31. Juli 2024

Ursula Latus: Komm' lass uns ein Boot bauen

Bei den Bootsbaukursen von Ursula Latus müssen die Kursteilnehmer selber kräftig anpacken. (Foto: Privat)

Die Serie „Kanuten im Porträt“ widmet der KANU-SPORT den Freizeitpaddlerinnen und Leistungssportlern, den Autoren und Fotografinnen, den Herstellern und Veranstaltenden sowie dem ganz besonders gewöhnlichen Kanutinnen und Kanuten. In diesem Beitrag stellen wir Ursula Latus vor. Sie ist über Ihre Passion, dem Bootsbauen zu Ihrem Hobby gekommen – dem Kanufahren.


Anmerkung: Dieser Beitrag ist bereits im November 2016 im KANU-SPORT erschienen.

 

Ursula Latus testet das Ergebnis Ihrer Arbeit auch gerne selber.

Wenn Ursula Latus mal eine Auszeit von ihrem Beruf braucht, dann nimmt sie ihn einfach mit in den Urlaub. Genauer gesagt, das Ergebnis ihrer Arbeit. Denn die Diplom-Chemikerin beschäftigt sich mittlerweile statt mit Säuren und Laugen mit Glasfaserstreifen, Epoxidharz und den unterschiedlichsten Holzarten. Seit 20 Jahren ist sie gelernte Bootsbaumeisterin. Wenn sie nicht Takelagearbeiten auf die Kanaren oder nach Brasilien führen, baut sie im Kundenauftrag Decksaufbauten oder individuelle Boote nach Kundenwunsch und leitet Kurse, in denen ihre Kunden in einer bis drei Wochen ihr eigenes Boot bauen können. Gemeinsam mit den Teilnehmern testet die geschickte Handwerkerin die Holzcanadier- und Kajaks oder die kleinen Segelboote dann direkt vor der eigenen Haustür im Hafen von Peenemünde auf der Ostsee-Insel Usedom.


Das Meisterwerk ziert heute das Heck der „Dagmar Aaen“

Die selbstständige Bootsbauerin kommt ursprünglich aus Bayern, genauer gesagt vom Starnberger See. Obwohl sie direkt an einem Paddelrevier groß geworden ist, brauchte es erst den Beruf, damit sie zu ihrem Hobby fand. „Ich bin 1993 mit meiner Freundin zum Segeln gekommen und habe mit ihr gemeinsam den Segelschein gemacht“, erzählt Ursula Latus von ihrem ungewöhnlichen Berufsweg. Kurz darauf nahmen die Freundinnen an einer Chartertour auf einem historischen Segelschiff von Flensburg nach Ostende teil. Von den Erlebnissen fasziniert und angesteckt, buchte die damals 30-Jährige kurz darauf eine weitere Tour. Auf dem Schiff Anita ging es im Sommer 1994 von Sizilien nach Griechenland. „Ich war damals als Lehrkraft für Chemie und Physik selbstständig und hatte wenig zu tun. Daher heuerte ich auf dem Schiff an, um mir die Reise so finanzieren zu können“, erzählt Ursula Latus. Nach dem sechswöchigen Törn, der mit viel Arbeit auf und an dem Schiff verbunden war, stand für sie fest: „Ich werde Bootsbauerin.“ Schon im nächsten Jahr begann sie bei Bootsbau Welkisch in Berlin die Ausbildung. Nach deren Abschluss führte ihr Weg in die Navcon-Werft des Hamburger Bootsbaumeisters (und ihres späteren Ehemannes) Detlev Löll. Hier fertigte sie auch 2005 ihr Meisterstück an. „Meine Arbeit war ein geklinkertes Dinghi aus Eiche, das heute das Heck der „Dagmar Aaen“ ziert, dem bekannten Expeditionssegler von Arved Fuchs.“


Als Bootbaumeisterin hat man immer genug Aufträge

In den folgenden Jahren sammelte Ursula Latus reichlich Erfahrung in der Materie und in den Materialien. Und sie merkte schnell: als Bootsbauer muss man sich nicht um Auftragsmangel sorgen. Es folgten immer neue Deckaufbauten, Takelagearbeiten und Bootsbauten. Oder sie nutzte einen Geburtstag ihres Mannes, um für sich einen triftigen Grund zu haben, ein weiteres Boot bauen zu müssen. Ab 2006 kamen die Kanus „ins Geschäft“. „Ich hatte schon lange den Traum, mich selbstständig zu machen“, erzählt sie. „Als dann Peenemünde Maßnahmen für die maritime Rekultivierung des Hafens ergriff, habe ich meine Chance gesehen.“ Sie erwarb eine 300 m² große Halle mit 4.000 m² Gelände direkt am Wasser und gründete ihre Bootsbau- und Taklerschule „Boot-Workshop“.

"Der Innenausbau wird genau auf den späteren Besitzer angepasst."

„Unter meiner Anleitung können auch Laien ihr eigenes Holzboot bauen“, erklärt die Unternehmerin ihre Geschäftsidee. Das Angebot kommt sehr gut an. Besonders beliebt sind Canadier in Leistenbauweise und Sperrholz-Kajaks. Aber auch Dinghis, Jollen, Ruderboote, Paddel und mal ein SUP-Board standen schon auf der Wunschliste ihrer Kunden. Die Preise für ein 4,10 m Knickspanten-Kanu oder ein 2,20 m Sperrholz-Dinghi fangen bei 1.100 EUR an und gehen hoch bis 3.200 EUR für einen 5,50 m-Leistencanadier oder 3.900 EUR für eine Jolle. Dafür wird das Material gestellt und die Werkzeugbenutzung sowie die fachliche Unterstützung von Ursula Lauten ist inbegriffen. „Ich habe mich auf Kanus konzentriert, weil die eben in einer überschaubaren Zeit zu bauen sind“, erklärt Ursula Lauten ganz pragmatisch. Wie bereits gesagt – es war nicht die Leidenschaft für das Paddeln, weshalb sie speziell Bootsbaukurse für Kanus anbot, sondern sie fand erst über den Beruf sie zu ihrem neuen Hobby fand. 

Die 300m² große Halle am Peenemünder Hafen ist das Herz der 2006 gegründeten Bootsbauschule.

„Auch ein Laie kann sein eigenes Boot bauen.“

Bei den Workshops lässt die sie ihre Kursteilnehmer selber kräftig anpacken und steht mit ihrer ruhigen Art als Mentorin zur Seite. „Auch ein Laie kann sein eigenes Boot selber bauen. Das ist für ihn schon ein tolles Gefühl“, sagt die 53-Jährige. Neben dem ideellen Wert hat am Ende der Kunde ein Boot, das genau auf ihn und seine Bedürfnisse angepasst wurde. „Gerade beim Eigenbau arbeite ich nicht von der Stange“, sagt die Tüftlerin. Durch ihre Erfahrung und ihr abstraktes Denkvermögen passt sie die Standard-Baupläne an, die zu Anfang noch aus den USA, später aus der Feder von Ralph Hammer (www.wooden-watercraft.de), dem schwedischen Designer Björn Thomasson oder aus der eigenen Modellreihe vom Ingenieurbüro ihres Mannes stammen. „Es ist wichtig, dass man sich zunächst für eine Größe entscheidet, die zu einem passt“, erklärt Ursula Latus. Wenn dann nach den ersten Stunden zum Beispiel Bodenplatten, Seitenplatten, Schotten, Weger (Holzleisten, welche am oberen Rand des Bootes vom Bug bis zum Heck laufen), Decksbalken, Deck und Süll gefertigt und miteinander verbunden wurden, legt sie peniblen Wert auf den Innenausbau. „Der Sitz, die Halterungen und die Luke werden genau auf den Paddler angepasst, damit zum Beispiel der Hüftknick leicht funktioniert.“ Dabei hat sie immer ein Auge auf das Gewicht. „Meine Boote wiegen im Durchschnitt nur 15-20 Kilogramm“, sagt die erfahrene Bootsbauerin zufrieden. Kein Wunder, denn schließlich verwendet sie je nach Modell Glasfaserstreifen und spart auch mit der kontrollierten Verwendung von Epoxidharz Gewicht ein. „Im Ergebnis sind meine Boote wie ein maßgefertigter Schuh, der perfekt passt.“ Für einen Marathon-Fahrer hat sie auch einmal mit nur vier-Millimeter-Leisten (statt gewöhnlich sechs Millimeter) experimentiert und mit dem 60-Jährigen Kursteilnehmer ein 10 Kilogramm-Holz-Fliegengewicht gebaut.

   

 

Ein „Welpenpaddelkurs“ mit den Welpen der Hündin „Luna“ - natürlich stilecht im selbstgebauten Kanu.

Dank Glasfaser und Epoxidharz wiegen die Boote 15-20 Kilogramm

Der sportliche Paddler hat direkt mit seiner neuen Errungenschaft abends noch einen „kleinen Abstecher“ zum rund 15 km entfernten Wolgast gemacht. Da hat Ursula Latus abgewunken. Sie paddelt mittlerweile sehr gerne, ist regelmäßig auf Flüssen, Seen oder auch auf der Ostsee mit Freunden und Bekannten unterwegs. Verständlich, denn durch ihren Beruf besitzt sie mittlerweile 21 eigene Kanus. Allerdings kommt sie meist über diese gelegentliche Ausflüge nicht hinaus. Denn so sehr sie auch Gefallen an dem Sport gefunden hat, hier steht ihr Beruf ihr im Wege. „Durch meine Bootsbaukurse arbeite ich im Sommer oft drei bis sechs Wochen ohne Wochenende durch“. Leider deckt sich die arbeitsintensive Saison von Ursula Latus mit der in der Allgemeinheit üblichen Paddelsaison. „Eigentlich wäre ich die perfekte Winterpaddlerin“, meint die „Quasi-Berufspaddlerin“, denn schließlich testet sie mit, welche Bausätze sich für ihre Kurse optimal eignen. Aber dafür paddelt sie eigenen Aussagen nicht gut genug. „Und es ist einfach zu kalt.“


Die Bootsbauerin besitzt mittlerweile 21 eigene Kanus

Viel mehr reizen sie da „Spezialaufträge“ der Kajakfahrer, die sie nicht auf dem Wasser, wohl aber in ihrer geliebten Halle umsetzen kann. Für einen Seekajakfahrer baute sie zuletzt 2012 ein Brandungs-Surfkajak in Ultraleichtbauweise. Das aktuelle Projekt ist ein Grönlandkajak, Modell „Blackpearl“ nach den Plänen von Björn Thomasson, mit 5,80 Meter Länge und 11,5 Kilogramm Gewicht. Damit treibt sie immer wieder das Element Holz an sein Limit. „Echtes Wildwasser geht natürlich nicht“, sagt Ursula Latus. „Mit diesem Hybridboot hatten wir die Grenzen der Möglichkeiten von Holz in Verbindung mit Kunststoff erreicht.“ Die technischen Raffinessen eines Kajaks oder Canadiers reizen sie ohnehin mehr als der praktische Einsatz. Dazu kommen die interessanten Konstellationen ihrer Kunden. „Querbeet“, ist ihre erste Einschätzung ihrer Kursteilnehmer. Oft wird ihr Kurs verschenkt – sei es an Familienväter, Ehepaare oder Sportpaddler. Viele lernt sie auf Messen kennen, aber immer mehr finden „ungefragt“ den Weg nach Peenemünde. Mittlerweile hat sich die „Nachwuchs-Paddlerin“ in der Szene einen Namen gemacht. Ihre Kunden sind immer unterschiedliche Charaktere und Ursula Latus findet es spannend, sie und ihre Geschichte kennenzulernen. Denn der reine Bootsbau in ihren Kursen ist für sie schließlich mittlerweile „Routine“. Da hat sie neben Beischleifen und Anpassarbeiten am Süllrand genug Zeit, um ihre Kunden genauer kennen zu lernen. Sei es den Bootsbaumeister mit eigener Werft, der einen Kurs bei ihr bucht, um endlich genug Zeit zu haben, um sich auch selber ein Boot zu bauen. Und weil er dabei auch seine beiden Töchter und seinen Sohn mitbringt, baut die Auszubildende von Ursula Latus „mal eben“ mit den Mädchen ein Holzpferd, während der Junge beim Vater mit anpackt.

"Einmal ist uns das Deck durch-gebrochen. Da bin ich ordentlich ins Schwitzen geraten."

Mal ein Holzpferd statt eines Kanus

„Holz ist eben ein vielseitiges Element“, lacht die kreative Handwerkerin. „Da muss es nicht unbedingt ein Boot sein. Neben einem Holzpferd kann es auch ein halbes Kanu sein, das als Regal genutzt wird.“ Doch auch wenn ihre Kunden bei der gewohnten Materie – sprich (ganze) Kajaks, Canadier, Jollen oder Ruderboote bleiben, ist genug Raum für Fantasie. Ursula Latus weiß, welche Schritte man angehen muss, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Das ist besonders dann bitter nötig, wenn plötzlich etwas schiefgeht. „Einmal ist uns das Deck durchgebrochen“, erzählt sie. „Da bin ich doch ordentlich ins Schwitzen geraten.“ Wesentlich entspannter geht es da zu, wenn sich ihre Kunden beim Design „austoben.“ Ist das Boot in Leistenbauweise gefertigt, kommen unterschiedliche Holzarten zum Einsatz, mit denen sogar Buchstaben oder Symbole dargestellt werden können. „Ein Kursteilnehmer wollte den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens auf dem Boot haben“, erzählt Ursula Latus. Wird dagegen ein Kajak in der Stitch-and-Glue Bauweise (Methode des „Nähens“ und anschließenden Verklebens des Rumpfes) aus wasserresistentem Sperrholz gefertigt, können immerhin Teile vor ihrem Überzug mit Glasfasergewebe und Epoxidharz gebeizt werden, um einen besonderen Effekt zu erzielen.
Das Geschäft mit den Auftragsarbeiten und den Bootsbaukursen läuft zehn Jahre nach Gründung so gut, dass Ursula Latus überlegt, neben zwei Lehrlingen und gelegentlichen Aushilfen noch einen festen Gesellen einzustellen. Dann hat die Bootsbauerin vielleicht auch wieder mehr Zeit, um sich mit den Ergebnissen ihrer Arbeit auf Tour begeben zu können. Denn für sie sind Kanus mehr als nur eine Möglichkeit um sich über Bootsbaukurse selbstständig zu machen. Sie ist gerne rund um Usedom, auf dem Greifswalder Bodden, bei Rügen oder auf der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs. Mit dem Paddelvirus hat sie mittlerweile nicht nur ihren Mann und Freunde infiziert. Auch ihre Hovawarthündin sitzt seit sie klein ist mit im Boot. Und da „Luna“ vor einigen Wochen Welpen bekommen hat, machen diese aktuell am Hafen von Peenemünde im Kanu oder auf dem SUP-Board ebenfalls bereits ihren „Bootsschein“.

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 11/2016:

KANU-SPORT 11/2016
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