05.08.2021 | Thomas Konietzko Blog

Zwischen der Herausforderung bei der Logistik und den Tränen von Max

#tokoblog (14): Die Themen werden gerade an Tagen ohne Entscheidung dünner. Ich fange immer am Nachmittag nach den Wettkämpfen an zu schreiben, verfolge und bewerte die Wettkämpfe und schicke den Blog mit Fotos hier am frühen Nachmittag ab, damit ihr zu Hause zu mindestens die wichtigsten Informationen ganz zeitnah lesen könnt.
Max Hoff emotional

Allerdings werden langsam die bunten Themen rund um die Olympischen Spiele dünn. Über die Rennen gibt es aber natürlich einiges zu berichten. Heute stand mit dem Zweier-Kajak Hoff / Schopf ein echter Medaillengarant im Finale. Dazu aber später mehr.

Für mich hat sich erstmal nichts geändert und ich darf noch bis Samstag nicht aus dem Hotel. Dort erlebt man nichts und an der Strecke hat man mittlerweile auch schon jeden Winkel erkundet.

Heute war ich mal bei den Servicefirmen im Regattabereich. Nicht anders als bei internationalen Regatten sind alle großen Bootshersteller mit ihren Serviceteams hier. Wir sind die einzige Nation, die speziell für Olympia gefertigte Boote fährt (ich hatte gestern darüber berichtet).

Alle anderen fahren Boote der großen Hersteller NELO, Plastex und Braca. Diese Firmen haben auch ihr Servicepersonal vor Ort, um Schäden zu beheben, Boote anzupassen oder - und dies ist hier ihr Hauptjob - Boote zu polieren.

 

Als ich da war, haben sie sich gerade am neuseeländischen Frauenvierer versucht und diesen poliert. NELO ist mit immerhin acht Leuten hier und sie haben selbst eine kleine Lounge für ihre Kunden eingerichtet. 

  

Es gibt schon einen Wettkampf der Marken um die besten Sportler. Egal, ob NELO oder Plastex, die meisten Olympiateilnehmer bekommen ihre Boote geschenkt, und manche besonders erfolgreiche auch noch eine Prämie der Herstellerfirma oder einen Sponsorenvertrag. Für die wenigen Firmen, die Rennboote herstellen, ist dies ein gutes Geschäft, gehen doch jährlich etliche 1.000 Dollar über den Ladentisch. Man hört von Nelo, dass sie mehr als 10.000 Rennboote im Jahr verkaufen, scheint ein gutes Geschäft zu sein.

Die große Herausforderung bei der Logistik

Zur Logistik eines solchen Wettkampfes gehört auch der Transport der Boote und des Equipments. Für die Rennsportwettbewerbe mussten ungefähr 20 große Container nach Tokio transportiert werden. Dabei werden viele der Boote in Europa gesammelt und von der Firma Pro Wave in Kassel dann hierher transportiert. Manche Verbände buchen aber auch eigene Container und verlassen sich nicht auf die Dienstleister. Deshalb steht der Hof hier voll mit Containern.

 

Die Logistik hier ist noch überschaubar, weil im Vergleich zu Weltmeisterschaften und Weltcups nur wenige Sportler teilnehmen. Keine Herausforderung für die Servicedienstleister. Bei einer WM muss allerdings ein Vielfaches an Booten transportiert werden. Wir hatten vor Covid angestrebt, in diesem Jahr zur WM in Dänemark 100 Nationen begrüßen zu können. Die kleineren Nationen nutzen meistens Mietboote, aber alle größeren transportieren die Boote um die Welt. Der Bootstransport ist eines unserer größten Probleme bei der Erschließung neuer Märkte in Asien und Amerika. Es ist für viele Nationen zu teuer, Boote dorthin zu transportieren. Es ist relativ einfach, einen Wettkampf in Asien oder Amerika zu organisieren, und es ist auch nicht viel teurer (in normalen Zeiten), Sportler dorthin zu transportieren, aber die Logistik mit den eigenen Booten ist kaum zu stemmen.

Gegen viel Widerstand der großen Nationen (auch meiner eigenen) versuche ich seit einiger Zeit, das System anzupassen. Warum sollen nicht die drei großen Bootsproduzenten für alle teilnehmenden Sportler Mietboote anbieten? Damit würde zwar der Vorteil eines speziell entwickelten Bootes für die großen Nationen wegfallen, aber es wäre trotzdem fair. Wir würden als Sport nachhaltiger werden und könnten einfacher neue Märkte in Asien und Amerika mit unserem Sport erobern. Jeder Hersteller muss nur noch einen oder zwei Container transportieren und alle Sportler nutzen das gleiche Material.

Aber auch die Startanlagen werden aus Ungarn, in diesem Fall von der Firma Polaritas, geliefert, hier betreut und im Container nach Tokio verschifft.

...und nun zum Sport

Heute nun der zweite Finaltag mit einem heißen Eisen im Feuer, wenn es um den Kampf um Medaillen geht, dem K2. 

Hochachtung vor der Leistung unserer Candier-Damen. Lisa wird im B-Finale starten, nachdem sie das A-Finale deutlich verfehlt hat. Sie war eine erfolgreiche Kajak-Fahrerin und hat sich erst 2016 entschieden, in den Canadier zu wechseln. In ihrem ersten Rennen bei einer DM im Canadier konnte sie nicht geradeaus fahren; heute ist sie unter den besten der Welt. Sie hat geliefert und das erreicht, was wir auch vorher erwartet haben. Im C2 mit ihrer Partnerin Sophie Koch sollte aber das Finale Pflicht sein.

Leider haben wir die Entwicklung im Canadier der Damen verschlafen. Als vor ca. zehn Jahren Stimmen im internationalen Bereich immer lauter wurden, den Canadier der Frauen als offizielle Disziplin aufzunehmen, haben wir dies unterschätzt und erst später begonnen, mit unseren Vereinen Strukturen aufzubauen. Andere Länder wie Canada, die USA oder Neuseeland hatten da schon längst nationale Meisterschaften im Canadier der Damen, und bei asiatischen Meisterschaften gibt es mittlerweile Rennen im C4 der Damen.

Schaut man allerdings auf die Wettkämpfe im Nachwuchs, kann man gut feststellen, dass wir als DKV aufholen und mittlerweile in vielen Nachwuchsklassen um Medaillen mitfahren. Das gibt uns Optimismus, bei den nächsten Spielen vielleicht schon um Medaillen auch in dieser Klasse mitkämpfen zu können.

Sabrina Hering und Jule Hake konnten als Vierte und Fünfte im Halbfinale ebenfalls das Finale nicht erreichen. Tapfer gekämpft, aber es fehlt im Moment noch einiges zur absoluten Weltspitze. Hoffen wir mal auf den Vierer, wo eine Medaille mit viel Glück und einem guten Tag möglich ist. Insgesamt hat sich im Vergleich zu 2019 das Leistungsniveau unserer Damen stabilisiert, reicht aber im Einer und Zweier nicht mehr aus, um regelmäßig um Medaillen mitzufahren.

Jahrelang unsere Paradedisziplin, zeichnete sich schon in Szeged ab, dass wir den Anschluss an die Weltspitze verloren haben. Dann kam noch der Ausfall von den zwei Leistungsträgerinnen Franziska John und Steffi Kriegerstein dazu. Der Nachwuchs konnte diese Lücke noch nicht füllen. Das Problem müssen wir angehen und mit harter Arbeit lösen.

Solide Leistung unserer Medaillenhoffnung Hoff / Schopf im Semifinale. Lauf gewonnen und nur so viel gemacht wie nötig. Die Australier schauen bärenstark aus und auch Neuseeland ist nicht zu unterschätzen.

Finale, eine halbe Länge hinter den Australiern bei 500 m, 200 m vor dem Ziel vorne und doch können die Australier kontern. Knapp Platz 2 und damit unsere zweite Medaille hier an der Sprintstrecke. Freude bei Jacob, Tränen bei Max! Vielleicht auch über den zweiten Platz, aber vor allem, weil mit diesem Rennen eine lange und außergewöhnliche Karriere zu Ende gegangen ist.

 
 

Morgen ab 9.30 geht es weiter mit dem C2 der Damen, dem C1 der Herren und den beiden Vierern.
Früh aufstehen lohnt sich.

Euer Thomas

 

Weitere Informationen zu den Olympischen Spielen:

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