Portrait - Sabrina Hering-Pradler

Interview mit Sabrina Hering-Pradler vor der Abreise nach Japan

„Gewinnen beginnt im Kopf“

ein Portrait von Lea Löffler (Dez. 2020)
Foto: Thomas Lohnes

Wir fiebern mit ihnen mit, feuern sie an und sind große Fans: unsere Nationalteams. Über die Sportlerinnen und Sportler wissen wir jedoch meist wenig, fernab vom Sport. Jeden Monat stellt die KANU-SPORT einen Kanuten oder eine Kanutin aus dem Rennsport oder Slalom vor. Diesen Monat gibt uns Sabrina Hering-Pradler einen Einblick in ihr Leben.

Sabrina Hering-Pradler kam mit 11 Jahren zum Kanu. Zu der Zeit wusste sie natürlich nicht gleich, dass sie den Sport auch mal beruflich machen wird. Sie kam aus dem Schwimmsport und entschied sich für den Rennsport, weil es ihr in der Schwimmhalle zu stickig und warm war.

Bisher hat sie die Entscheidung nicht bereut, auch ihre Erfolge sprechen für die Hannoveranerin. Schon als Juniorin wurde sie Europameisterin und Weltmeisterin im K2. In den Jahren 2013 und 2014 fuhr Hering-Pradler für Karlsruhe, dort wollte sie ein Tief überwinden, welches zum Übergang in die Leistungsklasse entstanden war. Anschließend ging sie nach Hannover zurück, wo sie noch heute lebt. In der U23 stand sie dann gleich sechs Mal mit ihren Kolleginnen auf dem höchsten Platz des Podestes bei Europa- und Weltmeisterschaften. Spätestens dann war allen bewusst, dass das Tief überwunden war. In Mannschaftsbooten der Leistungsklasse fuhr Hering-Pradler mehrfach Medaillen bei EMs und WMs ein.

Foto: Camera 4 Thonfeld

Der Podiumsplatz bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio im K4 belohnte die jahrelange, harte Arbeit zusätzlich. Im Boot mit Tina Dietze, Steffi Kriegerstein und Franziska Weber (John) fuhr die Hannoveranerin auf den Silberrang. Das bisher beste Ergebnis ihrer Karriere wurde gleich noch durch ein anderes Highlight perfektioniert. Kurz nach dem Rennen machte Paul, Sabrinas damaliger Freund, ihr einen Heiratsantrag. In einem Interview kurz nach dem Antrag beteuerte sie augenzwinkernd, dass sie nur wegen der jodelnden Menge „JA“ gesagt hätte. Auch Paul war lange Kanute, die beiden kennen sich vom Landesstützpunkt.

Als Hering-Pradler nach der Hochzeit zum ersten Mal mit dem neuen Namen bei einem Rennen aufgerufen wurde, war das ein besonderer Moment. „Ich habe ja einen Doppelnamen und somit ist die Herausforderung groß, dass der Name dann richtig ausgesprochen wird. Es war zwar ein komisches Gefühl, dass nach dem Hering dann noch ein Pradler kam, aber eigentlich ein sehr gutes.“

Ausbildung bei VW

Foto: privat

Besonders ihre Eltern wollten, dass sie erstmal eine zivile Ausbildung macht, bevor sie danach zur Bundeswehr-Sportfördergruppe geht. Eine erste Lehre zur Sport- und Fitnesskauffrau hatte sie nicht beendet. „Ich habe die Ausbildung abgebrochen, weil es mir nicht so viel Spaß gemacht hat. Und in der Ausbildung stand ich dann auch eigentlich nur hinterm Tresen und habe Kaffee oder Milchshakes ausgegeben.“

Im Anschluss machte sie eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation bei Volkswagen. Ein spezielles Modell für Sportlerinnen gab es während der Ausbildung bei Volkswagen nicht. Die dreijährige Doppelbelastung, mit dem sehr hohen Trainingspensum neben der Ausbildung, war deshalb eine anstrengende Zeit.

Inzwischen arbeitet sie bei VW im Personalwesen. Die Stelle ist extra für Sportlerinnen und Sportler zugeschnitten, auch eine Judoka ist dort angestellt. Ein normaler Arbeitstag beginnt mit zwei Einheiten Training. Anschließend stehen rund 4 Stunden Arbeiten an, momentan aus dem Homeoffice. Als Tagesabschluss folgen zwei weitere Trainingseinheiten.

Im Nachhinein ist Hering-Pradler sehr froh über die Entscheidung, denn bei einer Verletzung könnte sie sofort bei VW in Vollzeit einsteigen. Zusätzlich wird die Hannoveranerin von der Deutschen Sporthilfe unterstützt, um ihrer aufwendigen Arbeit als Kanutin nachzukommen.

„Richtig schlimm sind für mich die Herbst und Wintermonate. Die sind richtig deprimierend, wenn es einfach nur dunkel und kalt ist. Heute Morgen habe ich mir nur gewünscht, dass jemand draußen die Heizung anstellt,“ gibt Hering-Pradler ihre Momente preis, in denen auch sie mal mehr Überwindung zum Trainieren benötigt. Ihre Trainingspartner und ihren Trainer Jan Francik, der sie schon seit 2003 trainiert, sind in solchen Momenten besonders wichtig.

Vorbild Franziska John

Foto: Ute Freise

Schon damals hatte die Sportlerin ein klares Vorbild: Franziska Weber (heute John). „Ich wollte immer sein wie sie und fand es auch immer toll was sie schon damals, als ich 14 Jahre alt war, geleistet hat. Da war ich das erste Mal in der Nationalmannschaft,“ meint die 28-Jährige. Als die beiden Frauen dann das erste Mal zur selben Zeit zur Nationalmannschaft gehörten, stand der Konkurrenzkampf zwischen ihnen.

Franziska Weber war natürlich nicht begeistert, dass die drei jähre jüngere Kollegin so nah an sie heran kam. 2016 realisierten beide, dass man nur voneinander profitieren kann. Daraus ist eine enge Freundschaft entstanden, die sich auch durch die erfolgreiche Teilnahme bei den Olympischen Spiele verfestigt hat.

Wenn Sabrina nicht arbeitete oder trainiert, dann trifft sie sich gerne mit ihrer Mutter oder besucht ihre Oma. Während des Interviews winkt auch ihr Mann Paul fröhlich in die Kamera, ebenso die braune Katze namens Törtchen. Als fröhliche und optimistische Person, lacht die 28 Jährige oft, wenn sie erzählt.

Erste Erfahrungen in Tokio

Foto: Thomas Lohnes

Momentan ist das Leben aller olympischen Sportler auf die Spiele im nächsten Jahr ausgelegt. Beim Testevent 2019 hat die Nationalmannschaft die Stadt Tokio und die Strecke bereits kennengelernt. Die spannendste Begegnung mit der Kultur hatte das Team hier in einem Restaurant. „Wir waren in einer kleinen Gasse, in Deutschland hätten wir uns da wahrscheinlich nie reingetraut. Da gab es extrem gutes Sushi, das war unglaublich,“ berichtet Hering-Pradler. Beim nächsten Besuch in Japan, hoffentlich im Jahr 2021, möchten sie mit ihrem Mann auf einen Fischmarkt zu einer Tunfischauktion gehen. Hierfür würden sie auch um 3 Uhr morgens am Markt stehen. Auch auf der olympischen Regattastrecke hatte das deutsche Team eingängliche Erfahrung mit Fischen und Quallen. Besonders die fliegenden Fische, die gerne mal gegen die Bootswand springen, fand Sabrina Hering-Pradler beeindruckend.

Und der Plan B, wenn die Olympischen Spiele nicht stattfinden? Eine Babypause einlegen! Sabrina und ihr Mann wünschen sich ein Kind. Der Traum soll allerdings passend zur Saisonplanung in Erfüllung gehen. Kurz nach Tokio im nächsten Jahr soll es klappen mit dem Nachwuchs. Falls die Spiele ausfallen, wird der Plan eben vorgezogen.

Auch mit einem Kind will Sabrina im deutschen Team bleiben, denn die Spiele in Paris 2024 möchte sie in jedem Fall noch mitmachen. Ihr sportliches Lebensziel ist es, eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zu gewinnen. Auch für die Spiele in Tokio hat sich die Kanutin als Ziel gesetzt, mit einer Medaille nach Hause zu kommen, die Chancen hierfür schätzt sie realistisch ein:

„Wir Frauen sind schon ein starkes Team und ich denke, dass wir das gemeinsam auch schaffen werden, die anderen ein Bisschen zu ärgern. Aber natürlich gehört da auch eine Portion Glück mit dazu,“ schätz die Hannoveranerin die Lage ein.

Abschließend benennt Sabrina Hering-Pradler ihre Lebensmottos, die sie jeden Tag motivieren: „What doesn´t kill you, makes you stronger“ und „Gewinnen beginnt im Kopf.“ Drücken wir die Daumen, dass sie ihre Babypause erst nach erfolgreichen Spielen in Japan einlegen darf.

Foto: Finn Eidam

Bunte Fragen rund um den Sport

Seit wann paddelst du schon? 

18 Jahren

 

Wie bist du zum Kanusport gekommen? 

Durch meinen Papa

 

In welchem Verein und auf welchem Gewässer hast du das Paddeln erlernt? 

Verein s.o. auf dem Maschsee 

 

Mit wem wolltest du schon immer mal K2/C2 fahren? 

Mit Ronny, der Wunsch wurde mir 2019 schon erfüllt

Foto: Finn Eidam

Fragen zum Wettkampf

Auf welcher Regattastrecke bestreitest du am liebsten ein Rennen? Warum? 

In Duisburg, weil es immer schön ist vor den heimischen Fans zu paddeln.

 

Welcher Rennabschnitt (Start, Mittelstück, Endspurt) gefällt dir am liebsten? Warum? 

Den Start, da denkt man noch nicht so über die Schmerzen nach.

 

Welche Disziplin fährst du am liebsten? (z.B. K2 500m)

K2 500m

 

Wie bereitest du dich auf ein Rennen vor? Hast du Rituale? Wenn ja, welche?

Ich höre Musik und versuche innerlich das Rennen schon einmal durch zu gehen. Am liebsten lenke ich mich aber ab, indem ich andere Rennen gucke. Aber als erstes muss ich mein Streichelzoo (Glücksbringer) ans Boot hängen.

Foto: Finn Eidam

Fragen zu Olympia

Dein Ziel in Tokio?

Bestmögliche Rennen fahren und die etwas andere Atmosphäre genießen 

 

Wer wird dein/euer stärkster Konkurrent im Kampf um die Medaillen sein?

Der innere Schweinehund, der Mann mit dem Hammer, natürlich auch Ungarn, Neuseeland und Weißrussland 

 

Wie würdest du einen Olympiasieg feiern? 

Ich würde zuhause mit Freunden und Familie ausgiebig feiern

 

Auf was freust du dich in Japan am meisten? 

Auf schöne Rennen

 

Was erwartest du von den Olympischen Spielen in Tokio?

Große Erwartungen habe ich nicht, ich bin einfach nur froh das die Spiele stattfinden.

Foto: Thomas Lohnes

Fragen zum Training

War die Verschiebung der Olympischen Spiele für dich eher ein Vor- oder Nachteil? Erkläre bitte kurz warum.

Es war ein Vorteil für mich. Ich hatte ein Jahr länger Zeit an meinen Schwächen zu arbeiten und hoffe das ich stärker bei rausgekommen bin.

 

Was ist deine Lieblingstrainingseinheit in der Wettkampfvorbereitung?

die Pause ;)

 

Zu welcher Tageszeit trainierst du am liebsten und warum?

Nachmittags, ich bin kein früher Vogel

 

Was darf im Training für dich persönlich nicht fehlen?

Der Spaß und gute Trainingspartner

Foto: Thomas Lohnes

Persönliche Fragen

Was ist deine größte persönliche Veränderung seit 2016? 

Ich habe geheiratet.  Musste aber auch lernen mit vielen Niederschlägen umzugehen 

 

Was ist dein emotionalster sportlicher Moment?

die Silbermedaille in Rio 2016

 

 

Was ist deine bitterste sportliche Erfahrung?

Ich bin als Schülerin bei der norddeutschen Meisterschaft reingefallen und war somit nicht, als Favoritin, für die deutsche Meisterschaft qualifiziert. Damals hat mir eine andere Sportlerin ihren Startplatz abgetreten.

 

Welche Pläne hast du für die Zeit nach den Olympischen Spielen?

Nach den olympischen Versuche ich erstmal wieder Kraft und Energie zu sammeln. Natürlich beginnt für mich auch wieder die Zeit ins Berufsleben einzusteigen.

 

Wen würdest du nach einem Olympiasieg als Erstes anrufen?

Meine Familie 

 

Wie verarbeitest du eine Niederlage? 

ich setze mich in die Ecke und heule, dann suche ich jemanden der mit mir darüber redet.

 

Fragen zum Material

Bootsmarke/Bootstyp: Nelo/Cinco

 

Paddelmarke/Paddeltyp: GPower Ultralight


Sabrina Hering


 

Persönliche Daten

Geburtsdatum 16.02.1992
Geburtsort Gehrden
Wohnort Hemmingen
Bootsklasse Kajak
Kanusport seit 2003
Beruf Kauffrau für Bürokommunikation
Verein HKC Hannover
Coach Francik, Jan + Kober, Lars
  

Im Internet

 

Im Kurzportrait

  

Sportliche Erfolge

OS: - / 1x Silber / -
WM: 1 x Gold / 1x Silber / 1x Bronze
EM: - / 1x Silber / 3x Bronze
U23 WM: 3x Gold / 1x Silber / -
U23 EM: 3x Gold / 1x Silber / -
JWM: 1x Gold / 1x Silber / -
JEM: 1x Gold / 1x Silber / 1x Bronze
 

Auflistung der Erfolge

2021 OS: 5. K4 500m, 8. K2 500m, 10. K1 500m
2021 EM: 3. K1 5000m, 4. K2 500m, 5. K4 500m, 5. K2 200m
2019 WM: 6. K4 500m
2019 EG: 4. K4 500m
2018 EM: 6. K4 500m
2017 WM: 2. K4 500m; 4. K1 500m
2017 EM: 5. K4 500m
2016 OS: 2. K4 500m
2016 EM: 2. K2 500m, 3. K4 500m
2015 WM: 1. K2 1000m, 3. K2 200m
2015 U23 WM: 1. K2 500m
2014 WM: 5. K1 Staffel 200m, 6. K2 500m
2014 EM: 3. K2 1000m
2014 U23 WM: 1. K2 500m
2014 U23 EM: 1. K2 1000, 1. K2 500m
2013 U23 WM: 1. K4 500m, 2. K2 500m
2013 WM: 14. K1 5000m
2011 U23 EM: 4. K2 500m
2010 JEM: 2. K1 200m, 3. K1 500m, 5. K4 500m
2009 JWM: 1. K2 500m
2008 JEM: 1. K2 500m
2007 JWM: 2. K2 500m
 
Zurück zur Liste