12.07.2019 | Kanu (Allg.)

„Blinde Passagiere“ beim WSV Rheine zu Gast

Sehbehinderte und Blinde paddeln auf der Ems
Noch recht zaghaft erfolgte das Ablegen vom Steg, doch dann vertrauten die beiden Sehbehinderten ihren erfahrenen Partnern im Canadier.

Ungewohnte Mitfahrer hatte in dieser Woche ein Dutzend freiwilliger WSV-Tourenfahrer, die sich als Steuerleute und Navigator zur Verfügung stellten: Zu Gast beim Wassersportverein Rheine an der Ems war eine Gruppe von mehr als 20 Sehbehinderten und Blinden aus der näheren und weiteren Umgebung, um auf die Ems zu gehen. Bereits zum dritten Mal besuchten die Mitglieder der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfegruppe Rheine und Kreis Steinfurt, des Blinden- und Sehbehindertenvereins Münster sowie des Blindenwassersportvereins Münster an der Werse den Verein. Gerade letztgenannte beklagten den Mangel an Helfern, die mit ihnen als Steuermann ein Boot besteigen.

Umso mehr freuten sie sich, beim WSV jetzt Paddler zu haben, die den sehenden Part übernahmen. Für die Rheinenser Kanuten war es eine besondere Herausforderung, aber auch eine tolle Erfahrung, einen Partner im Boot zu haben, der seine Umwelt sehr genau über ein ausgeprägtes Gehör und übers Fühlen wahrnahm.
Eine Überraschung erlebte der zweite Wanderwart, Klaus Wiedkamp, als er die Gäste willkommen hieß und eine Dame ihn an der Stimme als den wiedererkannte, der sie bereits im vergangenen Jahr auf der Ems begleitete. Selbstverständlich bildeten sie auch dieses Mal wieder eine gemeinsame Besatzung.

So mussten die WSV-Kanuten den jeweiligen Partner an das Zweierboot oder den Gruppen-Canadier heranführen. „Durch Begreifen lernten sie dann das Boot kennen, und wir haben ihnen gezeigt, wo vorne und hinten ist,“, erläuterte Klaus Wiekamp das Prozedere vorm Start. Außerdem mussten sie das Paddel befühlen und das Einsteigen erst einmal an Land üben. Dann konnte es aber auch schon losgehen; das Boot wurde am Steg klargemacht, dann konnte der „blinde Passagier“ dazugeholt werden. Sobald das Team im Boot saß, war alles ganz einfach. „Paddeln ist toll, da stören keine Radfahrer und Fußgänger“, ließ eine Mitfahrerin ihrer Begeisterung freien Lauf.
Schon nach kurzer Zeit waren die Paddelschläge harmonisch, und die Orientierung über das Gehör vermittelte Naturerlebnisse der besonderen Art. „Ich höre, wie du das Paddel in das Wasser stichst“, bemerkte eine Mitfahrerin und konnte sich sofort in den Wechselschlag einfinden.

So ging es die Ems flussaufwärts bis zur ehemaligen Pumpstation an der B 481, wo sich alle Boote zu einem Paket zusammenlegten und die – wenn auch schwache – Strömung nutzten. Auf dem Rückweg ließen es sich einige Bootsbesatzungen nicht nehmen, spontan eine kleine Wettfahrt anzuzetteln, und es waren die blinden Mitfahrer, die ihre sehenden Partner antrieben. Auch wenn sie nichts sahen, spürten sie, ob sie vorne oder weiter zurück lagen.

Alle Gäste waren vom Paddelausflug hellauf begeistert und schwärmten beim anschließenden Grillen von der Fürsorge und den Erlebnissen auf der Ems. Lustig war es allemal, denn die WSVer tauschten Paddel mit Blindenstock der Gäste, diese wiederum zeigten ihnen, wie mit dem zerlegbaren Blindenstock eine Getränkeflasche geöffnet werden kann. So war es eine Selbstverständlichkeit, an den Wanderwart Laurenz Hille die Bitte heranzutragen, im kommenden Jahr wieder eine solch gelungene Aktion zu organisieren.


Zur Homepage des WSV Rheine

Einen tollen Nachmittag auf der Ems erlebten die Sehbehinderten und Blinden mit den sehenden WSV-Kanuten.
Die Zweierbesatzung aus sehbehindertem und sehendem Kanuten harmoniert.
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