Was war los? Nun, der erste Fahrtentag im 2. Jahr rund
Nord-Amerika wurde am Cape Kiwanda nahe Pacific City
(Portland/Oregon/USA ) gestartet:
Cape Kiwanda:
https://www.google.com/maps/@45.2148624,-123.9821257,1564m/data=!3m1!1e3
und zwar genau dort, wo Freya am 27.08.17 ihre 1. Jahresetappe
beendet hatte.
Dieses Mal sollte gleich vom ersten Tag an ein „Gastpaddler“
Freya begleiten, und zwar so wie es schon im letzten Jahr 5
andere Leute taten, Leute, die so viel Küstenerfahrungen
besaßen, dass sie zumindest unter „Aufsicht“ Freya begleiten
konnten, ohne dass sich dadurch das Gefahrenpotenzial von
Freyas Rundtour wesentlich erhöhte.
Dieses Mal handelte sich um den US-amerikanischen Seakayaker
namens José, über dessen Qualifikationen Freya sich nicht
äußerte. Klar ist nur, dass José im gleichen Seekajak-Modell
paddeln sollte wie Freya, nämlich im Model „Freya“ (560x58 cm;
ca. 400 Liter Volumen) von POINT 65°N, welches José von Freya
zur Verfügung gestellt bekam. Und klar ist auch, dass José
vorher nicht mit diesem Seekajak zur Probe gefahren ist.
Last out!
Am Starttag herrschten Brandungsbedingungen, die nach
eingehender Besichtigung & Besprechung von beiden als
fahrbar eingestuft wurden. Getreu einer alten
„Brandungsfahrerdevise“ startet der erfahrenste Kanute a
l s l e t z t e r , sodass er die Möglichkeit hat, den
weniger erfahrenen Kanuten eine Anschubhilfe durch die Brandung
zu geben. Gesagt, getan. Zuvor wurde jedoch verabredet, wohin
José paddeln sollte, nämlich in den Wellenschutz der nur ca. 1
km entfernt liegenden Felsinsel „Haystack Rock“ („Chief Kiwanda
Rock“).
Mit genügend Schwung vom Start weg gelang es José, die
anrollenden Brecher zu durchfahren und die weiteren
Kaventsmänner zu umfahren. Jedoch hielt er sich nicht an die
Vereinbarung, weiter links zu paddeln, um in den Wellenschutz
zu kommen, stattdessen driftete er nach rechts ab, geriet
dadurch in höhere Brecher und kenterte. Ihm gelang jedoch der
„Cowboy“-Wiedereinstieg:
www.youtube.com/watch?v=BZQJGG405AE
was immerhin zeigt, dass José nun doch nicht ganz so
unerfahren war.
Freya bemerkte noch von Land aus diese Kenterung und startete
sofort, um ihm zu Hilfe zu eilen. Nach bangen 10 Minuten
Ausschau halten entdeckte sie ihn schließlich inmitten der
rauen See und erreicht ihn kurz darauf. José berichtete, dass
er Probleme mit der Steueranlage hatte, sodass er nicht in der
Lage war, den verabredeten Kurs einzuschlagen. Da er nach der
Kenterung seine Sitzluke noch nicht gelenzt hatte, suchten
beide einen geschützteren Bereich hinter der Felsinsel auf,
bildeten ein Päckchen und lenzten. Obwohl José sich „all right“
fühlte, entschied Freya, umzukehren und die Tour für diesen
ersten Tag zu beenden, zumal für den nächsten Tag weniger
Seegang vorhergesagt wurde.
First in!
Während José draußen vor der Brandungszone in der Nähe einer
roten Tonne warten sollte, plante Freya als die erfahrenere von
beiden a l s e r s t e durch die
verhältnismäßig harmlosen Brecher zu paddeln, anzulanden und
dann ihren Gast heranzuwinken, sodass sie ihm kurz vorm
Anlanden noch so viel Hilfestellung leisten konnte, dass sein
Seekajak nicht querschlägt, kentert und dann samt Paddler im
Cockpit an den Strand rollt.
Anschließend folgte José … anfangs wie geplant, doch dann
kenterte er erneut außerhalb der Reichweite von Freya. Zunächst
blieb José noch bei seinem Seekajak. Als er jedoch bemerkte,
dass er von der Strömung hinausgetrieben wurde, ließ er es los
und schwamm erfolgreich durch die Brandung ans nahe Ufer.
Nun galt Freyas ganze Aufmerksamkeit dem Seekajak. Sie
schwamm, bekleidet mit einem Trockenanzug, hinterher, erreichte
es, richtete es auf, befestigte ihre Schleppleine am Bug und
versuchte, das Seekajak im Schlepp, ebenfalls ans nahe Ufer zu
schwimmen.
Exkurs – Zur Gefährlichkeit des Schleppens in der
Brandung:
Warum Freya nicht stattdessen in ihr eigenes Seekajak stieg,
durch die Brandung raus zum „Kenterkajak“ paddelte, um es dann
wieder zurück an den Strand zu schleppen, können wir Freyas
Bericht nicht entnehmen! Wahrscheinlich war es ihr sehr wohl
bewusst, dass das Anlanden durch die Brandung in einem Seekajak
schon schwierig genug ist, geschweige denn, dass versucht wird,
mit einem Seekajak bzw. „Kenterkajak“ im Schlepp durch die
Brandung anzulanden; denn es ist nicht auszuschließen, dass das
geschleppte Kajak von einem anrollenden Brecher mitgerissen und
auf den „Schlepper“ (also Freya) geschmissen wird.
Körperverletzungen sind dann nicht mehr auszuschließen. Unter
Umständen könnte sich sogar der Schlepper so unglücklich in der
Schleppleine verheddern, dass er erdrosselt wird!?
Das „Kenterkajak“ nun schwimmend an Land zu schleppen, war
leichter gedacht als getan; denn es bestand die Gefahr, dass
die Strömung Freya samt „Kenterkajak“ auf gefährliche
Felshindernisse trieb. Also holte sie das auf dem Achterdeck
des „Kenterkajaks“ verstaute Grönlandpaddel hervor, steckte es
zusammen und versuchte mit Hilfe dieses Paddels ihre
Schwimmbewegungen zu verstärken. Warum Freya, die bis zu 30
verschiedene Grönlandrollen beherrscht, nicht stattdessen ins
Seekajak einstieg und dann mit dem Grönlandpaddel aus der
Gefahrenzone paddelte, können wir ihrem Bericht nicht
entnehmen! Vielleicht war der Seegang zu rau, bzw. sie befand
sich schon in der Brandungszone, welche das Lenzen bzw. Paddeln
in einem teils gefluteten Seekajak fast unmöglich macht, bzw.
in der Hektik der Rettungsaktion hatte sie sich dazu
entschieden, schwimmend das „Kenterkajak“ durch die Brandung an
Land zu schleppen … was sie ja – um das hier vorwegzunehmen –
auch erfolgreich zu Ende führte.
Dann tauchte auch schon ein Rettungshubschrauber auf. Freya
aber wollte nicht in dieser Brandungszone das Seekajak
zurücklassen. Sie fühlte sich fit und war sich sicher, zwischen
den Felsen hindurch den nahen Strand zu erreichen. Sie
signalisierte das auch der Hubschrauberbesatzung und schwamm
weiter, nur manchmal unterbrochen von „Tauchgängen“, wenn es
galt, einem Brecher zu entfliehen, der drohte, das Seekajak
mitzureißen und auf sie zu schmeißen. Nach 40 Minuten war der
Spuk vorbei. Freya spürt Boden unter ihren Füßen und winkte
José zu sich, um das vollgelaufene Seekajak an Land zu ziehen,
derweilen der Hubschrauber über ihnen schwebte und die
Situation beobachtete.
Ende gut, alles gut!?
„My first stupid day!“ Freya erkannte, dass ihr in Sachen
Gruppenpaddeln doch die nötigen Erfahrungen fehlen, um
kritische Unfallsituation in einer Gruppe zu meistern. Manchmal
ist halt eine „Solo-Tour“ weniger riskant und leichter
beherrschbar als eine Gruppenfahrt!?
Sie einigte sich mit José, die Tour ohne ihn fortzusetzen und
überlegt sich nun, den drei weiter im Süden auf sie wartenden
Gäste die Teilnahme abzusagen. Zumindest täte sie gut daran, in
Zukunft an die Begleitung ein paar Bedingungen zu stellen. Mir
fallen dazu u.a. die folgenden Punkte ein:
• eigenes, Rau-Wasser- und zugleich
tourentaugliches Seekajak; denn entlang der ungeschützten
Pazifikküste sollte schon in einem Seekajak gepaddelt werden,
das einem völlig vertraut ist!
• langjährige Tourenerfahrungen, d.h. ca.
10.000 Gesamtpaddelkilometer sollten schon auf dem Tacho sein
und davon über 1.000 km im letzten Jahr!
• Brandungserfahrungen; denn beim
Streckepaddeln etwas abseits von der Küste, lassen sich wohl
mit etwas Um- & Weitsicht potenzielle Grundseen umpaddeln,
spätestens aber beim Starten bzw. Anlanden ist der Kontakt zu
solchen Brechern nicht gänzlich zu umgehen!
• Bomb-proof Roll!
Natürlich sollte die Begleitung auch die Bereitschaft
erklären:
• Notfalls früh morgens im Dunklen zu
starten bzw. die Nacht durchzupaddeln,
sowie bestätigen,
• dass sie in der Lage ist, längere Zeit
ohne Pause
• ihr mit ca. 50 kg beladenes Seekajak mit
5-6 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit zu paddeln, nicht
langsamer, aber auch nicht schneller.
Solche Zusicherungen werden jedoch von jenen, die Freya
unbedingt begleiten wollen, schnell gemacht. Ihr
Wahrheitsgehalt ist daher erst unterwegs überprüfbar, quasi
dann, wenn es zur Sache geht, also wenn schon „das Kind in den
Brunnen gefallen“ ist.
Aber das gilt auch für die „Fahrtenleitung“: Freya hat wohl
nach tausenden von Kilometern Solo-Paddeln Gefallen daran
gefunden, in Begleitung mit wenigstens einem Seakayaker zu
paddeln. Das kann natürlich bei Freya dazu führen, dass sie
allzu schnell den Beteuerungen eines „Gastpaddlers“, 100%
seetüchtig zu sein, Glauben schenkt. Insofern ist es nicht
überraschend, dass Freya 11 Tage nach ihrem ersten
„Seenotfall“, also an ihrem Fahrtentag # 163, wieder einen
„Gast“ fast „unbesehen“ mitnahm und ihn wieder mit ihrem
zweiten Seekajak paddeln ließ. Zum Glück ergab es sich jedoch,
dass für die nächsten Tage die prognostizierten Wetter- &
Gewässerbedingungen ein Streckepaddeln nicht zuließen. Freya
nutzte diese Chance und setzte am Fahrtentag # 165 für ihren
„Gast“ Brandungsübungen an.
Text: Udo Beier