25.07.2021 | Thomas Konietzko Blog

Ich fühle mich wirklich willkommen

#tokoblog (2): Puh war das warm, als wir aus dem Flieger ausgestiegen sind. 32 Grad und gefühlt 90 % Luftfeuchtigkeit ist für Zuschauer belastend. Da möchte ich mir gar nicht vorstellen, wie unsere Sportler mit dieser Hitze umgehen.
Angekommen in Japan ... warten auf die nächsten Zwölf

Alles war japanisch gründlich organisiert. Die ca. 50 Olympiateilnehmer aus meinem Flieger wurden separat in einer Schlange aufgestellt und zu einem extra Gang geführt. Dann wurde vom Personal sortiert, und die Aktiven durften nach vorne und die Offiziellen nach hinten in die Schlange. Fand ich gut, hat aber am Ende zwei Stunden Unterschied gemacht.  Am ersten Schalter schön mit Abstand standen Stühle in einer Reihe, wie in einem deutschen Impfzentrum und jeder musste sich hinsetzen. 

Immer 12 durften zum ersten Schalter und ihre OCHA App mit allen vorher hochgeladenen Daten prüfen lassen. Japanische Organisation heißt in diesem Falle, dass erst, wenn der letzte der 12 den Schalter verlassen hatte, wieder 12 neue reindurften. Da zwischen der Bearbeitung des Ersten und des Letzten an dieser Station manchmal bis zu 20 Minuten Unterschied waren, irgendwas funktionierte immer bei Einem an den Schaltern offensichtlich nicht, waren die meisten Schalter die meiste Zeit leer. Das dann endlich geschafft und viele Dokumente in die Hand gedrückt bekommen, ging es zum nächsten Schalter. Auch hier wurde die App nochmals geprüft und mehr Dokumente überreicht. Dann ging es zum Covid Test und danach zu einem weiteren Schalter. Keine Überraschung auch hier wurde die App geprüft und ein weiteres Dokument überreicht. Das schönste war die Quarantäneanweisung die gefährlich aussah. 

Nach ca. 4,5 Stunden konnte ich dieses Dokument abgeben, war aus der temporären Quarantäne befreit und bekam endlich meine Akkreditierung und durfte – natürlich zum nächsten Schalter. Dem folgten noch zwei weitere Schalter, die ich zu bewältigen hatte, bis ich im Bus in die City saß.

Die Freiwilligen am Flughafen waren freundlich und haben sich ehrlich gefreut, dass wir ankamen. Sie haben beim Koffertragen geholfen und immer wieder gefragt, aus welchem Land man kommt. Jeder Freiwillige hat mindestens zwei Mal an jedem Schalter Entschuldigung gesagt, obwohl ja wir die sind, die die Ruhe im Land stören. Ich habe mich wirklich willkommen gefühlt. 

 

Auf der zweistündigen Fahrt ins Zentrum sieht man kaum etwas von den Olympischen Spielen. Die Shoppingcenter und Restaurants am Rande der Straßen waren voll und aus dem Bus sah nichts nach einem Lockdown aus. Mein erster Eindruck – keine Olympiaatmosphäre wie man sie kennt. Das Hotel war voll mit Disneyland Touristen und für die Olympiateilnehmer gibt es komplett abgetrennte Bereiche. Wir haben eigene Laufwege, einen eigenen Speiseraum, einen eigenen Aufzug und die Wahrscheinlichkeit mit Einheimischen zusammenzutreffen ist im Hotel gering. Für mich das Schlimmste, direkt vor meinem Fenster befindet sich parallel zum Meer eine super Laufstrecke, die gut frequentiert ist, aber für mich die nächsten zwei Wochen eine verbotene Zone bleibt. Wir dürfen nicht raus, nicht in den Supermarkt und müssen tatsächlich die gesamte Zeit im Hotel auf unserem Flur bleiben.

Übrigens befindet sich unser Hotel im Disney Distrikt der Stadt, welches - wie der Name schon sagt - direkt an einen der größten Disneypark weltweit grenzt. Das Riesenrad ist gut vom Slalomkurs aus zu sehen und so wie es aussieht, ist der Disney Park auch gut von Einheimischen frequentiert. 

 

Angekommen am Slalomkurs gab es gleich die erste herausfordernde Nachricht. Ab Dienstag früh soll ein Taifun direkt die Stadt Tokio treffen. Bis Mittwoch sind Winde bis zu 35 m/s angekündigt. Dies kann direkte Auswirkungen auf die Wettkämpfe in vielen Disziplinen haben. Wir bekommen heute gegen 11.00 Uhr (ich spreche bei Zeitangaben immer von Ortszeit + 7 Stunden zur deutschen Zeit) den aktuellen Wetterbericht und wollen dann gegen 17.00 Uhr entscheiden ob wir unseren Slalomzeitplan ändern müssen. Im schlimmsten Fall kann dieser Sturm aber auch Auswirkungen auf die Sprint Wettkämpfe haben. Rudern hat sowohl für den Dienstag als auch für den Mittwoch Finals geplant und diskutiert schon, diese zu verlegen. Bereits gestern wurde reagiert und Rudern hat einige Vorläufe die für Dienstag und Mittwoch geplant waren, auf den Samstag und Sonntag vorgezogen. Da es nur einen Reservetag zum Umbau der Strecke von Rudern auf den Kanu-Kurs gibt, darf nicht allzu viel durch den Sturm durcheinanderkommen.

Das erste Mal habe ich beim Ankommen am Slalom Kanal so etwas wie Olympiastimmung gespürt. Alles sah aus wie immer bei Olympischen Spielen, und die Tribünen überragen die Strecke fast schon majestätisch. Sie waren im Übrigen bereits im letzten Jahr ausverkauft. Man kommt also schnell wieder von der Olympiaeuphorie runter und stellt fest, dass es besondere Spiele sind und die Zuschauer fehlen werden. Trotzdem ist alles perfekt vorbereitet.

   

Gestern gab es mit zehn Athleten eine Vorfahrt. Wir haben gleich einen Wettkampf inklusive Siegerehrung simuliert. Organisatorisch sind es für mich bis jetzt die am besten vorbereiteten Spiele, an denen ich teilnehmen durfte.Natürlich war einer meiner ersten Wege der zu den Sportlern und Teams. Egal mit wem ich sprach, alle sind glücklich und erleichtert, dass es endlich losgeht und dass es überhaupt losgeht. 

Und natürlich habe ich gleich Sid mit gesprochen, der aufmerksam die Vorrunner beobachtete und ihn nach seinen Eindrücken gefragt. Er scheint mir unwahrscheinlich fokussiert und vor allem nervenstark zu sein. Kein Zeichen von Unsicherheit und Zweifel bei ihm.

Sid meint, die Strecke ist anders, schwerer als in Rio, hat einige Tücken aber sollte uns liegen. Das Wasser wechselt rasend schnell, die Slalomexperten wissen, dass dies meint, dass die Strömung nicht immer gleich ist und der Athlet reagieren muss.

Und dann kann ich ja schon zu der gestern versprochenen Einschätzung unserer Medaillenchancen kommen. Ich habe das Ergebnis von Rio im Slalom zwar versucht zu verdrängen, aber viele werden sich noch an das unglückliche Abschneiden erinnern können. Keine Medaille für Deutschland im Slalom, dafür zwei Vierte, ein fünfter und ein siebter Platz. Sid ist in Rio als Letzter mit der besten Halbfinalzeit gestartet und hat es dann nicht auf das Podium geschafft. Der C2 mit Anton/Benzien war noch vor dem vorletzten Tor deutlich in Führung und ist in der allerletzten Walze hängen geblieben und hat das Ziel schon vor Augen die fast sichere Medaille verloren. Das ist Slalom und deshalb lassen sich gerade bei Olympischen Spielen Ergebnisse kaum voraussagen.

Trotzdem wage ich mich heute weit raus. Wir haben in allen vier olympischen Disziplinen Medaillenchancen: 

  • Andrea Herzog ist amtierende Weltmeisterin und hat mit ihrem Sieg im letzten Wettkampf vor den Spielen beim Weltcup in Markkleeberg ihre gute Form bewiesen.
  • Sid hat als junger Athlet mit seiner Silbermedaille in London eine Überraschung geschafft, und mit seinem vierten Platz in Rio gezeigt, dass er zur Weltspitze gehört.
  • Hannes ist ein altes „Schlachtross“ und hat alles schon gesehen. Mit Bronze in London erlebte er bereits das Gefühl, bei Spielen auf dem Podium zu stehen.
  • Und Ricarda hat sich aber sowas von in die Weltspitze gefahren, dass für sie hier alles möglich ist.

Wir haben also vier realistische Medaillenchancen. Erfahrungsgemäß klappt bei Olympia nur die Hälfte und ich lege mich hier fest, wir werden zwei Medaillen holen. Wer sie gewinnt? Ich habe zwei Namen in meinem Kopf, aber es wäre nicht fair, diese hier zu nennen. Trotzdem hoffe ich, dass ich hier falsch liege und wir vielleicht doch mehr wie zwei ……. Aber jetzt stoppe ich an der Stelle, weil mir sofort wieder das Abschneiden von Rio in den Kopf kommt.

Trotzdem noch eine Vorhersage, der oder die Nervenstärksten, vielleicht nicht unbedingt die besten Paddler, werden die Medaillen holen und auch Erfahrung ist bei Spielen ausschlaggebend. Morgen wissen wir schon mehr.

Heute geht es 13.00 Uhr mit den Vorläufen im Canadier der Herren mit unserem Sideris Tasiadis los. Ab 13.50 Uhr starten die Damen im Kajak mit Ricarda. 15.08 Uhr geht es mit dem zweiten Lauf im Canadier und 15.58 Uhr im Kajak der Damen weiter.
Das Qualifikationssystem bei olympischen Spielen ist anders wie bei Weltmeisterschaften oder Weltcups gewohnt. Alle Sportler müssen beide Läufe fahren und die beste Laufzeit, egal ob im Ersten oder Zweiten gefahren, zählt für die Quali für das Halbfinale.

Weiterkommen sollte heute für beide Athleten Pflicht sein.

In Deutschland setzt sich unser Rennsportteam heute Abend in den Flieger. Über Tokio geht es direkt weiter nach Naka, wo die Akklimatisierung und die direkte Vorbereitung erfolgt.Der Ersatz K 4 ist bereits in Tokio angekommen und der DOSB versucht gerade die Zollformalitäten abzuschließen, damit das Boot so schnell wie möglich an die Strecke kommt.

Das wars für heute. Viele Grüße in die Heimat
 

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