18.01.2022 | DKV / Verbände

Das Ende des Amateurparagraphen und die Professionalisierung der olympischen Disziplinen

Ein Kommentar von Thorsten Funk
Wintertraining - Foto von Thomas Lohnes

Im Sport wird unter einem Amateur gemeinhin ein Athlet verstanden, der im Gegensatz zum Profisportler durch die Ausübung seiner Sportart seinen Lebensunterhalt nicht vorrangig bestreitet.  Noch bis 1981 waren Olympische Spiele genau solchen Amateuren vorbehalten und den Athleten drohte sogar der Ausschluss, wenn sie gegen den Amateurparagraphen verstießen. Bekanntes Beispiel ist der Ausschluss des Skifahrers Karl Schranz von den Olympischen Spielen 1972. „Professionelles Training“ wurde zu dieser Zeit noch als Betrug angesehen [1]. 

Mit der Erfindung der Staatsamateure bzw. Behördensportler wurde der Amateurparagraph nach und nach unterminiert. Bereits im Mai 1968 hatte die Bundesregierung der BRD das Bundesministerium der Verteidigung aufgefordert, Sportfördergruppen zur Förderung von Spitzensportlern aufzustellen. Dies geschah nicht zuletzt, um bei den eigenen Spielen in München den bereits etablierten Staatsamateuren des Ostblocks zu begegnen.[2] 

In den folgenden Jahren gab das IOC die Amateurklausel schrittweise auf, was zu einer zunehmenden staatlich geförderten Professionalisierung als Ausdruck des politischen Willens zur System- und Nationalrepräsentation führte [3]. Der Berufssportler im olympischen Sport wurde ab diesem Zeitpunkt zur Regel. 


Leistung und Lebensentscheidung 

Die zunehmende Professionalisierung hat einschneidende Auswirkungen auf den Amateurbereich im olympischen Kanu-Sport. Diejenigen, die sich neben Beruf und Ausbildung in die Spitze manövrieren (und auch dort bleiben wollen), müssen sich enormen Belastungen aussetzen und einen gewaltigen Spagat zwischen Beruf, Familie und Sport machen: Täglich sind zwei bis drei Trainingseinheiten zu absolvieren. Bei den Kanu-Slalom-SportlerInnen schlägt zusätzlich der Erwerb der wichtigen Wildwassererfahrung und Streckenkenntnis zu Buche. Dafür müssen die Slalomkanuten in zahlreiche, mehrwöchige Trainingslager investieren und weltweite Reisetätigkeiten in Kauf nehmen. Hinzu kommen die Wettkämpfe selbst. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist der gesamte Jahresurlaub einzusetzen und darüber hinaus wird Sonderurlaub benötigt. Den Verdienstausfall kompensiert bei Spitzenfahrern zwar die Deutschen Sporthilfe, ersetzt aber nicht vollständig etwaige Karrierelücken oder jene Zeit, die eigentlich für die Erholung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gedacht ist und schon gar nicht die Belastung der Familie. „Das Wettkampfsystem ist auf  Vollzeitathleten ausgerichtet, das macht es schwierig, eine  Saison nebenberuflich zu bestreiten“, erklärt Ex-Cheftrainer Michael Trummer. Insbesondere seien internationale Wettkampfserien mit mehreren Wochen Reisetätigkeit verbunden. Das mache die Gefahr groß, Athlet, Familie und Arbeitgeber zu überfordern. Ein Aspekt, der hinsichtlich von Rollenkonflikten oder eines möglichen Burnouts eine nicht unerhebliche Rolle spielen kann.


„Echter“ Amateursport ist kaum noch machbar

Sport als Amateur im Profibereich zu betreiben, ist nur selten einträglich. Die Zuwendungen decken oft nur anteilig die Kosten für den beruflichen Ausfall und den besonderen Aufwand für Training und Wettkämpfe ab. Die gewaltigen Belastungen, zum Beispiel der nahezu vollständige Verzicht auf Urlaub und Freizeit, die Einschränkungen für die Familie oder die Belastungen für den Arbeitgeber, finden zumeist keinen Ausgleich. Echter Amateursport ist in den olympischen Programmdisziplinen kaum noch machbar. Es muss sich daher grundsätzlich auf den Profisport ausgerichtet werden. Das verlangt dann passgenaue professionelle Strukturen, wie sie in den Sportfördergruppen gegeben sind; aber genauso müssen auch professionelle und sozialverträgliche Strukturen für das Leben nach dem Sport installiert sein. Hier ist in erster Linie die Politik gefordert, die den Auftrag zur Nationalrepräsentation mit entsprechenden perspektivischen Sicherheiten für die Sportler hinterlegen muss. An dieser Stelle dürfen unsere Sportler und der Spitzenverband nicht alleine gelassen werden, denn genau diese Sicherheiten tragen letztlich dazu bei, sich für eine Karriere im Sport zu entscheiden.
 

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Fußnoten:
[1] Volker Kluge, Olympische Winterspiele, Die Chronik. S. 119,  Sportverlag (1999)

[2] Beschluss des Deutschen Bundestages zur Förderung von Spitzensportlern bei der Bundeswehr durch Einrichtung von Sportfördergruppen (Mai 1968). 

[3] Änderung der Olympischen Charta mit der Abschaffung des Amateurparagraphen durch die Beschlüsse von Baden-Baden und Lausanne (1981).
 

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