Nun liegen die ersten Auswirkungen für den nächsten Olympiazyklus des Deutschen Kanu-Verbandes auf dem Tisch. Geht es mit voller Kraft in die nächsten vier Jahre?
Wenn es so einfach wäre! Mit dem Ausscheiden unseres
bisherigen Cheftrainers aus Altersgründen standen wir vor der
Aufgabe, diese Stelle neu zu besetzen, mussten jedoch zur
Kenntnis nehmen, dass uns für 2017 nicht mehr Mittel für
Trainergehälter zur Verfügung stehen. Wir haben uns deshalb
entschieden, diese Stelle nicht neu auszuschreiben, bisherige
Aufgaben des Cheftrainers an den Sportdirektor zu übertragen
und die damit eingesparten Mittel gleichmäßig als
Gehaltsaufwuchs auf die im Verband bleibenden Trainer zu
übertragen.
War nach dem Erfolg in Rio nicht eigentlich anzunehmen,
dass gerade der DKV von der Leistungssportreform profitiert und
mehr Unterstützung erhält?
Das habe ich auch gedacht und umso ernüchternder ist die
jetzige Situation. Unsere erfolgreichen Trainer werden von der
ganzen Kanuwelt umworben. Hier werden teilweise doppelt so hohe
Gehälter angeboten, wie wir sie als Verband bezahlen können.
Unsere Trainer sind im Vergleich mit anderen Verbänden
unterbezahlt, und deshalb war es für uns eine logische
Konsequenz, mit dem jetzigen Gehaltsaufwuchs bei den
verbleibenden Trainern die entsprechende Anerkennung für ihre
Arbeit zu zeigen.
Welche konkreten Veränderungen gibt es Im Bereich des
Nachwuchses?
Diese Entwicklung hat uns am meisten überrascht. Die
seit 2014 vom BMI genehmigten Projekte werden nicht über den
1.1.2017 verlängert. Dies betrifft vier Trainer, die nunmehr
entlassen werden müssen und die gerade im Bereich der
Talenterkennung wichtige Arbeit geleistet haben. Damit entsteht
gerade bei der Betreuung von potenziellen Nachwuchsathleten für
unsere Nationalmannschaften eine Lücke, die wir nicht schließen
können.
Aber bei der Abstimmung der Reform in der
DOSB-Mitgliederversammlung war ja auch klar, dass vieles an
geplanten Veränderungen Zeit braucht.
Das ist nicht falsch, aber trotzdem waren wir der Annahme,
dass wir zumindest mit den vorhandenen Trainern in den neuen
Olympiazyklus gehen können. Vieles an dieser Reform ist
offensichtlich nicht bis zum Letzten durchdacht, und sie hat
uns (Stand heute) mehr geschadet als genützt. Die Diskussion
über den Wegfall von Bundesstützpunkten hat z.B. dazu geführt,
dass unser Trainer am BSP in Bad Kreuznach so verunsichert war,
dass er sich beim Schweizer Verband um eine Stelle beworben hat
und uns zum 01.01.2017 verlässt. Auch die vier Trainer, die wir
jetzt entlassen müssen, werden schnell wieder Arbeit finden.
Wenn sie dann in einem privaten Unternehmen unterkommen werden
sie überrascht sein, dass man Überstunden bezahlt und Zuschläge
für Sonn-und Feiertagsarbeit bekommt. Sie glauben doch nicht im
Ernst, dass diese Trainer wieder zurückkommen werden und einen
neuen befristeten Job im Verband annehmen. Im Übrigen bewegt
sich der gesamte Sport hier in einer rechtlichen
Grauzone. Das deutsche Arbeitszeitgesetz regelt die gesetzliche
Arbeitszeit und den Freizeitausgleich bei Wochenendarbeit.
Alles Regelungen, von denen die meisten Trainer zwar gehört
haben, die sie aber nie in Anspruch nehmen konnten oder
wollten.
Hat nicht Minister de Maiziere einen Aufwuchs der
Sportförderung versprochen?
Das war gut zu hören, aber es bleibt offen, wie viel
Substanz in dieser Zusage steckt. Für 2017 gibt es für den
gesamten Sport weniger Geld als 2016, mit der anstehenden
Bundestagswahl 2017 ist abzusehen, dass ein bestätigter
Haushalt für 2018 nicht vor Mai 2018 steht und somit in den
nächsten anderthalb Jahren keine positive Entwicklung der
Mittel für den Sport zu erwarten ist. Und wer dann
Sportminister ist und welche Parteien in der Bundesregierung
vertreten sind, weiß heute auch noch keiner.
Trotzdem haben die Abgeordneten die Höhe der staatlichen
Sportförderung und die Erhöhung der Mittel für den DBS als
Erfolg gepriesen.
Die Erhöhung der Mittel für den DBS war richtig und gut. Wir
können die Höhe der Sportförderung auch nicht beklagen,
immerhin sind dies Steuermittel, die verantwortungsbewusst
eingesetzt werden müssen, sollten sie aber doch im
Vergleich zu anderen Ausgaben einordnen:
Deutschland gibt für die Subventionierung von Traktoren ca.
257 Millionen Euro aus, für die Subventionierung von Zahnersatz
ca. 260 Millionen. Die Kultur hat aus guten Gründen im Haushalt
2017 eine höhere Anpassung bekommen, als die gesamte Höhe
der deutschen Sportförderung für das Jahr 2017, inklusive der
Mittel der Bundeswehr und des BMI, welche insgesamt ca. 200
Millionen betragen.
Auch im Vergleich mit anderen Ländern sind wir bei der
Sportförderung höchstens im Mittelfeld. Großbritannien gibt
zwar nur 130 Millionen aus Steuermitteln für Sportförderung
aus, hat jedoch eine Lotterie aus deren Erlösen nochmals 330
Millionen in die Sportförderung fließen. Deshalb können unsere
Politiker nur so viel an Ergebnissen erwarten, wie ihnen der
Sport letztendlich wert ist.
Aber sie haben sich persönlich sehr intensiv für die
Reform des Spitzensports in Deutschland eingesetzt und mit dem
Sportdirektor des DKV war ein Vertreter des Verbandes an
maßgeblicher Stelle in die Diskussionen eingebunden. Jetzt
bezeichnen sie die Diskussion in einer Presseerklärung als
abstrakt und politisch motiviert.
Es war und ist richtig, dass sich der deutsche Sport
Gedanken machen musste, die Steuermittel effizienter
einzusetzen. Und im Ergebnis der Diskussionen wurden viele
richtige Schlüsse gezogen. Ich habe aber immer auch in dieser
Diskussion, übrigens auch im Beisein des Staatssekretärs im BMI
Ole Schröder und des Abteilungsleiters Sport im BMI Gerhard
Böhm, darauf hingewiesen, dass eine Umsetzung der Reform nur
mit einem Mittelaufwuchs möglich ist. Die Politik hat anders
entschieden, und wenn ich dem DOSB überhaupt einen Vorwurf
machen kann dann den, dass dieser Zusammenhang nicht
deutlicher gemacht wurde. Der Sport hat sich mit seiner
Zustimmung einseitig zu den Zielen der Reform bekannt und
steckt jetzt in dem Dilemma, dass die Mittel für die Umsetzung
fehlen. Deshalb denke ich, dass meine Beschreibung,
die Reform sei abstrakt und politisch motiviert, nicht ganz
falsch ist. Solche Reformdiskussionen haben wir in den letzten
Jahren schon viele geführt, erinnert sei nur an die
versprochene Trainerinitiative, aber es haperte dann immer an
den nötigen Mitteln für eine erfolgreiche Umsetzung. Ich
befürchte deshalb, dass es mit dieser Reform nicht anders wird.
Vielleicht sollten wir ehrlicher zu uns selbst sein und dann
eben feststellen, dass, wenn der deutschen Politik der
Leistungssport nicht mehr wert ist als das, was sie jetzt dafür
aufwendet, wir langfristig über mittelmäßige Ergebnisse nicht
hinauskommen werden.
Also eher ein pessimistischer Blick in die sportliche
Zukunft unseres Verbandes
Das kommt auf die Perspektive an: Bis Tokio bleiben viele
unserer derzeitig erfolgreichen Sportler aktiv und werden dort
sicherlich wieder Medaillen gewinnen. Aber es geht im Großen
und Ganzen um Nachwuchssport, der mit diesen Entscheidungen
gefährdet ist.
Es gehört daher zur Ehrlichkeit dazu, dass, wenn uns im
Nachwuchs an entscheidenden Schnittstellen Trainer wegfallen,
wir darüber hinaus Gefahr laufen, als erfolgreichster
olympischer Sommersportverband ebenfalls im Mittelmaß, in dem
viele andere deutsche Sportverbände schon längst angekommen
sind, zu verschwinden.