06.08.2021 | Thomas Konietzko Blog

Das war es für mich

#tokoblog (15): Das ist heute mein letzter Blog, da es morgen für mich nach den Finals zurück nach Deutschland geht. Unvollständig, weil ich die Ergebnisse des letzten Finaltages nicht in meine Bilanz einbeziehen kann.
Tokyo 2020

Ich hoffe, dass die Ergebnisse am letzten Tag die Gesamtbilanz noch verbessern und sich manche folgende kritische Anmerkung relativieren.

Die Spiele in Tokio waren unvergessliche Spiele. Gerade weil man nur wenige Möglichkeiten hatte, Besonderes außerhalb der Wettkämpfe zu erleben, bleiben diese kleinen Erlebnisse in Erinnerung. Die Spiele waren ein Wagnis, keiner weiß, wie die Corona-Zahlen sich in Japan ohne Spiele entwickelt hätten. Das Corona-Konzept funktionierte und die Sportler konnten ihren Traum leben und hier um die Medaillen kämpfen. 

Die Kosten für die Durchführung waren natürlich höher. Da sich das IOC an den gestiegenen Kosten bedingt durch die Verschiebung der Spiele beteiligt, wird weniger Geld an die nationalen olympischen Komitees und die internationalen Verbände fließen; wahrscheinlich aber doch so viel, dass die Sportstrukturen bis Paris 24 überleben können.

Das Interesse zu Hause war riesig. Es sind meine dritten Spiele, und noch nie habe ich so viel Feedback zu unserem Abschneiden und zu Olympia im Allgemeinen bekommen. Die Einschaltquoten waren offensichtlich in Deutschland nicht schlecht, global in Amerika und Asien herausragend, und geradezu durch die Decke ging der sogenannte „Traffic“ in den sozialen Medien.

Zusammengefasst, Olympische Spiele sind nach wie vor populär und eine der wenigen Gelegenheiten, hinter denen sich eine Mehrheit in der Menschheit versammelt. Klar gibt es Kritik an der Idee der Olympischen Spiele, die man auch ernst nehmen muss. Allerdings darf man sich nicht von der Lautstärke der Kritik beeindrucken lassen, solange Milliarden Menschen auf unserem Planeten die Spiele verfolgen. Die Idee der Olympischen Spiele lebt, das kann man nach diesen komplizierten Spielen mit Fug und Recht sagen.

Japan war ein super Gastgeber. Die Organisation passte bis in das letzte Detail. Wir hatten mit vielen Freiwilligen Kontakt. Studenten, Lehrern, Rechtsanwälten, die ihre Freizeit und ihren Urlaub opferten, um Teil dieser Spiele zu sein. Wir haben uns immer willkommen gefühlt. 


Jetzt ein vorläufiges Fazit unseres Abschneidens

Herausragend oder sensationell sind Worte, die nur unzureichend unser Abschneiden im Slalom beschreiben. Wir alle wissen, wie es ausgegangen ist, deshalb hier keine weitere Aufzählung unserer Bilanz. 

Warum waren wir so erfolgreich?

Klar gehört Glück zum Slalom dazu. Aber alleine Glück führt nicht zu vier Medaillen in vier Disziplinen. Ich durfte das Team ja mehrmals begleiten und hatte schon zeitig in dieser Saison das Gefühl, dass es hier etwas werden konnte, auch wenn keiner auch nur im Entferntesten mit diesem Abschneiden gerechnet hat.

Es war diese spezielle Stimmung im Team, sich immer zu hinterfragen, sich nach jeder Trainingseinheit kritisch mit dem Erreichten auseinanderzusetzen und sich zu keiner Zeit zu sicher zu sein, dass man etwas erreichen kann.

Es war immer eine positive Spannung im Team, die aber alle motivierte und nicht bremste. 

Gut gemacht, Kanu-Slalom Team Deutschland!


Im Moment fällt eine vorläufige Einschätzung zum Abschneiden des Kanu-Rennsport-Teams noch schwer, da noch vier Wettbewerbe mit Medaillenchancen anstehen. Ja, ich muss zugeben, dass eine gewisse Enttäuschung über unser bisheriges Abschneiden schon bei mir, aber auch bei den Sportlern und Trainern zu erkennen ist. Respekt vor den Medaillengewinnern im C2 und K2. Das war eine super Leistung und man muss anerkennen, dass die anderen Medaillengewinner besser waren.

Sorge macht mir das Abschneiden der Damen in beiden Disziplinen. Wir müssen nüchtern feststellen, dass wir im individuellen Leistungsvermögen den Kontakt zur Weltspitze verloren haben. Das zeichnete sich schon seit einiger Zeit ab, gerade bei den Damen im Kajak. Hier haben wir ein echtes Nachwuchsproblem. 

  

Im Kajak der Herren werden wir uns in den nächsten Jahren nicht verstecken müssen. Hier mussten so viele junge und talentierte Sportler zu Hause bleiben, dass ich mir um diese Disziplingruppe keine Sorgen mache.

 

Im Canadier der Herren hat sich bereits in dieser Saison die junge Generation durchgesetzt. Mit Conrad Scheibner als bestem Einer-Fahrer und Tim Hecker haben sich zwei Sportler in die Weltspitze gefahren, die sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt haben. Auch Sebastian hat noch mindestens eine Olympiade vor sich. Unsere Canadierfahrer werden auch in der Zukunft die Weltspitze im Canadier mitbestimmen.

Klar waren wir, ohne die Ergebnisse des letzten Tages zu kennen, schon mal besser als DKV. Allerdings zählen wir immer die Medaillen zusammen. In Rio gab es sieben Stück im Slalom und Rennsport. Jetzt haben wir schon sechs! Also kein Grund, alles in Zweifel zu ziehe,n auch wenn wir mit weniger Goldmedaillen als erwartet nach Hause kommen.

Trotzdem noch eine Anmerkung auch zu kritischen Kommentaren oder Emails. Natürlich ist ein vierter Platz aller Ehren wert, und wenn meine Formulierung so aufgefasst wurde, dass ich mir mehr erhofft habe und den vierten Platz nicht genug schätze, dann war das genau richtig. 

Wir kennen das Potential unserer Sportler, und wir sind seit nunmehr 30 Jahren eine der erfolgreichsten Sportarten in Deutschland. Diesen Anspruch werden und sollten wir nicht aufgeben. Sonst landen wir schnell da, wo andere ehedem erfolgreiche olympischen Sportarten heute sind. Deshalb werde ich klar und deutlich ansprechen, wenn wir unsere eigene Erwartungshaltung und unsere Ansprüche nicht erfüllt haben, und werde nicht "drum herum" reden. Das ist aber alles andere als Kritik, sondern soll der ehrlichen Auseinandersetzung mit unseren Leistungen und unserem Anspruch als DKV dienen.

Aber seid versichert, wir bleiben als DKV auch zukünftig erfolgreich.

 

Das war jetzt mein letzter Blog von diesen Spielen. Diesmal mit der heißen Nadel zusammengestrickt, weil die Zahl der täglichen Meetings hier zunimmt.

Es war mir auch bei diesen Spielen eine Freude mitzuhelfen, unsere Fans zu Hause mit Informationen zu versorgen.

Es wird auch keinen Blog von mir aus Paris 24 geben, einfach weil ich in diesem Herbst mein Amt als Präsident nach elf Jahren aufgebe. Zu einem Zeitpunkt, wo viele vielleicht noch schade sagen und nicht denken: "Gott sei Dank geht er jetzt." 

Es war mir eine Freude und eine Ehre, für diesen Verband arbeiten zu dürfen.

Bitte bleibt alle unserem schönen Kanusport treu.

Euer Thomas
 

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