Sebastian Brendel ist einer von rund rund 100 Athleten, die
an diesem Sonntag zum Champion des Jahres, der Event-Woche für
Deutschlands beste Athleten eines Jahres, aufbrechen. Vor der
Abreise hat der Potsdamer Kanute, der im vergangenen Jahr von
den sporthilfe-geförderten Athleten zum Champion des Jahres
gewählt wurde, Rede und Antwort gestanden.
Zwei Jahrzehnte knieend im Canadier – ist in der
ganzen Zeit nie Lust auf was Neues aufgekommen?
Da die letzten Jahre im Canadier so gut liefen, habe ich mir
darüber in der Vergangenheit nicht viele Gedanken gemacht. Es
gibt aber natürlich Sportarten, die mich durchaus reizen und
die ich auch gerne mal probieren würde. In der
Olympiavorbereitung hat mir da immer die Zeit gefehlt.
Was treibt einen noch an, wenn man Olympiasieger,
Welt,- und Europameister geworden ist?
Die Frage habe ich mir auch schon des Öfteren gestellt. In
einem sportlich fairen Wettkampf zu gewinnen, ist einfach ein
tolles Gefühl. Der Moment, in dem man die Medaille um den Hals
gehängt bekommt und eventuell noch die Nationalhymne gespielt
wird, ist Belohnung für die vielen Trainingsstunden. Sich immer
wieder zu beweisen, der Beste in seiner Sportart zu sein, ist
mein Antrieb.
Die Gefahr, dass Du Dich zu sicher fühlen und Dich
nicht mehr quälen könntest, hat augenscheinlich nie
bestanden?
In Potsdam haben wir eine Trainingsgruppe mit sehr hohem
Niveau. Wir pushen uns dort gegenseitig und so wird die eine
oder andere Einheit auch mal zum internen Wettkampf.
Vor einem Jahr bist Du von anderen Weltklasse-Athleten
zum „Champion des Jahres“ gewählt worden – welche Bedeutung hat
diese Auszeichnung in der großen Titel- und
Medaillen-Sammlung?
Die Woche beim Champion des Jahres allein ist schon etwas ganz
besonderes und eine tolle Auszeichnung für uns Sportler. Am
Ende der Woche die Wahl zu gewinnen, ist wie ein Ritterschlag.
Entscheidend für mich dabei ist, dass der Champion von
Sportlern gewählt wird, die alle auf dem gleichen Niveau sind
und so erbrachte Leistungen sehr gut einschätzen und
nachvollziehen können.
Ist das Gefühl von Olympia in Rio wieder so gewesen
wie erwartet oder erhofft?
Olympische Spiele sind immer etwas ganz besonderes. Nach den
Spielen in London waren die Erwartungen bzw. Maßstäbe natürlich
ziemlich hoch, aber wenn man mit zwei Goldmedaillen nach Hause
fährt, dann behält man vor allem die schönen Dinge. Auch wenn
nicht immer alles toll war, wie etwa das Ausbuhen der Sportler
anderer Nationen, so waren es dennoch gelungene Spiele. Das
eine waren europäische Spiele und in Rio eben südamerikanische,
und beide hatten ihre eigenen Reize.
Doppel-Gold im Einer und im Zweier, unterscheidest Du
diese Rennen oder zählt am Ende jeder Sieg
gleich?
Die Medaillen sind natürlich beide Gold, trotzdem gibt es
einen Unterschied. Der Einer ist das, was ich unbedingt wollte,
worauf ich mich die letzten Jahre zu 100 Prozent konzentriert
habe. Dementsprechend hoch waren natürlich auch der Druck und
die Erwartung an mich. Der Einer ist für mich die
Königsdisziplin. Da der C2 ganz kurzfristig zustande
gekommen ist und wir in Rio erst unseren zweiten Wettkampf
hatten, war es auch für uns schwer einzuschätzen, was wir
wirklich drauf haben. Dass es zu Gold reicht, hätten wir nie im
Leben gedacht. Umso schöner war es dann natürlich, in Rio noch
mal ganz oben auf dem Treppchen stehen zu können.
Schauen wir noch mal kurz auf einen Umstand, der Dich
sehr geärgert hat – was Du auch auf facebook ganz deutlich
gemacht hast: der Dopingfall des ursprünglich Drittplatzierten
im Canadier-Einer. Was bedeuten solche Vorfälle für Kanu, aber
auch für den Spitzensport insgesamt?
Doping schadet nicht nur den Sportlern, sondern auch dem Sport
insgesamt. Im Vorfeld gab es ja kaum einen Tag, wo das Thema
Doping im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen nicht
erwähnt wurde. Der Sport verliert dadurch seine
Glaubwürdigkeit, was dann natürlich auch auf die Sportler
zurückfällt, die sauber sind und mit Doping nichts am Hut
haben. Spitzenleistungen werden immer häufiger in Frage
gestellt und die Anerkennung schwindet dahin.
Ist die Abschreckung für mögliche Doper groß
genug?
Anscheinend nicht!
Du bist als Familienvater zumindest im engen Umfeld
ein Vorbild – siehst Du Dich als Beispiel oder gar Idol für
einen größeren Kreis?
Ich bin stolz darauf, als Vorbild wahrgenommen zu werden. Ob
man es will oder nicht, als Sportler, der Deutschland bei den
Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften repräsentiert, hat
man eine Vorbildfunktion. Ich finde es schön, wenn wir durch
unsere Leistung und unser Auftreten junge Menschen motivieren
können, sich auch zu bewegen und sportlich aktiv zu
werden.
Hat es Vorbilder für Dich gegeben, gibt es sie
vielleicht immer noch?
Vorbilder vielleicht nicht im klassischen Sinn. Aber wenn ich
jetzt zurück blicke, hat Andreas Dittmer durch seine
Einstellung im Training dazu beigetragen, dass ich ein so hohes
Niveau erreicht habe. Als ich mit dem Sport angefangen habe,
war Andreas Dittmer der beste Canadierfahrer. Die Trainer haben
davon geschwärmt, wie fleißig er im Training ist und dass er
sehr viel Grundlagentraining hat und so sein Weltklasseniveau
über viele Jahre halten konnte. Dass es zum Erfolg keinen Lift
gibt, sondern viel Trainingsfleiß erfordert, das hat sich bei
mir eingeprägt. Heute sagen viele Trainer ihren Sportlern über
mich, was sie mir früher von Andreas Dittmer erzählt
haben.
Du investierst viel Zeit, versuchst alles rauszuholen
– wer und was war und ist alles wichtig auf dem Weg zum
Erfolg?
Es ist schwer zu sagen, das ist wichtig und das nicht. Als
Sportler muss man immer wieder Hürden überwinden und auch
lernen mit Niederlagen umzugehen. Man kann es, glaube ich,
zusammenfassen und sagen, dass sowohl das sportliche, als auch
das familiäre Umfeld stimmen muss.
Wenn man einmal ganz oben auf dem Podest stand, möchte
man dieses Gefühl sicher immer wieder erleben. Du bist jetzt 28
Jahre alt. Hast Du schon daran gedacht, wo Du Deine besonderen
Herausforderungen und Erfolgsmomente nach der
Kanu-Karriere suchst? Man kann sich kaum vorstellen, dass einem
wie Dir der Alltag reicht?
Nach dem Sport werde ich die Erfolgsmomente meiner Kinder
genießen, die nicht unbedingt im Sport sein müssen. Auch im
ganz normalen Alltag wird es für sie immer wieder neue Dinge zu
entdecken und zu meistern geben, an denen wir uns dann
gemeinsam erfreuen können.
Als Bundespolizist hast Du eine gute Förderung – wie
siehst Du das Thema Athleten-Unterstützung insgesamt, das ist
ja während Rio immer wieder diskutiert worden und beschäftigt
viele auch weiter?
Die Sportförderung ist ein sehr komplexes System. Erfolge
werden nicht nur durch ehrgeizige Sportler geholt. Auch ein
solcher Athlet braucht ein gut funktionierendes Umfeld und das
reicht vom Trainer über den Bootsbauer bis zum
Physiotherapeuten. Nicht zu vergessen sind die Übungsleiter und
ehrenamtlichen Helfer, die im Nachwuchsbereich die Grundlagen
legen und ohne deren Einsatzbereitschaft der Sport in
Deutschland nicht funktioniert. Das sind alles wichtige Säulen
im System, und wenn eine davon wegbricht, dann funktioniert das
große Ganze nicht mehr. Soll heißen, auch hier muss es genügend
Unterstützung geben, denn Sport hat eine wichtige
gesellschaftliche Funktion.
Über den Champion des Jahres
Mit dem Champion des Jahres honoriert die Deutsche Sporthilfe
als Veranstalter die großartigen Erfolge deutscher Athleten.
Die Premium-Partner der Veranstaltung Deutsche Kreditbank,
Deutsche Lufthansa, ROBINSON, smart, die Zurich Versicherung
und die DFL Deutsche Fußball Liga als Premium-Partner der
Sporthilfe, sowie der Ausrüster adidas ermöglichen mit ihrem
Engagement dieses besondere Event für Deutschlands beste
Athleten.
Am kommenden Sonntag starten 97 der erfolgreichsten deutschen
Athleten der vergangenen zwölf Monate zum Champion des Jahres,
darunter 16 Olympiasieger von Rio. Die Event-Woche führt die
Teilnehmer in diesem Jahr in den Robinson Club Playa Granada in
Andalusien (Spanien). Höhepunkt der Veranstaltung ist die Wahl
zum Champion des Jahres 2016, bei der die Athleten aus ihrer
Mitte denjenigen wählen, der aus ihrer Sicht die
bemerkenswerteste Leistung im vergangenen Jahr vollbracht hat.
Die Nominierung erfolgt über ein bis kommenden Freitag
laufendes Online-Voting unter von der Sporthilfe geförderten
Athleten. Die fünf Nominierten werden am kommenden Montag
(26.09.) auf einer Eröffnungsgala bekannt gegeben. Die Wahl
selbst findet vor Ort unter den anwesenden Athleten statt. Der
Sieger wird auf einer Abschlussgala am 1. Oktober
verkündet.
BIld: Camera4 / Thonfeld