23.03.2018 | Kanu (Allg.)

Entlang der US-Pazifikküste - Freya’s „first stupid day!“

Am zweiten Paddeltag (#153) dieses Jahres rund Nord-Amerika legte sie 25 km zurück, am dritten 30 km und am vierten nochmals 30 km. Lediglich am ersten Paddeltag kam sie nur auf 3 km; denn er endete schon nach 45 Minuten.
Was war los? Nun, der erste Fahrtentag im 2. Jahr rund Nord-Amerika wurde am Cape Kiwanda nahe Pacific City (Portland/Oregon/USA ) gestartet:

Cape Kiwanda:
https://www.google.com/maps/@45.2148624,-123.9821257,1564m/data=!3m1!1e3

und zwar genau dort, wo Freya am 27.08.17 ihre 1. Jahresetappe beendet hatte.

Dieses Mal sollte gleich vom ersten Tag an ein „Gastpaddler“ Freya begleiten, und zwar so wie es schon im letzten Jahr 5 andere Leute taten, Leute, die so viel Küstenerfahrungen besaßen, dass sie zumindest unter „Aufsicht“ Freya begleiten konnten, ohne dass sich dadurch das Gefahrenpotenzial von Freyas Rundtour wesentlich erhöhte.

Dieses Mal handelte sich um den US-amerikanischen Seakayaker namens José, über dessen Qualifikationen Freya sich nicht äußerte. Klar ist nur, dass José im gleichen Seekajak-Modell paddeln sollte wie Freya, nämlich im Model „Freya“ (560x58 cm; ca. 400 Liter Volumen) von POINT 65°N, welches José von Freya zur Verfügung gestellt bekam. Und klar ist auch, dass José vorher nicht mit diesem Seekajak zur Probe gefahren ist.

Last out!

Am Starttag herrschten Brandungsbedingungen, die nach eingehender Besichtigung & Besprechung von beiden als fahrbar eingestuft wurden. Getreu einer alten „Brandungsfahrerdevise“ startet der erfahrenste Kanute  a l s  l e t z t e r , sodass er die Möglichkeit hat, den weniger erfahrenen Kanuten eine Anschubhilfe durch die Brandung zu geben. Gesagt, getan. Zuvor wurde jedoch verabredet, wohin José paddeln sollte, nämlich in den Wellenschutz der nur ca. 1 km entfernt liegenden Felsinsel „Haystack Rock“ („Chief Kiwanda Rock“).

Mit genügend Schwung vom Start weg gelang es José, die anrollenden Brecher zu durchfahren und die weiteren Kaventsmänner zu umfahren. Jedoch hielt er sich nicht an die Vereinbarung, weiter links zu paddeln, um in den Wellenschutz zu kommen, stattdessen driftete er nach rechts ab, geriet dadurch in höhere Brecher und kenterte. Ihm gelang jedoch der „Cowboy“-Wiedereinstieg:

www.youtube.com/watch?v=BZQJGG405AE

was immerhin zeigt, dass José nun doch nicht ganz so unerfahren war.

Freya bemerkte noch von Land aus diese Kenterung und startete sofort, um ihm zu Hilfe zu eilen. Nach bangen 10 Minuten Ausschau halten entdeckte sie ihn schließlich inmitten der rauen See und erreicht ihn kurz darauf. José berichtete, dass er Probleme mit der Steueranlage hatte, sodass er nicht in der Lage war, den verabredeten Kurs einzuschlagen. Da er nach der Kenterung seine Sitzluke noch nicht gelenzt hatte, suchten beide einen geschützteren Bereich hinter der Felsinsel auf, bildeten ein Päckchen und lenzten. Obwohl José sich „all right“ fühlte, entschied Freya, umzukehren und die Tour für diesen ersten Tag zu beenden, zumal für den nächsten Tag weniger Seegang vorhergesagt wurde.

First in!

Während José draußen vor der Brandungszone in der Nähe einer roten Tonne warten sollte, plante Freya als die erfahrenere von beiden  a l s  e r s t e  durch die verhältnismäßig harmlosen Brecher zu paddeln, anzulanden und dann ihren Gast heranzuwinken, sodass sie ihm kurz vorm Anlanden noch so viel Hilfestellung leisten konnte, dass sein Seekajak nicht querschlägt, kentert und dann samt Paddler im Cockpit an den Strand rollt.

Anschließend folgte José … anfangs wie geplant, doch dann kenterte er erneut außerhalb der Reichweite von Freya. Zunächst blieb José noch bei seinem Seekajak. Als er jedoch bemerkte, dass er von der Strömung hinausgetrieben wurde, ließ er es los und schwamm erfolgreich durch die Brandung ans nahe Ufer.

Nun galt Freyas ganze Aufmerksamkeit dem Seekajak. Sie schwamm, bekleidet mit einem Trockenanzug, hinterher, erreichte es, richtete es auf, befestigte ihre Schleppleine am Bug und versuchte, das Seekajak im Schlepp, ebenfalls ans nahe Ufer zu schwimmen.

Exkurs – Zur Gefährlichkeit des Schleppens in der Brandung:
Warum Freya nicht stattdessen in ihr eigenes Seekajak stieg, durch die Brandung raus zum „Kenterkajak“ paddelte, um es dann wieder zurück an den Strand zu schleppen, können wir Freyas Bericht nicht entnehmen! Wahrscheinlich war es ihr sehr wohl bewusst, dass das Anlanden durch die Brandung in einem Seekajak schon schwierig genug ist, geschweige denn, dass versucht wird, mit einem Seekajak bzw. „Kenterkajak“ im Schlepp durch die Brandung anzulanden; denn es ist nicht auszuschließen, dass das geschleppte Kajak von einem anrollenden Brecher mitgerissen und auf den „Schlepper“ (also Freya) geschmissen wird. Körperverletzungen sind dann nicht mehr auszuschließen. Unter Umständen könnte sich sogar der Schlepper so unglücklich in der Schleppleine verheddern, dass er erdrosselt wird!?

Das „Kenterkajak“ nun schwimmend an Land zu schleppen, war leichter gedacht als getan; denn es bestand die Gefahr, dass die Strömung Freya samt „Kenterkajak“ auf gefährliche Felshindernisse trieb. Also holte sie das auf dem Achterdeck des „Kenterkajaks“ verstaute Grönlandpaddel hervor, steckte es zusammen und versuchte mit Hilfe dieses Paddels ihre Schwimmbewegungen zu verstärken. Warum Freya, die bis zu 30 verschiedene Grönlandrollen beherrscht, nicht stattdessen ins Seekajak einstieg und dann mit dem Grönlandpaddel aus der Gefahrenzone paddelte, können wir ihrem Bericht nicht entnehmen! Vielleicht war der Seegang zu rau, bzw. sie befand sich schon in der Brandungszone, welche das Lenzen bzw. Paddeln in einem teils gefluteten Seekajak fast unmöglich macht, bzw. in der Hektik der Rettungsaktion hatte sie sich dazu entschieden, schwimmend das „Kenterkajak“ durch die Brandung an Land zu schleppen … was sie ja – um das hier vorwegzunehmen – auch erfolgreich zu Ende führte.

Dann tauchte auch schon ein Rettungshubschrauber auf. Freya aber wollte nicht in dieser Brandungszone das Seekajak zurücklassen. Sie fühlte sich fit und war sich sicher, zwischen den Felsen hindurch den nahen Strand zu erreichen. Sie signalisierte das auch der Hubschrauberbesatzung und schwamm weiter, nur manchmal unterbrochen von „Tauchgängen“, wenn es galt, einem Brecher zu entfliehen, der drohte, das Seekajak mitzureißen und auf sie zu schmeißen. Nach 40 Minuten war der Spuk vorbei. Freya spürt Boden unter ihren Füßen und winkte José zu sich, um das vollgelaufene Seekajak an Land zu ziehen, derweilen der Hubschrauber über ihnen schwebte und die Situation beobachtete.

Ende gut, alles gut!?

„My first stupid day!“ Freya erkannte, dass ihr in Sachen Gruppenpaddeln doch die nötigen Erfahrungen fehlen, um kritische Unfallsituation in einer Gruppe zu meistern. Manchmal ist halt eine „Solo-Tour“ weniger riskant und leichter beherrschbar als eine Gruppenfahrt!?

Sie einigte sich mit José, die Tour ohne ihn fortzusetzen und überlegt sich nun, den drei weiter im Süden auf sie wartenden Gäste die Teilnahme abzusagen. Zumindest täte sie gut daran, in Zukunft an die Begleitung ein paar Bedingungen zu stellen. Mir fallen dazu u.a. die folgenden Punkte ein:

•    eigenes, Rau-Wasser- und zugleich tourentaugliches Seekajak; denn entlang der ungeschützten Pazifikküste sollte schon in einem Seekajak gepaddelt werden, das einem völlig vertraut ist!
•    langjährige Tourenerfahrungen, d.h. ca. 10.000 Gesamtpaddelkilometer sollten schon auf dem Tacho sein und davon über 1.000 km im letzten Jahr!
•    Brandungserfahrungen; denn beim Streckepaddeln etwas abseits von der Küste, lassen sich wohl mit etwas Um- & Weitsicht potenzielle Grundseen umpaddeln, spätestens aber beim Starten bzw. Anlanden ist der Kontakt zu solchen Brechern nicht gänzlich zu umgehen!
•    Bomb-proof Roll!

Natürlich sollte die Begleitung auch die Bereitschaft erklären:

•    Notfalls früh morgens im Dunklen zu starten bzw. die Nacht durchzupaddeln,

sowie bestätigen,

•    dass sie in der Lage ist, längere Zeit ohne Pause
•    ihr mit ca. 50 kg beladenes Seekajak mit 5-6 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zu paddeln, nicht langsamer, aber auch nicht schneller.

Solche Zusicherungen werden jedoch von jenen, die Freya unbedingt begleiten wollen, schnell gemacht. Ihr Wahrheitsgehalt ist daher erst unterwegs überprüfbar, quasi dann, wenn es zur Sache geht, also wenn schon „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist.

Aber das gilt auch für die „Fahrtenleitung“: Freya hat wohl nach tausenden von Kilometern Solo-Paddeln Gefallen daran gefunden, in Begleitung mit wenigstens einem Seakayaker zu paddeln. Das kann natürlich bei Freya dazu führen, dass sie allzu schnell den Beteuerungen eines „Gastpaddlers“, 100% seetüchtig zu sein, Glauben schenkt. Insofern ist es nicht überraschend, dass Freya 11 Tage nach ihrem ersten „Seenotfall“, also an ihrem Fahrtentag # 163, wieder einen „Gast“ fast „unbesehen“ mitnahm und ihn wieder mit ihrem zweiten Seekajak paddeln ließ. Zum Glück ergab es sich jedoch, dass für die nächsten Tage die prognostizierten Wetter- & Gewässerbedingungen ein Streckepaddeln nicht zuließen. Freya nutzte diese Chance und setzte am Fahrtentag # 165 für ihren „Gast“ Brandungsübungen an.

Text: Udo Beier
 
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