04.03.2022 | DKV / Verbände

Pressearbeit im Verband: Reichweitenorientierung versus Sportberichterstattung

Der Blick von Ricarda geht tief hinunter in das Ahrtal. Hinweg über die zahlreichen zerstörten Häuser und Brücken. Deutschlands erfolgreichste Kanu-Slalomfahrerin ist auf dem Rotweinwanderweg hoch über ihrem Ahrtal und sieht knapp drei Monate nach ihrer triumphalen Goldfahrt bei den Olympischen Spielen erstmals das Ausmaß der Zerstörung in ihrer Heimat.
Ricarda Funk im Ahrtal

Der Olympiasieg und das Hochwasser im Ahrtal fielen praktisch in die gleiche Zeit. So war es keine Überraschung, dass die erste Goldmedaille für Deutschland nicht nur im sportlichen Kontext durch die Medien ging, sondern fast ständig mit dieser tragischen Geschichte verbunden wurde. Im Fall von Ricarda Funk konnte man dem etwas Positives abgewinnen, da die 29-jährige Kajakfahrerin auf die Not der Menschen aufmerksam machen konnte, Spenden akquirierte und mit dieser Plattform auf die furchtbare Situation aufmerksam machen konnte. Der extrem hohe sportliche Wert ihrer Leistung geriet allerdings in den Hintergrund.

Wie so oft im Sport! Die Medien lieben es, eine sportliche Leistung oder einen erfolgreichen Athleten im optimalsten Fall mit tragischen oder negativen Geschichten zu verbinden. Die Emotionen sollen beim Leser geweckt werden. Das generiert die maximale Reichweite. Nur steht das „Mitfreuen“ des Rezipienten eher selten als Ziel der Medien. Viel besser funktionieren Geschichten, bei denen man mitfühlt oder sich mitärgert. Die Zeitungen, Mediatheken und Social-Media-Kanäle sind voll von diesen Beispielen. 


Wie sollte der Kanusport agieren?

Im Verband und auch im Verein stellt sich daher die Frage, wie man mit dieser Kenntnis und Strategie der Medien außerhalb des Sports umgeht. Im Kanusport, so wie in den meisten anderen Sportarten auch, sind die Vereine und der Verband nicht nur Produzent der Veranstaltungen, sondern auch Produzent der Presseinhalte. Tritt man daher als Boulevard-Medium auf und versucht Themen geschickt in den Medien zu platzieren? Oder positioniert man sich als neutraler Berichterstatter und lässt somit die externen Medien diese „Aha-Meldungen“ produzieren? Die Frage wurde bereits x-Fach in den Gremien des DKV diskutiert.  

Zusammengefasst lassen sich der Thematik vier Perspektiven ableiten. Beim Forcieren von „Negativ-Inhalten“ hat man die Chance (1) enorme Reichweiten zu produzieren, aber das Risiko (2) verbands-, vereins- oder personenschädigend aufzutreten. Bei einer neutralen Berichterstattung hat man die Chance (3) fortwährend als seriöser Informant wahrgenommen zu werden, aber das permanente Risiko (4) in die Bedeutungslosigkeit abzudriften.  

Es gibt daher keine wirklich gute Antwort auf diese Frage. Für den Deutschen Kanu-Verband als Berichterstatter und auch für die Landesverbände und Vereine lässt sich aber ein wenig Honig aus dieser Erkenntnis ziehen. Der sportliche Erfolg ist in den Medien nicht der Garant für eine Meldung. Man sollte zwar nicht so weit gehen und den Erfolg als zweitranging abstempeln, sich aber trotzdem bewusst machen, dass es um Menschen geht, die eine Geschichte zu erzählen haben. Soziale Aspekte sind heutzutage wichtiger denn je. 

Ricarda Funk machte im Sommer 2021 das Beste aus der gesamten Situation. Sie schaffte es sogar, die sportliche Komponente nicht zu vernachlässigen, was nebenbei auch noch ein enormes Risiko darstellt. Die Olympiasiegerin paddelte einen Monat später bei den Weltmeisterschaften erneut zur Goldmedaille – ein pandemiebedingter historischer Sieg, da die Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften normalerweise nicht im gleichen Jahr ausgetragen werden.

Parallel dazu engagierte sie sich in einem Kraftakt für ihre Heimat. Sie nutzte die neue Berühmtheit, erzählte ihre Geschichte,  trat immer wieder als Botschafterin des Ahrtals auf und konnte so  viele Menschen unterstützen. Chance genutzt!
 

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