01.10.2019 | Ocean-Sport

ICF Masters-WM Gold für Michael Dobler und Top 10 Platzierung für Gordan Harbrecht bei den Senioren

Am 11 / 12 / 13 September 2019 wurden im Nord-Westen von Frankreich, an der wunderschönen Küstenlinie Saint-Pierre der Quiberon / Bretagne die ICF Weltmeisterschaften im Surfski ausgetragen. Damit kam die WM nach Tahiti (2015) und Hong Kong (2017) wieder zurück nach „good old Europe“ und verwöhnte die Sportler neben einer einzigartigen Landschaft und pittoresken Ortschaften mit einer Vielzahl von bretonischen Spezialitäten (Zum Glück: Cidre, Galattes mit Roquefort und Walnüssen sowie Crêpes mit Karamellsoße machen zwar süchtig, stehen aber nicht auf der Dopingliste). Ausgefahren wurden die ICF Weltmeisterschaft nicht nur in den bereits bekannten Altersklassen U18, U23, und Senioren, sondern es wurden nun erstmals ganz offiziell auch die Masterkategorien (Ü35) mit in das ICF Programm aufgenommen und ausgefahren. So viel sei verraten: an der Startlinie roch es aber keineswegs nach Rheumacreme!
250 Athleten am Rennstart bei der Surfski WM in Quiberon

 

 

Von deutscher Seite mit am Start war der Rostocker Gordan Harbrecht (33) also known as „Flash Gordan“, der sich bereits aufgrund seiner guten Platzierung in Hong Kong 2017 für die WM in 2019 qualifiziert hat. Weiterhin startberechtigt war Downwind-Fetischist Michael Dobler (50), der sich dieses Jahr im Juni mit einem Sieg bei den nationalen Ausscheidungsrennen in Rerik/Ostsee  das Ticket nach Quiberon sichern konnte – dicht gefolgt von Deutschlands U23-Trio: Franz Polchow, Claas Gebhardt und Martin Schubert. „Die drei Damen vom Grill“ hatten sich der Trainingsgruppe um Gordan Harbrecht angeschlossen und sich ernsthaft auf die WM vorbereitet. Top, Männer – weiter so!

 

Neben der schier beeindruckenden Teilnehmerzahl von knapp 500 Athleten aus 30 Nationen, wurde dem einem oder anderen Sportler auch beim Blick in der Teilnehmerliste Angst und Bange. Zu finden waren hier das who is who der Surfskispezialisten sowie Olympioniken und Weltmeister aus Kanusprint, Marathon, Wildwasser und Surf Life Saving. Offensichtlich ist Surfski ein Trendsport der für viele Athleten aus anderen Kanudisziplinen auch mal eine willkommene Abwechslung ist. Tatsächlich erscheint es gar nicht so unrealistisch, dass Paddler aus anderen Disziplinen auch bei einer Surfski WM vorne mitfahren können. Denn wenn der Wind mal ausbleibt, dann muss man auch hier einfach nur schnell paddeln können.

 

Und wie der Teufel es so wollte, zeigte sich die Windvorhersage für das Drei-Tage Zeitfenster (Mittwoch bis Freitag) nur bedingt von Ihrer besten Surfskiseite: lediglich der Mittwoch prognostizierte mit 12-14 Knoten aus West ausreichend Wind für ein wenig Wellenbewegung – die anderen Tage sollten so flau sein, dass man sich im Wasser hätte spiegeln können. Und so traf das Rennkomitees folgende Entscheidung: die ICF WM der U18 / U23 / Senioren wird am Mittwoch ausgetragen und die ICF WM der Masters (Ü35) findet am windstillen Donnerstag statt. Der Kurs der beiden Rennen war identisch vom Plage de Gâvres nach Penthièvre Beach bei Quiberon – ziemlich genau 22 km.

 

 

Rennstrecke der Weltmeisterschaft von Plage de Gâvres nach Penthièvre Beach bei Quiberon

 

Und so gesellten sich rund 250 Sportler an dem besagten Mittwoch um 15:00 Uhr an die Startlinie am Plage de Gâvres, um die Podiumsplätze der U18 / U23 / Senioren-WM auszufahren. Den Kennern der Szene war klar, dass an diesem Tag – ähnlich wie in Tahiti und Hong Kong – die Südafrikaner und die Australier die Top 20 der Herren dominieren werden . Mit den jeweils 18 schnellsten Südafrikanern (u.a. Sean Rice, Kenny Rice, Hank McGregor, Nicolas Notten, Jasper Mocke) und 18 schnellsten Australiern (u.a. Cory Hill, Hynard Mackenzie, Tom Norton, Michael Booth)  schickten diese beide Nationen die Crème de la Crème des Surfskisports in die Bretagne. Lediglich Gastgeber Frankreich stellte mit 26 Paddlern mengenmäßig mehr Sportler. Auf Europäischer Seite lagen aber alle Hoffnungen auf dem Deutschen Hünen Gordan Harbrecht, der dieses Jahr schon mehrfach bewiesen hat, dass er keine Angst vor den großen Namen hat. „Ich weiß, ich kann die Jungs aus Südafrika und Australien schlagen, aber da sie nun alle am Start sind, ist realistisch zwischen Platz 1 und 15 alles drin“, so Gordan vor dem Rennen. Die Buchmacher sollten Recht behalten: Der Sieg ging an den Südafrikaner Sean Rice, gefolgt von seinem Bruder Kenny Rice und dem Australier Cory Hill. Mit Platz 7  - umringt von Südafrikanern und Australiern - belegte Gordan die goldene Mitte seiner eigenen Prognose und zeigte auch mit dieser Leistung, dass er nah dran ist an der Weltspitze. „Die Bedingungen waren schwierig, mein Start war holprig, ich bin dann aber gut in das Rennen gekommen. Ich habe alles gezeigt was ich drauf habe, ich war 2:48 Minuten hinter dem ersten und mit Abstand der schnellste Europäer, damit kann ich nicht unzufrieden sein.“

Wer sich das gesamte Rennen im Zeitraffer anschauen möchte, kann dies aufgrund moderner Technik (Tracker) hier tun: http://player.georacing.com/?server=Prod&event=101851&race=97449&name=SS1

Für die Zukunft bleibt es spannend, denn den Insidern ist aufgefallen, dass sich Gordan im Vergleich zu 2018 nochmals deutlich verbessert hat. Im nächsten Jahr ist die WM in Portugal und da will er erneut angreifen. Ein Mann, ein Wort!

Beachtlich ist auch das Ergebnis der deutschen U23 Riege, die Ihr internationales Debüt gleich mit einer WM starteten. In der U23 Klasse belegte Franz Polchow Platz 12, Claas Gebhardt Platz 20 und Martin Schubert Platz 23  - ein Achtungserfolg. Mehr noch, die Jungs sind nun „heiß wie Frittenfett“ und haben zur  Attacke geblasen: „In der Gesamtliste war ich noch zwei Minuten hinter Michael Dobler“, so Franz Polchow und seine Körpersprache verriet, das er dies so schnell wie möglich ändern möchte. Michaels Gesichtsausdruck hinterließ keinen Zweifel, dass er sich auch auf das Battle freut. Aber wie lief es den bei dem Düsseldorfer Berufsjugendlichen? Er durfte ja gleich zweimal ran. „Die zeitliche Trennung der beiden Rennen ist wirklich blöd – nicht nur, weil ich nach dem ersten Rennen schon total erledigt war. Auf dem Meer ist genug Platz, so dass U18 / U23 / Senioren und Master hätten zusammen starten können. Dann hätten die Masters auch ein bisschen Wind gehabt. So hat ein kleiner, schmächtiger Funktionär den 210 testosterongeladenen und muskelbepackten Masterathleten aus aller Welt eine unangenehme Botschaft überbracht: Eure WM wird völlig spaßbefreit ohne jeglichen Wind und Welle ausgetragen. Das war schon eine gefährliche Situation für den Kollegen. Aber gut: das Senioren-Rennen war cool. Der Downwind war technisch und mega anstrengend, da Wind und Welle stark über die linke Schulter kamen, fast seitlich. Da muss man wissen wie das geht und auch ordentlich am Paddel ziehen. Mein Start war schlecht, aber im Downwind habe ich gut aufgeholt und am Ende bin ich in diesem Feld mit Platz 26 super zufrieden. Einige große Namen konnte ich vor mir herjagen“.

 

Donnerstags um 15:00 Uhr wurde der Jäger, dann aber zum Gejagten, denn in der Masterklasse (ab Ü35) wurde der Düsseldorfer als heißer Titelfavorit gehandelt. Seit geraumer Zeit ist seine Weste blütenweiß und es gab mit 210 Athleten an der Startlinie eine Menge Paddler, die das ändern wollten.  „Südafrikaner oder Australier machen mir keine Angst, aber ich bin erfahren genug um zu wissen, dass ich nicht in allen Bedingungen der Schnellste bin. Ganz flach und ganz groß sind meine Schwächen. Die Wind- und Wellenprognose war mein Worst Case Szenario“. Die südafrikanischen Surfski-Legenden Hermann und Oscar Chalupsky sowie einige andere Podiumsanwärter aus Südafrika und Australien hatten mit Blick auf die Windprognose Ihre Startteilnahme bei den Senioren kurzerhand annulliert. Sie wollten ausgeruht an den Start der Masters WM gehen. „Klar, das ist schon sinnvoll. Ich stand morgens auf und fühlte mich vom Vortag richtig erschöpft. Und dann schießen einem unweigerlich negative Gedanken in den Kopf: die anderen Säcke gehen ausgeruht an den Start. Und dann warten da auch noch die Flachwasser-Fuzzis auf mich, die vermutlich schon jetzt mit Ihren Hufen scharren, wie Rennpferde auf Hafer. Na ganz toll!!“. Vielleicht waren es die gefühlten zwei Liter Café oder der gesunde Smoothie, die Michael zurück in den Rennmodus brachten. Denn auch hier sollten die Buchmacher Recht behalten und Michaels Weste blieb weiß wie Schnee: Gold bei der Masters WM. Michael fasst es wie folgt zusammen: „Es war so flach wie auf dem Ententeich des Düsseldorfer Hofgartens. Ich bin richtig stolz, dass ich mich nochmal so gequält habe, aber Flachwasserrennen und ich werden deshalb trotzdem keine Freunde“.

 

Auch hier lässt sich der Rennverlauf Dank Tracker im Zeitraffer nachverfolgen: http://player.georacing.com/?server=Prod&event=101851&race=97451&name=SS1+-+Open&fbclid=IwAR3IlIkyGSbQYNsNCgQGevzGWLjptVrZceHr5vrrK8XM2H_kzMrh0mpPgE0

 

Alles in allem ist das eine beeindruckende WM Bilanz für dieses kleine Team aus Deutschland. Zumal sich die andere Nationen erstaunlich gut organisiert zeigten: Spitzensportförderung, Jugendförderung und ein Trainerteam mit Trainingslagern um das Oceanracing sind hier Standard. „Davon sind wir noch sehr weit entfernt“ so Gordan Harbrecht. Michael lacht: „Ich war froh, dass mir Claas Gebhardt für das Podium eines seiner alten National-Trikot geliehen hat. Da wird Hymne gespielt und Fahne gehisst und nachher steht man da in seinem Bitte-wasch-mich-nicht-Hemdchen. Wäre sicher auch cool, aber vielleicht auch unpassend“. Ja, das scheint noch ein langer Weg.

 

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