26.03.2019 | DKV / Verbände

DOSB-Positionspapier zum Thema sexueller Missbrauch

Der DOSB und die dsj haben jetzt ein Positionspapier zu Prävention und Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Sport veröffentlicht.
DOSB News

Nachfolgend das Positionspapier im Wortlaut:

Grundsätze

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche Sportjugend (dsj) verurteilen aufs Schärfste jede Form von Gewalt und Missbrauch in unserer Gesellschaft, insbesondere aber jede sexualisierte Gewalt und jeden Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. Deshalb setzen wir uns ein für

  • die Aufklärung jedes einzelnen Falles
  • die Entfaltung einer Kultur des Hinsehens und der Hinwendung zu den Opfern
  • konkrete präventive Maßnahmen
  • die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen

Der organisierte Sport bietet vielfältige Orte der Begegnung und gemeinsame Aktivitäten in homogenen ebenso wie in generationenübergreifenden Altersgruppen. Emotionalität und Körperlichkeit von Spiel, Sport und Bewegung haben gerade für Kinder und Jugendliche eine hohe Bedeutung und  Attraktivität. Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass der Sport dadurch auch für potenzielle Täter interessant ist. Gleichzeitig bietet der Sport jedoch auch die Chance, als “Aufmerksamkeitssystem“ Missbrauchsfälle, die im Sport oder außerhalb des Sports geschehen, wahrzunehmen und Hilfe anzubieten.

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, präventiv gegen sexualisierte Gewalt und Missbrauch gerade auch an Kindern und Jugendlichen vorzugehen, sie zu erkennen und zu ahnden. Dies erfordert vernetztes Arbeiten und Zusammenwirken aller relevanter Behörden, Institutionen und Organisationen – einschließlich des Sports und seiner Verbände und Vereine.

Maßnahmen

I. Im Jahr 2007 schuf der DOSB das Projekt „Gewalt gegen Frauen – nicht bei uns“, das sich u.a. gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen richtet.  Dieses Projekt beinhaltet Maßnahmen der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung für Mädchen und Frauen. Es wird in konzeptioneller Zusammenarbeit von Kampfsportverbänden und Vereinen in Kooperation mit Fraueninitiativen umgesetzt.

Im Jahr 2008 hat der DOSB beschlossen, dieses Projekt auszubauen und mit weiteren Partnern zu vernetzen.

In dem Beschluss wird allen Mitgliedsorganisationen empfohlen, begleitende Veranstaltungen zur Gewaltprävention zu organisieren und Netzwerke mit Beratungs- und Hilfseinrichtungen vor Ort aufzubauen. Vorbild hierfür sollen die Maßnahmen des Landesportbundes Nordrhein-Westfalen zur Prävention und Intervention sein.

II. Darüber hinaus beschloss der dsj-Vorstand im November 2009 folgendes Fünf-Punkte-Programm, das vom  DOSB-Präsidium in vollem Umfang unterstützt wird:

Der organisierte Sport kann insbesondere zur Prävention einen wirkungsvollen Beitrag leisten, der sowohl Maßnahmen zur Vermeidung/Verhinderung von Delikten im Sport, als auch Stärkung von Kindern sowie Jugendlichen und insbesondere jungen Frauen in ihrer Selbstbehauptungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung durch Sport umfasst. Mit dem Fünf-Punkte-Programm soll gezielt sexualisierte Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im und durch Sport verhindert werden.

  1. Jeder Fall von Missbrauch ist einer zuviel. Wir werden dazu beitragen, dass jeder Fall einer Klärung zugeführt wird.
  2. Unsere Mitgliedsorganisationen und die Vereine werden aufgefordert, in ihren Gremien Maßnahmen zu beschließen, die sexualisierter Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen vorbeugen.
  3. DOSB/dsj erstellen auf der Grundlage bereits vorhandener Projekte bzw. Erfahrungen der Mitgliedsorganisationen ein modulares Maßnahmenpaket für die Entwicklung und Umsetzung eigener Aktionspläne gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt an Kindern und Jugendlichen im organisiertenSport.
  4. Wir klären, wie vorliegende Informationen über verurteilte Personen für die Sportorganisationen zur Verfügung gestellt werden können. Es soll sichergestellt werden, dass die von der Konferenz der Innenminister geplante deliktbezogene Straftäterdatei vom organisierten Sport genutzt werden kann.
  5. DOSB/dsj sichern den kontinuierlichen Austausch mit und zwischen den Mitgliedsorganisationen in diesem Aufgabenfeld.

III. Für die Umsetzung des Programms gelten folgende Eckpunkte:

  1. Fälle von Missbrauch im Sport müssen aufgedeckt werden – und zwar mit disziplinarischen Konsequenzen und einer strafrechtlichen Verfolgung der Täter bei größtmöglichem Schutz für die Opfer. Dafür ist die frühzeitige Einbindung von kompetenten Beratungseinrichtungen unerlässlich.
  2. Kinder und Jugendliche werden durch Bewegung, Spiel und Sport gezielt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt. DOSB/dsj stehen dafür ein, dass Kinder „stark“ gemacht werden, um u. a. auch selbstbewusst Grenzen zu setzen, sich wehren zu können und ermutigt werden, sich gegenüber Vertrauenspersonen zu offenbaren.
  3. In den Curricula der Ausbildungen nach den Rahmenrichtlinien des DOSB ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Kindern und Jugendlichen bereits fester Bestandteil. In den qualifizierten Ausbildungen von Jugendleiter/-innen, Übungsleiter/-           innen und Trainer/-innen wird auch das Thema „Prävention von sexueller Gewalt“ bearbeitet. Hier müssen wir den Grad der Verbindlichkeit erhöhen und die Qualitätsentwicklung der Module systematisieren. Innerhalb der Jugendleiter-Ausbildung werden angehende Jugendleiter/-innen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen befähigt.
  4. Wir fordern die Mitgliedsorganisationen auf, eine zuständige Person zu benennen, Standards für die jeweilige Kinder- und Jugendarbeit der Organisation zu erarbeiten und die Angebote unter der Perspektive der Persönlichkeits- und Teamentwicklung von Kindern und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Die von verschiedenen Institutionen und Politikern geforderte Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse kann Teil des Maßnahmenpakets sein und potenziellen Tätern signalisieren, dass es bei sexuellen Übergriffen keine Nachsicht gibt. Es bietet aber keine letzte Sicherheit. Eine andere Möglichkeit, sexuellem Missbrauch im Sportverein vorzubeugen, ist die Einführung einer Selbstverpflichtung zur Prävention vor sexueller Gewalt für die Mitarbeiter/-innen in der Kinder- und Jugendarbeit. Auch die Durchführung von Training oder Gruppenstunden mit mindestens zwei Übungsleiter/-innen bietet Schutz für Kinder.
  5. DOSB/dsj erarbeiten derzeit ein Konzept, das u.a. ein Qualifizierungsmodul für Funktionsträger/-innen im Hinblick auf strukturelle Maßnahmen zur Verhinderung von sexuellem Missbrauch und Gewalt umfasst sowie Musterformulierungen für Satzungen/Ordnungen beinhaltet.

IV. Der DOSB hat bereits und wird weiterhin Missbrauchstatbestände auch bei der Nominierung von Mitgliedern der DOSB-Olympiamannschaften berücksichtigen und dabei ggf. zum Schutz von Kindern und Jugendlichen auch über die strafrechtlichen Grenzen von Verjährung, Bewährung und Verurteilung hinausgehen.

Frankfurt am Main, 25. März 2010

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