26. September 2024

Lekker Paddeln in Delft

Gracht in Delft (Foto: Reinder van der Wall)

Zugegeben, das einzige was mir als einigermaßen erfolgreichem Absolventen einer neusprachlich-naturwissenschaftlichen Bildungsanstalt bis Ende 2014 zum Thema Delft einfiel, war das Stichwort „Delfter Kachel“. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Nicht umsonst heißt es „Reisen bildet“ und so hat auch die Himmelfahrtstour der KGNO wieder einmal eine Bildungslücke geschlossen.

Von Reinder van der Wall, Hänigsen

 

Anmerkung

Dieser Beitrag ist bereits 2016 im KANU-SPORT erschienen. Der Deutsche Kanu-Verband bittet Paddler, die diese die Tour nachpaddeln möchten, daher um eine besonders gründliche Tourenplanung und Überprüfung der aktuellen Befahrungsregelungen.

Unser Mitglied Isabel Metz hat dazu wesentlich beigetragen, denn sie hat Ihren Studienaufenthalt in Delft nicht nur zur Anfertigung ihrer Masterarbeit genutzt sondern in der mehr oder weniger knappen Freizeit die wassersportlichen Möglichkeiten der Stadt Delft ausgelotet und sich dankenswerterweise bereit erklärt, auch uns in das weit verzweigte Netz der Grachten einzuweihen. Damit sich die doch etwas weitere Anfahrt aus Braunschweig lohnt, wurde das Himmelfahrtswochenende als geeigneter Zeitpunkt festgelegt. Bei der obligatorischen Vorbesprechung mit Abstimmung der organisatorischen Details wie z.B. Zeitplan, Zeltverteilung und Kochgruppen kamen wir schnell auf die stattliche Zahl von 26 Fahrtenteilnehmern. Darunter auch unser in der Nordrhein-Westfälischen Diaspora lebendes Mitglied Jan nebst Familie und befreundetem Paar.


Effiziente Anfahrt

Um die Anfahrt möglichst effizient zu gestalten, wurde für den Transport auf fast alle verfügbaren Kleinbusse der Fahrtenteilnehmer zurückgegriffen, die sich nach allgemeinem Beladen im Verlauf des Donnerstagvormittag in Kolonnenfahrt auf in den weiten Westen machten. Etliche Stunden später lotste uns das Navigationsgerät zielgenau auf die doch etwas versteckte Zufahrt zum Campingplatz

Gracht in Delft.

Delflandhoeve am Südrand der Stadt, direkt neben einem Schifffahrtskanal gelegen. Schon bei der ersten Platzbesichtigung nach Anmeldung war klar, dass wir es hier richtig gut getroffen hatten. Eine große Wiese mit direktem Zugang zu einem kleinen See bot reichlich Platz für unsere Gruppe, die sich auch recht schnell über die Fläche verteilte. Dabei konnten nicht nur die notorischen Schnarcher in eine abseits gelegene Ecke dirigiert werden, sondern auch andere Ansprüche wie z.B. Kochgruppenzusammenführung oder bevorzugte Nähe zum Wasser berücksichtigt werden.
Dankenswerterweise sind die Tage um Himmelfahrt bereits ein wenig länger, so dass auch nach dem allgemeinen Einrichten noch genug Zeit für eine erste kleine Ausfahrt blieb und wir uns sogar individuell entscheiden konnten, ob die Ausfahrt vor oder nach dem Abendessen erfolgen sollte. Unsere Kochgruppe entschied sich erst einmal für das Abendessen, bevor wir uns auf die kleine Feierabendrunde machen wollten.


Ins Naturparadies Abtswoud

Direkt westlich und nördlich unseres Campingplatzes wurde in den vergangenen Jahren eine mehrere Quadratkilometer große Brachfläche in ein von Wasserläufen durchzogenes Naturparadies namens Abtswoudsebos umgestaltet. Verschlungene Wasserläufe, mal als schmaler Graben, mal als aufgeweitete Teichfläche, durchziehen im Wechsel kleine Gehölze und Wiesenflächen. Landratten bietet eine Wegenetz und zahlreiche kleine Holzbrücken die Gelegenheit die Landschaft von etwas höherer Warte aus zu erkunden und für Wassersportler bieten sich zwei Rundkurse jeweils mit Start und Ziel direkt am Campingplatz an. Die Wahl muss nur noch zwischen der kleinen Runde von 2 km und der großen Runde von 7 km fallen und schon können die Boote zu Wasser gelassen werden und tauchen die Paddel in die spiegelglatte Wasseroberfläche ein. Damit wir die Orientierung nicht verlieren, haben wir uns an der Rezeption ordentlich in Folie eingeschweißte Luftbilder mit Markierung der Wasserwanderrundkurse ausgehliehen. Langsam gleiten die Boote nun durch die stille Landschaft, die durch die tiefstehende Sonne in ein besonders mildes Licht getaucht wird. Gelegentlich raschelt ein Blesshuhn im Uferschilf und von Ferne hören wir das monotone Tuckern eines Motorschiffes auf dem angrenzenden Schifffahrtskanal. Die abendliche Ausfahrt wird auch gleich genutzt um Informationen für die morgige Ausfahrt in die Stadt Delft zu erhalten, müssen wir doch dafür aus dem Rundkursgewässer über eine Grasböschung in den Kanal hinübertragen. Müde und zufrieden nach der langen Anfahrt und der entspannenden Feierabendrunde sinken wir dann in der Abenddämmerung in unsere Schlafsäcke.

 

Abtswoudsebos.

Richtung Stadtzentrum

Der nächste Morgen weckt uns mit Sonnenstrahlen und so gegen acht Uhr habe ich tatsächlich die gesamte Truppe beim Frühstücken. Boote brauchen nicht aufgeladen werden, wir starten wieder direkt am Campingplatz und steuern auf nun schon bekanntem Gewässer die Umtragestelle an. Das Aussteigen an der Gras­böschung gelingt recht gut, die auf der anderen Seite des Deiches liegende Kanalböschung ist dagegen recht steil und nicht unbedingt für die Bedürfnisse von Kanuten gestaltet. So kommt es dann auch, dass wir die erste Bademeisterin unserer Gruppe beglückwünschen dürfen. Zum Glück ist der Campingplatz nicht weit, so dass schnell ein Kleidungswechsel vollzogen wird und sich dann die große Gruppe in Richtung Stadtzentrum in Bewegung setzt.
Zunächst geht es, ähnlich wie auf Zufahrtstraßen für Autos, durch Industrie- und Gewerbegebiete. Dazwischen das Bootshaus eines Rudervereines mit Trainingsbetrieb sowie ein historisches Kanaltor, klassisch aus rotem Ziegelstein errichtet. Unsere Gruppe zieht sich recht schnell auseinander, vom Familiencanadier mit Kleinkind in der Liegeschale über schon selbstständige Paddler im Kinderkajak bis hin zu trainierten erwachsenen Langstreckenpaddlern haben wir die ganze Bandbreite an kanusportlichem Personal dabei, und so müssen die schnelleren Boote halt immer mal wieder anhalten und auf die etwas langsameren warten. Die haben dafür das Vergnügen, eine der für die Niederlande klassischen Drehbrücken in Aktion zu erleben. Während wir mit unseren kleinen Booten ungehindert unter allen Brücken hindurch fahren können, müssen Motorboote oder gar Frachtschiffe auf das Öffnen der Brücken warten.


Delft bereitet eine ruhige Atmosphäre

"Alles in allem verbreitet Delft eher eine entspannte und geruhsame Atmosphäre."

Schon bald darauf haben wir aber nach 4 km das alte Stadtzentrum erreicht. Unter einer festen Backsteinbrücke hindurch fahren wir auf ein Wasserstraßenkreuz und vertrauen für die folgende Strecke ganz auf die Ortskenntnisse von Isabel. Kleine Grachten biegen seitlich ab, die Uferstreifen werden von Fußgängern, Radfahrern oder geparkten Autos belegt, die sich ohne jegliche Absicherung durch ein Geländer zwischen Straßenbäumen bis direkt an die Kante der Ufermauer quetschen. Die Ufer sind dabei im Regelfall recht flach, so dass wir auch aus den Booten heraus das Straßenbild und die geschlossene Front der historischen Stadtbebauung betrachten können. Das Stadtbild wird überwiegend von älterer Bebauung geprägt, nur gelegentlich drängelt sich einmal ein modernes Gebäude in die Front. Im Zickzack durchqueren wir nun das Zentrum, lauschen gelegentlichen Erläuterungen von Isabel und müssen nur vereinzelt kleineren Ausflugsbooten auf Stadtrundfahrt oder privaten Motorbooten ausweichen. Alles in allem verbreitet Delft eher eine entspannte und geruhsame Atmosphäre, welch ein Gegensatz zu der teilweise doch recht hektischen Betriebsamkeit die auf den Grachten in Amsterdam oder Utrecht herrscht.

Umsetzen im Schiekanal. 

 

 

 

Die verdiente Pause

Untrennbar mit dem Paddeln verknüpft sind die obligatorischen Pausen und so verlassen wir nun das Zentrum in Richtung Nordosten bis zu einer wohl durchaus betriebsbereiten, aber dennoch stillgelegten Schleuse. Hier finden wir Platz, um ein wenig die Beine zu vertreten, sich im Gras zu lümmeln und die mitgebrachte Verpflegung ihrer Bestimmung zuzuführen. Die nahe Autobahn stört dank Lärmschutzwänden nicht allzu sehr und so genießen wir die schon recht kräftige Sonne des Frühsommers bis die vorgerückte Stunde zum Aufbruch mahnt.
Die Truppe macht sich auf den Weg, und schon wird ein unbeobachteter Moment erfolgreich für den zweiten Schwimmer des Tages genutzt. Die Böschung vor der Schleuse hatte nicht den erhofften Halt geboten und so wurde fachkundig festgestellt, dass der Kanal mal wieder entschlammt werden müsse.


Austausch von Fahrtenerlebnissen

Zurück ins Zentrum, diesmal auf einem anderen Parcours an prächtigen alten Handelshäusern und Kirchen mit schrägem Turm vorbei.
Die Gelegenheit zu einer vorzeitigen Abkürzung und direkter Rückfahrt zum Campingplatz wird zugunsten des Besuches einer Eisdiele ausgeschlagen. So legen wir alsbald schön aufgereiht an der Ufermauer an, während ein kleiner Trupp von Landgängern den Rest der Gruppe im Pendelverkehr mit den gefrorenen Köstlichkeiten versorgt. So gestärkt winkt nun aber doch der Campingplatz mit der großen Wiese und in individuellem Tempo, mal mit kräftigem Wirbel am Paddel, mal geruhsam dahingleitend streben wir alle unseren Zelten entgegen.
Die Zeit nach dem Abendessen verbringen wir noch bis in die späte Dämmerung hinein am Feuerkorb bei einem Glas Wein und Erzählungen aus der mittlerweile doch schon langen Geschichte unserer Fahrtenerlebnisse.

"Dazu gibt es reichlich Wasservögel zu beobachten und am Himmel ziehen weiße Schäfchenwolken über einen blauen Frühsommerhimmel."

Nicht die wohlige Wärme der Morgensonne, sondern das leise und stetige Tropfen eines Landregens weckt uns am nächsten Morgen. Wir verlegen das Frühstück kurzerhand unter den Planenvorbau eines Wohnanhängers und beschließen dann, das Ende des Regens beim Kartenspiel im VW-Bus abzuwarten. Auch die anderen Fahrtenteilnehmer lassen es zunächst sehr ruhig angehen, doch schon bald juckt es die ersten wieder in den Fingern und noch während die Regenwolken langsam abziehen, stechen die ersten Boote wieder in See. Diesmal ist der längere der beiden Rundkurse vorm Campingplatz an der Reihe und als wir Kartenspieler am frühen Nachmittag uns auch endlich zum Paddeln fertig machen, kommt die erste Gruppe schon wieder von ihrer Tour zurück. Kurzerhand legen wir uns zusammen und fahren die Runde, diesmal allerdings in entgegengesetzter Richtung, noch einmal.
Abwechslungsreich geht es mal durch schmale Verbindungsgräben, mal durch teichartige Verbreiterungen. Ein kleiner aufgeschütteter Hügel, mit Gras bewachsen und von Bäumen frei, ermöglicht einen Rundumblick über diese zwar künstliche, aber doch recht naturnah gestaltete Landschaft. Dazu gibt es reichlich Wasservögel zu beobachten und am Himmel ziehen weiße Schäfchenwolken über einen blauen Frühsommerhimmel. Ich hänge, zusammen mit zwei nachfolgenden Mitgliedern, noch eine kleine Kundfahrt an. Die aus dem Internet heruntergeladene Karte von Kanurouten rund um Delft zeigte eine Möglichkeit einer noch größeren Kanurunde an, allerdings möglicherweise durch die Baustelle einer neuen Autobahn unterbrochen. So gleiten wir flott am Stock ziehend durch saftige Wiesen und werden Zeuge einer nicht gerade freundlichen Auseinandersetzung zwischen Schwan und Milchkuh, wobei der Schwan dank größerer Beweglichkeit letztendlich doch den Territorialbestrebungen des Rindviehs nachgibt. Die ganz große Runde heben wir uns wegen der noch im Bau befindlichen Autobahn für zukünftige Fahrtenplanungen auf.


Leckere indonesische Reistafel

Abends beschließen wir den Tag bei einer indonesischen Reistafel in einem Restaurant der Innenstadt. Dank der niederländischen Kolonialgeschichte sind indonesische Restaurants hier durchaus häufiger anzutreffen und dank meiner eigenen Auslandstätigkeiten unter anderem in Indonesien freute ich mich sehr auf ein Wiedersehen mit den zu erwartenden Köstlichkeiten. Die teilweise doch

   Abtswoudsebos.

etwas exotisch anmutenden Beilagen wurden von einigen Teilnehmern zunächst recht kritisch beäugt, wenn man aber offen für neue Geschmackserlebnisse an die Sache herangeht, kann man dabei recht leckere Erfahrungen machen.
Da meine innere Uhr mich eher früh aus dem Schlafsack treibt, begebe ich mich am letzten Morgen auf eine stille Tour in der Morgensonne, nur von Marion begleitet, die es ebenfalls nicht länger im Zelt ausgehalten hat. Ohne einen Laut, nur vom leisen Wellenschlag des Kajaks und einzelnen vom Paddel fallenden Tropfen begleitet, begeben wir uns noch einmal auf eine Runde vorm Zeltplatz. Langsam erwacht das Vogelleben im Uferschilf, Blesshühner bahnen sich raschelnd einen Weg durch das Pflanzendickicht und an Land lässt sich schon mal eine Amsel etwas lauter über den neuen Tag aus. Nochmals blicken wir vom Aussichtshügel auf dieses kleine Naturparadies und finden bei unserer Rückkehr zum Zeltplatz den Rest der Mannschaft beim allmählichen Aufstehen und Frühstücksvorbereitungen vor.
Auch wir stärken uns nun erst einmal, dann heißt es die Boote zu verladen, die Zeltausrüstung zu verpacken und Abschied nehmen von diesem sehr zu empfehlenden Flecken. Mit seiner nahezu idealen Lage bietet sich der Zeltplatz Delflandhoeve als perfekter Ausgangspunkt für Kanutouren in die Stadt Delft und durch das landwirtschaftlich geprägte Umland an. Bei mehr verfügbarer Zeit könnte man problemlos eine Woche mit immer wieder neuen Entdeckungen auf dem Wasser oder zu Land verbringen. Dann würde sich auch die doch recht weite Anfahrt umso mehr lohnen

 

   

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

DKV-Hinweis zum Tragen von Schwimmwesten

WICHTIG: Der Deutsche Kanu-Verband weist aufgrund zahlreicher Kanuunfälle eindringlich alle Paddler :innen auf die Notwendigkeit von Schwimmwesten hin.

Weitere Infos: www.kanu.de

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU SPORT 11/2016:

KANU SPORT 11/2016
Weitere Infos zum Heft und E-Book

 



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