06.12.2014 | Kanu (Allg.)

Freya Hoffmeister: Retour-Tour abgeschlossen

Erinnern wir uns: Am 20. Oktober 2014 kehrte Freya aus ihrem Heimaturlaub zurück und wollte ihre vierte und letzte Etappe rund Südamerika genau dort starten, wo sie am 27. April 2014 ihre dritte Etappe beendet hatte, nämlich auf der Brandungsseite nahe Travosa (Humberto de Campos / Sao Louis / Nord-Ost-Küste Brasiliens).

Von dort aus wollte sie über Fortalezza bis zum Nord-Ost-Ende Brasiliens und dann weiter über Natale nach Recife paddeln (ca. 1.400 km), bevor es dann endgültig Richtung Süd-West bis nach Buenos Aires (ca. 4.000 km) gehen sollte.

Aber die Gewässerbedingungen in der Nähe von Travosa waren so hart und die Windprognose so schlecht, dass sich Freya entschloss, auf dem Landweg, quasi „per Anhalter“, die Strecke bis Recife zurückzulegen. Ca. 1.400 Paddelkilometer hätten ihr jedoch dann gefehlt, um die Umrundung Südamerikas komplett zu machen. Freya nahm das anfangs in Kauf. Doch dann auf der Autofahrt ca. 1.000 km quer durchs Land hinüber nach Recife entschied sie sich dazu, diese Strecke doch noch zu paddeln, und zwar retour, also in umgekehrter Richtung …. dafür mit dem Wind und mit der Strömung statt gegenan.

4. Etappe: 669. – 700. Fahrtentag

Gedacht, geplant, ausgeführt! Am 25.10.14 startete Freya in Recife, um nun den ca. 1.400 km langen Abschnitt entgegen dem Uhrzeigersinn zu runden:

•    Zunächst paddelte Freya vom 25.10. - 2.11.14 von Recife mit Kurs Richtung NO bis zum Nord-Ost-Ende Brasiliens: 391 km in 8½ Paddeltagen (49 km/Tag) zzgl. 1 Ruhetag);
•    dann ging es vom 2.11.14 - 11.11.14 mit Kurs NW bis nach Fortalezza: 391 km in 9½ Paddeltagen (43 km/Tag);
•    schließlich fuhr sie nach 3 Ruhetagen am 15.11. weiter mit Kurs NW-W und erreichte am 25.11.14, ihrem 700. Fahrtentag rund Südamerika, Tutoia: 494 km in 11 Tagen (45 km/Tag).

Jetzt fehlten Freya nur noch ca. 130 km bis zu jenem Strandabschnitt nahe Travosa, wo sie ihre 3. Etappe beendet hatte. Aber es ging nichts mehr. Der Wind nahm zu und wehte beständig mit 6-7 Bft. (27 Knoten). Entsprechend schwierig wurden die vor Ort herrschenden Gewässerbedingungen.

Schüsselstelle

Schon am 24.11.14, ihrem 699. Fahrtentag, hatte sie auf der Strecke von Pedra do Sal bis zur Isla da Cabeca de Porco mit dem Wind – auch wenn er von achtern kam – und dem dazugehörigen Seegang zu kämpfen:

Freyas Blog: http://freyahoffmeister.com/2014/11/26/mon-2411-2014-day-699/
Kartenskizze: Pedra do Sal – Tutoia
https://www.google.com/maps/@-2.7612294,-42.018398,12z

Gewässerbedingungen vor Pedra do Sal


Übernachtungsgelegenheit bei Pedra do Sal – schattig aber unromantisch

Sie legte wohl innerhalb von 11 Std. 57,4 km zurück, aber diese zählten wohl zu ihren härtesten Kilometern. 3x kenterte sie. Das erste Mal geschah es noch draußen vor der Küste auf einer ca. 12 km langen Brandungspassage, als ein Kaventsmann sie umschiss. Aber die Rolle klappte sofort. Daraufhin suchte sie den Küstenstreifen auf in der Hoffnung, dass es möglich war, zwischen Strand und Brandungszone genügend tiefes Wasser zum Paddeln zu finden. Aber auch dort erwischten sie zwei „vagabundierende“ Brecher, also Brecher, die die davor liegenden Untiefen „überrollten“ und endgültig erst am Strand brachen. Beide Male kenterte sie, wurde ins Flache getrieben und musste aussteigen. Ab dann begann eine ca. 20 km lange Quälerei. Freya hangelte sich, mal paddelnd, mal treidelnd, mal über den Strand ziehend von einer Flachwasserstelle zur nächsten:

Lieber treideln statt stranden


Die dicht rechts neben ihr hoch aufbäumenden und anschließend mit lautem Getöse brechenden Wellen machten ihr deutlich, dass das Vorankommen draußen in der Brandung nicht weniger qualvoll sein würde. Endlich nach ca. 36 km erreichte sie ein bei Niedrigwasser trockenfallendes Gebiet, bestehend aus über neun Mangroven-Inseln. Dort flüchtete sie ca. 23 km hinein und dort übernachtete sie auch … auf einer kleinen, nur wenig Quadratmeter großer Fläche, die vom Hochwasser gerade so verschont wurde.

Auf der Suche nach einer Zeltmöglichkeit -Mangroven bis über den Horizont hinaus


Wie geht es nun weiter?

Freya verfügt über einen starken Willen und ihr „Ehrgeiz“ scheint schier grenzenlos zu sein. Aber Freya ist letztlich so vernünftig, dass sie – Ehrgeiz hin, Ehrgeiz her – nicht bereit ist, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Das hat sie bislang jeden Tag bewiesen …. denn sonst wäre sie schon längst Opfer ihres eigenen Ehrgeizes geworden. Gelegenheiten dafür gab es ja zuhauf! Bislang konnte sie aber stets die auf sie zukommenden Gefahren umpaddeln, aussitzen oder sonst wie austricksen. Vielfach war sie auch auf die Hilfe Dritter angewiesen, z.B. einheimische Fischersleute, die sie bei der Querung der pazifischen Brandungszone halfen, oder die Leute von der Coast Guard bzw. Navy, die ihr ab und an eine sichere Übernachtungsmöglichkeit boten. Dieses Mal ist es das erste Mal, dass Freya Gefahren nur entkommen kann, indem sie sie „umfährt“, also den Landweg nutzt. Die Folge: Am Ende ihrer Südamerikaumrundung werden ihr wohl ca. 130 km Küstenabschnitt fehlen.

Ist das weiter schlimm? Nun, ich sehe das als den Preis an, den Freya bereitwillig zahlt, weil sie vernünftig ist! …. oder ist sie nach:

•    nach insgesamt 22.078 südamerikanischen Paddel-Kilometern,
•    die sie in insgesamt 498 Paddeltagen (Ø 44 km/Paddeltag)
•    bzw. 4.593 Stunden ( Ø 4,8 km/h) zurückgelegt hat,

einfach nur müde & ausgebrannt und will schlussendlich diesen von Sturm & Brandung geprägten Küstenabschnitt Brasiliens hinter sich lassen, um die nächsten und letzten 4.000 km bis nach Buenos Aires in Angriff zu nehmen?

Das ist verständlich, zumal Freya seit dem 15.03.13, als sie an ihrem 423. Fahrtentag erstmals nach Überwindung des Panama-Kanals ihr Seekajak in die karibische See einsetzte und seitdem fast nur noch gegen den Wind und gegen die Strömung paddelte, von der Schlusspassage entlang der Süd-Ost-Küste Brasiliens träumt; denn erst zwischen Recife und Buenos Aires kann sie wieder mit Wind & Strömung von achtern rechnen! Es ist zu hoffen, dass das Wetter ihr wohl gesonnen sein wird!

Kurs Süd-West

In der Zwischenzeit sind 7 Tage vergangen. Freya nutzte sie, um ihren „Transfer“ per selbst gesteuerten Mietwagen von Sao Luis nach Recife via Tutoia (=> Seekajak abholen) und Fortalezza (=> reparierten Laptop abholen) zu organisieren und durchzuführen. An die 1.500 Euro hat sie diese über 1.600 km lange Landpartie gekostet und eine Menge Stress. Aber Freya verlor dabei niemals ihr Ziel „Buenos Aires“ aus den Augen. Zumindest stieg sie am 3.11.14, 8 Tage nach ihrem Tourenabbruch, in Tutoia beim Yacht-Club Recife wieder in ihr Seekajak und paddelte los Richtung Süd-West vorbei an einem ca. 15 km langen Küstenabschnitt, wo wegen der Gefahr, von Haien angegriffen zu werden, die Ausübung jeglichen Wassersports verboten ist. Zwei Wasserschutzpolizisten eilten ihr deshalb in je einem Jetski entgegen und deuteten ihr an, sofort anzulanden. Freya gelang es jedoch, die beiden Ordnungshüter davon zu überzeugen, dass ein Anlanden in der Brandungszone für sie gefährlicher sei als eine Weiterfahrt in Polizeibegleitung.

Windprognose: Süd-Ost-Küste Brasiliens (Recife – Rio de Janeiro
http://www.windfinder.com/weather-maps/forecast/#5/-15.835/-34.585

Text: Udo Beier

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