02.02.2015 | Kanu-Freizeit

Das Bootshaus-Wunder der Gütersloher Faltbootgilde

Wie Phönix aus der Asche, aber mit der antiken Mythologie hatte die Gütersloher Faltbootgilde nie etwas zu tun.

Doch was sich zuletzt rund um den 1931 gegründeten Verein abspielte, erinnert stark an eine Sagengestalt aus alten Zeiten. Als am 19. Februar 2013 ein „Feuerteufel“ das 1936 erbaute  Bootshaus der GFG, gelegen  an Flusskilometer 71,6 der oberen Ems, verheerend in Brand setzte und das Gebäude sowie sämtliches Bootsmaterial zerstörte, lagen Verein und Klubleben scheinbar am Boden. Doch nun, keine 24 Monate später, präsentiert sich die Faltbootgilde vitaler als je zuvor. Wie der einst von Griechen und Ägyptern beschriebene „Phönix“ aus der Asche stiegen die Kanuten aus der Ruine empor. Schon im Dezember 2014 hielten sie ihre Jahreshauptversammlung in einem nahezu perfekt eingerichteten Neubau ab – und das ohne den Verein mit Schulden belastet zu haben.

Manche sprechen sogar vom Bootshaus-Wunder. „Uns ist unendlich geholfen worden“, schwärmt Rolf Theiß von einer Welle der Solidarität, wie sie der Sport in Gütersloh bis dahin noch nicht erlebt hatte. Fast scheint es, als sei die verbrecherische Brandstiftung zu einem Glücksfall für die GFG geworden. Doch hinter der unglaublich anmutenden Entwicklung steht viel mehr als pures Glück. Das Erfolgsgeheimnis bestand in einer Mischung aus hohem ehrenamtlichen Einsatz, strukturierter Vorgehensweise, professioneller Kommunikation – und vor allem harter Arbeit.

Mittlerweile könnte der Vorstand ein Lehrbuch über das Krisenmanagement bei solchen Katastrophen herausgeben. Kein Wunder, dass die GFG im November 2013 sofort Kontakt mit dem WKC Witzenhausen aufnahm, als dessen Bootshaus in Flammen aufging. Zu diesem Zeitpunkt begannen sie in Gütersloh bereits mit dem Neubau. Der renommierte Architekt Walter Hauer, der wie so viele zum Freund der Kanuten wurde, hatte ein schmuckes einstöckiges Gebäude  auf einem Grundriss von 30 mal 9 Meter entworfen. Es bietet nicht nur Funktions- und Versammlungsräume, sondern auch Einstellplätze für 120 Boote. Kostenpunkt: 400.000 Euro. Zu stemmen war dieser Betrag nur durch einen funktionierenden Versicherungsschutz, eine Eigenleistung im Wert von über 50.000 Euro und eine Welle von Spenden, die aus Gütersloh und der Kanuwelt an die Ems schwappte. Diverse Stiftungen, Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen gaben Gelder für die Anschaffung neuer Boote und Ausrüstung.

 Der Deutsche Kanu-Verband, das Kajak- und Kanu-Magazin, Kanukarte.de, ja auch diese Einrichtungen brachten mit ihrer Berichterstattung der GFG eine große Aufmerksamkeit. Auch in Nachlässen wurde die GFG bedacht. Handballklubs veranstalteten ein Benefizturnier, eine Straßenlaufveranstaltung lief zugunsten der Faltbootgilde, ein Aufruf von Stadtsportverband und Kanu-Bezirk 10/OWL stieß bei weiteren Vereinen auf beachtliche Resonanz. Zwei Benefizkonzerte in der Stadthalle brachten mit Unterstützung von Stadt und Verkehrsverein sowie der Künstler zusätzlich wertvolle Euros in die Baukasse – und öffentliche Aufmerksamkeit. Immer mehr Bürger waren stolz, das „Bootshausretter“-Shirt zu tragen, das unermüdliche GFG-Aktivisten auf unzähligen Infoständen im Kreis Gütersloh und darüber hinaus verkauften. Roland Aulenkamp, den der Vorstand zum „Spendenbeauftragten“ ernannte, leistete unbezahlbare Arbeit.

„Wir haben aber nicht nur finanzielle Hilfe erhalten, sondern in vielerlei Hinsicht sensationelle Unterstützung erfahren“, blickt Kassenwart Hans-Peter Grabke zurück. „Netzwerke sind das A und O“, bekräftigt der 2. Vorsitzende Dirk Langnau. Schriftführer Norbert Kleinegrauthoff gesteht aber auch: „Manchmal haben wir Glück gehabt, dass wir auf die richtigen Leute getroffen sind.“ Und immer trafen die GFG-„Bauherren“ in den Gesprächen den richtigen Ton. Das war wichtig, weil es viele kleinere und größere bürokratische Hürden zu überwinden galt. Das begann mit der fachgerechten Entsorgung der 126 beim Brand zerstörten Boote, die die Stadt Gütersloh kostenlos übernahm, ging über die Zustimmung des Grundstückeigentümers, des Fürstenhauses Bentheim-Tecklenburg zu Rheda, zur Verlängerung des Pachtvertrages über 25 Jahre bis hin zur Erteilung der Baugenehmigung in einem mehrfach als schutzwürdig ausgewiesenen Gebiet durch die Stadt Rheda-Wiedenbrück.

Noch die schrecklichen Bilder von der Brandnacht im Februar vor Augen und die Tränen vom Abriss der Ruine Ende Oktober kaum getrocknet, wurde am Montag, 6. Dezember 2013, freudestrahlend mit der Gründung des Neubaus begonnen. Über den Fortgang der Arbeiten informierte die GFG in einem reich bebilderten „Bautagebuch“ auf ihrer Homepage. „Es war ganz wichtig, dass wir die Öffentlichkeit und die Mitglieder immer mitgenommen haben“, erklärt Rolf Theiß die Strategie. Neben die örtlichen Zeitungen und die Kanusport-Magazine  interessiert das Thema auch die Fernsehsender WDR, RTL und SAT 1, die Radiosender WDR, Radio GT. Eine professionelle Pressemappe bahnte so manchen Weg zu den Multiplikatoren „Das kann man anderen Vereinen nur empfehlen“, rät GFG-Vize Dirk Langnau. Die Zustimmung der Mitglieder zu den Plänen und Aktionen des Vorstands bei diversen Versammlungen war stets überwältigend – zu 100 %. Immer wieder staunten die GFG-Kanuten, wie ihr Verein, der ein jährliches Beitragsaufkommen von 8.400 Euro aufweist, ein solches Projekt ohne Anleihen bei Mitgliedern oder Banken meistern konnte.

Der Verein beschränkte sich in der Bootshauskrise aber nicht darauf, Geld zu sammeln und den Neubau zu organisieren. Vom ersten Tag an war es das Bestreben der Verantwortlichen, den Sportbetrieb aufrechtzuerhalten. „Das war ein Spagat“, erinnert sich Rolf Theiß. Geblieben waren dem Klub nach dem Brand nur ein Bulli mit Hänger sowie zwei Boote, die im Hallenbad gelagert waren. Man lieh sich Kanus bei benachbarten Vereinen und profitierte von der unbürokratischen Großzügigkeit Matthias Markstedts. Sein Förderverein räumte der GFG auf dem Gelände des Wapelbads Unterstellmöglichkeiten für Boote ein und ermöglichte so den Trainingsbetrieb für die Jugendlichen und Erwachsenen auf der Wapel. Trotz aller Erschwernisse und obwohl das übliche Equipement fehlte, führte die Faltbootgilde im Jahre 2013 sogar acht Vereinsfahrten durch.

Wie es scheint, hat die Gütersloher Faltbootgilde ihr Ziel bald erreicht und wieder ein voll funktionsfähiges Bootshaus mit dem von vielen Gütersloher Bürgern als Ausflugsziel und vom Verkehrsverein als Veranstaltungsort für den „Gütersloher Sommer“ genutzten Außengelände. „Was wir in den knapp zwei Jahren erlebt haben, ist unglaublich“, sagt Norbert Kleinegrauthoff. „Das ging auch mal an die Substanz“, gesteht Dirk Langnau angesichts der mindestens einmal wöchentlichen Vorstandssitzungen. Hans-Peter Grabke hat (noch) nicht zusammengerechnet, weiß aber schon: „Die Stunden gehen in die Tausende.“


Alt und Neu im Vergleich

Neben dem Gebäude ist dadurch aber noch etwas anderes Wertvolles entstanden – ein Verein mit einem noch enger verschweißten Zusammenhalt. Für Rolf Theiß (68), den der Brand am meisten mitgenommen hatte („Hier gehen alleine für mich über 50 Jahre Emotionen verloren“) bedeutet es gar die Rettung seines Lebenswerkes. Dass der Feuerteufel, der seinerzeit in einer spektakulären Serie außer dem Bootshaus noch 20 weitere Objekte anzündete, immer noch frei herumläuft, kann der seit 1989 amtierende Vorsitzende inzwischen gelassen hinnehmen. Der von Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelte Tatverdächtige wurde am 28. Januar 2014 vom Amtsgericht Gütersloh mangels Beweisen freigesprochen. Vielleicht kommt auch hier die Wahrheit wie einst Phönix aus der Asche irgendwann doch ans Tageslicht.

Von Wolfgang Temme, Gütersloh

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