28.07.2021 | Thomas Konietzko Blog

Ricarda, am Ziel ihrer Träume

#tokoblog (5): Die Hände zittern noch beim Schreiben. Da ist es, das erste Gold bei diesen Spielen für den DKV und für das gesamte Team Deutschland. Ricarda Funk, die kompletteste Sportlerin in diesem Feld, hat es geholt.
Ricarda Funk ist Olympiasiegerin

Sie war seit 2012 immer nah am Olympiastart dran. 2012 verpasste Ricarda in der nationalen Qualifikation von Jasmin Schornberg geschlagen und 2016 von Melanie Pfeifer zweimal die Olympiateilnahme knapp. 

Endlich, schon 2019 hat sie sich souverän für die Spiele qualifiziert. Wir wussten im Vorfeld, dass ihr alles zuzutrauen war. Jessica Fox und Ricarda dominierten in den letzten Jahren mit ihrer Art zu paddeln, mit ihrer Leichtigkeit, über das Wasser zu fliegen, diese Disziplin. Sie haben beide damit nicht immer gewonnen. Das ist so im Kanu-Slalom. Aber alle ihre Wettbewerber wussten, dass, wenn beide die Nerven behalten, sie nicht zu schlagen sind und Gold und Silber unter sich ausmachen. Das war auch meine Prognose vor dem Rennen. Entweder holt Ricarda Gold oder Silber oder riskiert zuviel und fährt am Podest vorbei.

Noch eine Stunde bis zum Start. Ricarda war alleine im Team-Zelt. Alle haben sie in Ruhe gelassen. Danach Streckenbegehung mit ihrem Trainer. Ricarda 20 m vor Thomas. Wenn sie stehen blieb, hatte sie eine Frage und brauchte Rat. Thomas schloss auf, und sie besprachen die richtige Linie und weiter gings zum nächsten Tor.

Schon gestern bei den Herren haben wir gesehen, dass solide Läufe reichen und bei Olympia die Nerven entscheiden. Wir wussten, dass dies heute genauso sein kann. Nicht zu viel Risiko. Solide ohne Fehler runterkommen kann schon für eine Medaille reichen. Und es hat bei Ricarda für Gold gereicht!!! Sie war am Ziel ihrer Träume.

Aber zurück zum Anfang heute. Im Halbfinale wollte es Ricarda wissen. Sie ist volles Risiko gegangen und hat zwei Mal berührt. Trotzdem mit vier Strafsekunden noch der dritte Platz, auch wenn allen zwischendurch schon der Atem stockte, ob es wohl mit zwei Fehlern noch reicht. Besonders im unteren Abschnitt hat sie gezeigt, wie viel man hier noch rausholen kann. Wie hoch der Druck war, zeigte sich schon bei den Ergebnissen im Halbfinale. Die Tschechin raus, die Französin raus, die Brasilianerin raus und schon drei potentielle Medaillenkandidaten weniger.
Im Finale lieferte die Polin einen soliden Lauf mit Ecken und einer Berührung. Trotzdem waren die nächsten vier langsamer. Wie gestern waren die Zeiten im Finale nicht wie üblich schneller. Dann kam die amtierende Olympiasiegerin aus Spanien und hat nur wenig Fehler gemacht. Nicht wirklich perfekt, aber es reichte für die Führung.

Jetzt Ricarda – nur gut durch die ersten Tore kommen und Selbstsicherheit tanken. Ich kann mich noch an Läufe von ihr erinnern, wo sie gleich am ersten oder zweiten Tor berührte. Das Trainerteam, der Sportdirektor, die Betreuer standen wie versteinert am Ufer. Keiner sagte ein Wort. Nur Thomas Apel, ihr Trainer, ging auf und ab und verfolgte das Rennen in Bewegung. Kurzer "Stecker", an welchem Tor auch immer, so genau haben wir gar nicht mehr geschaut, kaum Zeit gekostet und jetzt durch die letzten Tore, die so vielen noch zum Verhängnis geworden sind. Plötzlich fing neben uns der Cheftrainer Klaus Pohlen an zu schreien, Thomas Apel stimmte mit ein – und jetzt powern – half Ricarda vielleicht noch das Letzte auf den letzten Metern rauszuholen. Clear Run, solide, sauber und mit weniger Fehlern als die Konkurrenz. Alles, was man bei Olympia braucht, um erfolgreich zu sein, und im Ziel ein Freudenschrei von Ricarda. Bronze war sicher. Die Slowakin kam. Sie hatte schon Probleme oben. Rückstand bei der Zwischenzeit. Sie war weiter weg vom Tor als Ricarda und patzte im unteren Bereich. Silber war sicher. Jetzt Jessy Fox, die große Favoritin, die mit einem Traumlauf im Halbfinale ihre Favoritenrolle untermauerte. Zweimal bei Olympischen Spielen war sie die große Favoritin und es reichte am Ende nie für Gold. Sie hat mitbekommen, dass Ricarda einen soliden Lauf runtergebracht hat. Ganz Australien schaut auf diese Sportlerin. Also Druck pur für Jessica.

Guter Start von ihr, Berührung schon im oberen Bereich und trotzdem bei der Zwischenzeit noch fast eine Sekunde vor Ricarda. Jetzt doch ungewohnte Unsicherheiten, kurzer Wackler, weitere Wege, das sah schon nicht mehr souverän aus. Und dann am letzten Aufwärtstor die Berührung. Deutschland hatte Gold.

   

Und jetzt begann für Ricarda der schwerste Teil des Tages. Gemeinsames Bad der Medaillengewinner, dann lange Umarmung zwischen Thomas Apel und Ricarda und dann musste Thomas baden gehen. Journalistentrauben und dazwischen eine vollkommen ruhige Ricarda. Siegerehrung ohne Tränen. Vielleicht hat sie es noch gar nicht realisiert und dann fiel der Druck von ihr ab. Erinnerung an ihren Trainer und Vertrauten Stefan Henze. Jetzt mit vielen Tränen in den Augen. Weiter zu Eurosport, ARD, ZDF, Olympic Channel, schnell noch ein Interview für einen australischen Sender und dann ab in das ZDF-Studio. 

Thomas Apel, der sich sonst immer dezent im Hintergrund aufhält, musste jetzt auch zum Interview. Man sah ihm an, dass er daran nicht wirklich Spaß hat und sich lieber in eine Ecke verziehen wollte, um diesen Erfolg zu realisieren.  

In der Zwischenzeit konnte ich Ricardas Eltern erreichen und dem Papa gratulieren. Er hat dabei auch an seinen und die Vereine, die vom Hochwasser betroffen sind, erinnert und wir konnten diese Information mit dem Hinweis auf unser Spendenkonto unterbringen. Das war genau das, was die Presse brauchte, und so stürzte sich Bild und Welt gleich auf Torsten Funk. Er musste wohl in der Heimat ähnlich viele Interviews absolvieren wie Ricarda hier.
Da waren die Augsburger, die wieder gemeinsam vor dem Fernseher gesessen haben, wahrscheinlich schon etwas "angetütert". Es sei ihnen, mit Neid vom alkoholfreien Japan (zumindest für uns), gegönnt.

 

Eine der Frage,n die immer wieder von Journalisten kam war, warum unser Verband so lange so erfolgreich ist. Ganz einfach, weil wir so viele engagierte (positiv verrückte) Mitstreiter in unseren Vereinen haben, die vom Schatzmeister bis zum Übungsleiter für unseren Sport brennen und immer wieder Kinder begeistern. Danke an alle in unseren Vereinen und Stützpunkten, die alle ihren Anteil am Erfolg haben, und ich glaube wir alle, die wir Mitglied im DKV sind, können stolz sein.

Der letzte der Mohikaner, der gestern ins Bett kam, war unser Presseverantwortlicher Phillipp Reichenbach. Er musste all die Anfragen koordinieren, Ricarda in das ZDF-Studio begleiten und saß gegen 0.30 Uhr immer noch im Bus zurück in sein Hotel. 

Das eine ist es, als Verband erfolgreich zu sein, aber genauso wichtig, diesen Erfolg zu verkaufen. Deshalb arbeitet ein eingespieltes Team hinter den Kulissen hier und in der Heimat eng mit Phillipp zusammen, um alle Kanäle zu bedienen und alles zu koordinieren. Oliver Strubel sitzt in Duisburg und koordiniert, Uta Büttner in Leipzig bedient die Social-Media-Kanäle und jeder springt für den anderen ein, wenn es Arbeit gibt oder Anfragen kommen.

Klappt wirklich gut und war gestern besonders stressig.

Heute sollte ein entspannter Tag werden. Bei den Vorläufen scheiden lediglich drei Canadier Damen und vier Kajak Herren aus. Das sollte für unsere beiden Starter kein Problem sein. 12.50 Uhr geht es mit dem ersten Lauf im C1 los, 13.50 Uhr im K1; 15.00 Uhr der zweite Lauf im C1 und das Programm endet 16.00 Uhr mit dem zweiten Lauf im K1.

Unsere Rennsportler sind in Naka angekommen. Bereits vor vier Jahren haben die Organisatoren versucht, Kontakte zwischen Verbänden und japanischen Gemeinden zu vermitteln, um im Vorfeld der Spiele Trainingslager zu organisieren. Wir haben uns für Naka entschieden, weil es dort bereits bestehende Beziehungen zwischen dem Landes-Kanu-Verband Niedersachsen und der Region gab und die Niedersachsen dort schon Trainingslager durchgeführt haben. Vor zwei Jahren war unsere Nationalmannschaft das erste Mal dort und sie fühlten sich wie Popstars. Die gesamte Region war auf den Beinen, um die deutschen Kanuten zu begrüßen. 

Gäbe es nicht Cororna, wäre der Aufenthalt unseres Teams dort wahrscheinlich zu einem großen Happening geworden. Hat nicht sollen sein, und trotzdem habe viele an der Straße gestanden und unserem Team bei der Ankunft zugewunken. Überall hingen Plakate, die unser Team in Naka begrüßten.
 

  
 
 

Alles läuft hier in Tokio. Feiert schön unsere Erfolge und teilt fleißig alle Nachrichten auf allen Kanälen. Gestern hat uns das IOC nochmals deutlich gemacht, wie wichtig der Traffic auf sozialen Medien für die Bewertung einer Sportart im olympischen Programm ist.

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