10. November 2022

(Wieder-) Einstieg - (k)eine Frage des Alters?

Paddeln fasziniert Menschen aller Alterstufen (Foto: Simone Schwetje)

Die heutige Generation 50+ ist so fit und aktiv wie noch nie – und dazu Neuem gegenüber besonders aufgeschlossen: Immer mehr ältere Menschen erlernen noch einmal eine Sportart, die sie bislang noch nie ausgeübt hatten. Zum Beispiel Paddeln.

Stefan Bühler - DKV Ressortleiter Sicherheit und Material berichtet:



Ins Schwimmen geraten... Während der Corona-Pandemie war ich deutlich weniger beim Paddeln wie in den vergangenen Jahren. Neben den spontanen Ausfahrten sind besonders die regelmäßigen Training Termine sowie die mehrtägigen Ausfahrten z.B. in die Alpen ausgefallen. Das darunter der Trainingszustand leidet ist offensichtlich. Man kann eben nicht erwarten, dass nach wochenlanger Paddel Abstinenz und nur ein oder 2 Trainingseinheiten alles wieder beim Alten ist und man sich gleich wieder sicher auf WWII-IV oder anspruchsvollen Touren begeben kann. So war es dann auch. Gleich bei der 2. Ausfahrt ein Schwimmer. Das kann auch ohne Pandemie passieren, wenn man zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder im Boot sitzt. Zusätzlich haben wir das Problem, dass das Altern gesetzmäßig zu körperlichen Einschränkungen führt. Wir können also nicht damit rechnen, dass wir mit über 50 Jahren noch die körperlichen Fähigkeiten besitzen, die wir mit 20 Jahren hatten. Mir hat der Wiederstart in der jetzigen Corona Lockerung klar gemacht, dass ich mir Gedanken machen sollte, wie ich meinen Paddelsport in Zukunft sicherstellen und gestalten will.
Im Folgenden will ich diese Gedanken vorstellen.

 

Dem Alter entgegen paddeln...

Grundsätzlich ist der Kanusport gut geeignet, die Ausdauer, die Kraft und die Koordination und Beweglichkeit zu steigern. Regelmäßiger Sport erhöht die Bewegungsfreiheit und Leistungsfähigkeit.  Beides dient als Basis für eine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Alltag. Durch den regelmäßigen Sport können wir die Alterseinschränkungen nicht ganz verhindern aber wir können sie ggf. ausbremsen.
Also nichts wie los und aufs Wasser.


 

1. Fitness, Kraft, Koordination und Beweglichkeit

Wie oben bereits beschrieben ist der Trainingszustand nach längeren Pausen nicht optimal. Wenn man längere Zeit nicht zum Paddeln kommt sollte man sich um seine allgemeine Fitness sorgen. Das kann mit Joggen, Radfahren, Wandern oder ähnlichem erfolgen.
Fängt man nach einer längerer Sportpause wieder an, sollte man je nach Alter vor dem Wiederanfang einen Arzt konsultieren und sich durchchecken lassen. Der Arzt kann dann entsprechende Trainingsempfehlungen geben. Der Wiederanfang sollte dann langsam erfolgen. Am besten fängt man mit geringer Belastung an und steigert diese entsprechend dem Trainingszustand. Der Belastungspuls sollte beim Ausdauertraining bei 60-80% der maximalen Herzfrequenz liegen. Als Faustformel für die maximale Herzfrequenz gilt 220-Lebensalter. D.h. eine 60jährige Person hätte dann eine max. Herzfrequenz von 160. Der Belastungspuls sollte dann zwischen 100 und 130 Herzschlägen liegen. Wichtig ist, dass man das Training bzw. seinen Sport regelmäßig durchführt. Am besten 3 x die Woche. Wenn man keine Möglichkeit hat regelmäßig zu paddeln sollte man seine Fitness über andere Ausdauersportarten erhalten. Eine Fitnessuhr ist ein gutes Hilfsmittel, um die Herzfrequenz zu überprüfen. Sie hilft einem auch, sich nicht zu überfordern. Unsere Kraft können wir gut beim Paddeln verbessern. Natürlich kann man im Fitnessstudio weiteres Krafttraining für Arme-, Schulter- und Rumpfmuskulatur ergänzen. Koordination und Beweglichkeit sollte aber nicht vergessen werden. Eine gute Lösung könnte z.B. der Besuch eines Gymnastikkurses sein. Vielleicht finden sich mehrere Personen eines Vereins zusammen und der Verein organisiert solche Kurse für seine Mitglieder.

Wichtig für den Sport: Er soll Spaß machen!

Deshalb sollte die Intensität so stark sein, dass man sich auch während des Trainings unterhalten kann. Dann passt das auch mit der Atmung. Die Bewegungen sollten langsam und kontrolliert ausgeführt werden. Sollten Schmerzen auftreten, am besten das Bewegungsausmaß reduzieren. Sollten die Schmerzen auch nach dem Training weiter bestehen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Schwindel oder Kurzatmigkeit sollten nicht auftreten.

 

Herzfrequenz im Blick?


Der Belastungspuls sollte beim Ausdauertraining bei 60-80% der maximalen Herzfrequenz liegen. Als Faustformel für die maximale Herzfrequenz gilt: „220-Lebensalter“. Das heißt, eine 60jährige Person hätte eine max. Herzfrequenz von 160. Der Belastungspuls sollte zwischen 100 und 130 Herzschlägen liegen.

 

 

 

2. Schwimmweste / Rettungsweste

Allgemein gilt, nie ohne Rettungsweste oder Schwimmhilfe aufs Wasser. Das ist im Alter noch viel wichtiger. Eine Kenterung passiert schneller als gedacht. Auch wenn man seit Jahren nicht gekentert ist, steigt doch die Wahrscheinlichkeit, dass dies passieren kann. Man ist nicht mehr so gelenkig oder reagiert nicht mehr schnell genug und schon ist es passiert. Da hilft einem dann auch die Erfahrung nicht mehr weiter. Die Thematik „Schwimmweste“ ist im DKV-Positionspapier Rettungsweste und Schwimmhilfe sehr detailliert erläutert. Das Positionspapier ist im Downloadbereich auf www.kanu.de zu finden.

Ein kleiner Tipp: Wenn es richtig warm ist versucht einfach mal eine Kenterung und einen nassen Ausstiegt. Auch das will geübt sein. Wenn man dann schon im Wasser ist kann man auch mal seine semi-automatik Rettungsweste ausprobieren und die Befüllung mit der CO2 Patrone testen. Dann ist man für den Ernstfall schon einmal gut vorbereitet. Bitte nicht vergessen die benutzte Patrone wieder gegen eine neue auszutauschen.

 

Die Thematik „Schwimmweste“ ist im DKV-Positionspapier "Rettungsweste und Schwimmhilfe" sehr detailliert erläutert. Das Positionspapier ist im Downloadbereich auf www.kanu.de zu finden.

 

3. Nie allein Paddeln gehen!

Auch dieser Punkt gilt für Jung und Alt! Aber die Alterseinschränkungen können hier je nach Art zu das Unfallpotential beträchtlich erhöhen. Sind dann keine Retter oder Helfer in der Nähe kann dies schwerwiegende Folgen haben. Ein Erschöpfungszustand auf einem großen Gewässer kann z.B. schnell lebensbedrohlich werden. Auch scheinbar einfache Dinge wie der Ein- oder Ausstieg können unter widrigen Bedingungen (z.B. hohe Uferböschung, rutschiges, schlammiges Ufer, Unebener Boden, usw.) schnell schwierig werden. Helfende Hände sind da gerne gesehen.

Außerdem macht Paddeln mit anderen sowieso mehr Spaß. Geselligkeit ist wie der Sport ein wichtiger Faktor zur Ausschüttung von Glückshormonen.

 

Wie wäre es mit einem regelmäßigen Trainings- oder Tourenangebot für ältere Vereinsmitglieder?

 

 

4. Ein- und Ausstiege

Nimmt die Beweglichkeit ab, werden die Ein und Ausstiege zu einem Problem. Am einfachsten ist sicher ein flacher Sandstrand, um ins oder aus dem Boot zu kommen. Eine Uferböschung oder eine hohe Stegkannte werden dann deutlich schwieriger. Technische Lösungen könnten zum Beispiel niedrige Stufen, Tritte, Lifte, Haltestangen bzw. Bügel sein. Diese Lösungen sind leider nicht überall vorhanden, aber wenn es sich um das eigene Vereinsgelände handelt, kann man die Einrichtung solcher Erleichterungen im Verein diskutieren.

 

5. Ausrüstung

Boot und Paddel: Eine angepasste Ausrüstung ist für den Sport im Alter eine gute Investition. Während wir Menschen älter werden, altern Paddel und Boot auch, aber auf andere Weise. Sie halten meist Ihr Gewicht gut, vernachlässigt man den Materialverlust durch Nutzung und den Gewichtsgewinn durch Reparaturen. Die allgemeine technische Weiterentwicklung bei unserer Ausrüstung führt zu immer robusterem und meist auch leichterem Paddel und Booten. Ein paar kg Gewicht beim Boot eingespart, erleichtert das Auf- und Ablagen, Einsetzen und paddeln. Ein- oder zweihundert Gramm weniger Paddelgewicht hören sich wenig an, aber wenn man sich mal vor Augen führt, wie oft wir auf einer Tour das Blatt durchs Wasser zieht kommt man bei einer mehrstündigen Tour schnell auf mehrere Tonnen, die man bewegt hat. Deshalb ist es gut, sich im Alter nach einer leichteren und passenden Ausrüstung umzusehen. Bei Problemen mit Sehnenscheidenentzündung könnte sich auch ein Paddel mit Ergo-Schaft lohnen oder vielleicht ein Grönland- bzw. Aleuten-Paddel. Hat man Probleme beim Einstieg könnte sich ggf. Kanadier oder ein „Sit On Top“ lohnen.

Bekleidung: „Dress for Water not for air“ Ein geeigneter Kälteschutz verlängert das jährlich Zeitfenster, in dem wir den Kanusport gefahrlos ausüben können und ermöglicht uns eine Vielzahl von Gewässern zu befahren. Paddelhandschuhe oder Paddelpfötchen sind in der kalten Jahreszeit eine gute Wahl. Mütze oder Helm nicht zu vergessen.

Transport: Das Be- und Entladen der Boote wird im Alter nicht leichter. Ladehilfen gibt es für die gängigen Dachgepächträgersysteme. Sie reichen von Klappsystem und Rollensystemen bis hin zu einfachen Verlängerungen der Dachholmen, die man als stabile Auflage nutzen kann. Die Nutzung eines Bootanhängers kann die Be- und Entladen ebenfalls erleichtern, solange die Ladungsebenen auf Hüft- oder Brusthöhe bleiben.

Für unterwegs bietet sich ein Bootswagen an. Am besten mit einer breiten stabilen Dauerbereifung. So kommt man besser über Unebenheiten und tiefen Sand hinweg und steht nicht auf einmal mit platten Reifen da. Der Bootswagen muss transportierbar bleiben.

Für einen leichteren Bootsein- oder Ausstieg kann man sich entweder selbst entsprechende Halterungen herstellen oder man erwirbt diese im Fachhandel.

 

6. Verein

Das Vereinswese wurde bereits mehrfach erwähnt. Mit einem entsprechenden Angebot (Kurse, regelmäßiges Training, geselliges Beisammensein, usw. und einer entsprechenden Infrastruktur (Ein- oder Ausstiege, usw.) sind Vereine durchaus interessant für kanuinteressierte Senioren. Der Verein selbst profitiert dann durch die Erfahrung der Senioren. Der Altersdurchschnitt der Vereine verschiebt sich immer weiter zu einem höherem Durchschnittalter. Es macht also Sinn sich über die Altersgerechtigkeit des Vereins Gedanken zu machen. 

 

7. Hilfe von anderen

Da wir unseren Sport im Alter in eine Gruppe ausführen (s. 3.) gibt es immer eine helfende Hand, die z.B. beim Boote laden, gerne angenommen wird. Lässt man sich aber bei allem helfen, kann das auch dazu führen, dass man schneller unselbständig wird. Dadurch ist man noch mehr auf die Mithilfe von anderen angewiesen. Deshalb sollte man bei einfachen Dingen möglichst lange seine Selbstständigkeit bewahren und Hilfe auch ggf. höflich ablehnen.

 

Nutz die Zeit, packt es an und nicht vergessen, ab aufs Wasser!

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 8/2021:

KANU-SPORT 8/2021
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