohne Anstrengung geht es nicht.
Die Strecke führt durch eine von Weinbergen geprägte Landschaft, ist sanft hügelig und kurvig, kleine Orte mit alten Häusern in Flussnähe, moderne Architektur wächst die Hänge hoch. Die Stadt Luxemburg ist nicht weit entfernt, wohlhabend als Finanzzentrum und durch europäische Institutionen und das strahlt aus. Es bleibt international, die Frachtschiffe – viele sind es nicht – führen meist die holländische Flagge, an den Baustellen an Schleusen und Brücken hört man polnisch. Am Ufer treffen wir in der Mittagshitze eine deutsche Apothekerin, sie trainiert für den nächsten Berlin-Marathon. Die Geschäfte haben eine lange Mittagspause, aber es gibt schöne und schattige Straußwirtschaften. Die Versorgung ist gesichert.
In Nittel auf der deutschen Seite gibt es einen interessanten Orchideenwanderweg, die Gegend liegt klimatisch günstig.
Bei Stromkilometer 206 – die Abfahrt Apach war bei km 242 – mündet links die Sauer, ein weiterer deutsch-luxemburgischer Grenzfluss, dessen Wasseroberfläche und die Luftsäule darüber, so ist es gesetzlich festgelegt, gemeinsam verwaltet wird. Die Mündung ist im luxemburgischen Wasserbillig, am deutschen Sauerufer liegt Wasserbilligerbrück, an der anderen Moselseite gegenüber Oberbillig. In Wasserbillig ist nicht das Wasser, sondern sind Benzin und Alkohol billig. Der Ort hat eine Kette von Tankstellen, der „Tanktourismus“ ist von Bedeutung und treibt in der Statistik den Alkoholverbrauch des kleinen Luxemburg auf europäische Spitzenwerte. Statistik halt, Scheinwahrheit.
Fünf Kilometer weiter – hier weitet sich schon das Tal ins Trierer Becken – mündet rechts die Saar. Auch sie ist seit einigen Jahrzehnten gestaut, bleibt vor allem im Unterlauf aber trotzdem lohnend.
Von Trier aus lässt sich mit der Bahn gut rangieren, zur Mosel und zur Saar, an der Sauer ist die alte Bahntrasse zum Fahrradweg geworden. Auch nicht schlecht.
KANU-SPORT 08/2016 |