Doch was sich zuletzt rund um den 1931 gegründeten Verein abspielte, erinnert stark an eine Sagengestalt aus alten Zeiten. Als am 19. Februar 2013 ein „Feuerteufel“ das 1936 erbaute Bootshaus der GFG, gelegen an Flusskilometer 71,6 der oberen Ems, verheerend in Brand setzte und das Gebäude sowie sämtliches Bootsmaterial zerstörte, lagen Verein und Klubleben scheinbar am Boden. Doch nun, keine 24 Monate später, präsentiert sich die Faltbootgilde vitaler als je zuvor. Wie der einst von Griechen und Ägyptern beschriebene „Phönix“ aus der Asche stiegen die Kanuten aus der Ruine empor. Schon im Dezember 2014 hielten sie ihre Jahreshauptversammlung in einem nahezu perfekt eingerichteten Neubau ab – und das ohne den Verein mit Schulden belastet zu haben.
Manche
sprechen sogar vom Bootshaus-Wunder. „Uns ist unendlich
geholfen worden“, schwärmt Rolf Theiß von einer Welle der
Solidarität, wie sie der Sport in Gütersloh bis dahin noch
nicht erlebt hatte. Fast scheint es, als sei die
verbrecherische Brandstiftung zu einem Glücksfall für die GFG
geworden. Doch hinter der unglaublich anmutenden Entwicklung
steht viel mehr als pures Glück. Das Erfolgsgeheimnis bestand
in einer Mischung aus hohem ehrenamtlichen Einsatz,
strukturierter Vorgehensweise, professioneller Kommunikation –
und vor allem harter Arbeit.
Mittlerweile könnte der Vorstand ein Lehrbuch über das
Krisenmanagement bei solchen Katastrophen herausgeben. Kein
Wunder, dass die GFG im November 2013 sofort Kontakt mit dem
WKC Witzenhausen aufnahm, als dessen Bootshaus in Flammen
aufging. Zu diesem Zeitpunkt begannen sie in Gütersloh bereits
mit dem Neubau. Der renommierte Architekt Walter Hauer, der wie
so viele zum Freund der Kanuten wurde, hatte ein schmuckes
einstöckiges Gebäude auf einem Grundriss von 30 mal 9
Meter entworfen. Es bietet nicht nur Funktions- und
Versammlungsräume, sondern auch Einstellplätze für 120 Boote.
Kostenpunkt: 400.000 Euro. Zu stemmen war dieser Betrag nur
durch einen funktionierenden Versicherungsschutz, eine
Eigenleistung im Wert von über 50.000 Euro und eine Welle von
Spenden, die aus Gütersloh und der Kanuwelt an die Ems
schwappte. Diverse Stiftungen, Wohltätigkeitsorganisationen und
Unternehmen gaben Gelder für die Anschaffung neuer Boote und
Ausrüstung.
Der
Deutsche Kanu-Verband, das Kajak- und Kanu-Magazin,
Kanukarte.de, ja auch diese Einrichtungen brachten mit ihrer
Berichterstattung der GFG eine große Aufmerksamkeit. Auch in
Nachlässen wurde die GFG bedacht. Handballklubs veranstalteten
ein Benefizturnier, eine Straßenlaufveranstaltung lief
zugunsten der Faltbootgilde, ein Aufruf von Stadtsportverband
und Kanu-Bezirk 10/OWL stieß bei weiteren Vereinen auf
beachtliche Resonanz. Zwei Benefizkonzerte in der Stadthalle
brachten mit Unterstützung von Stadt und Verkehrsverein sowie
der Künstler zusätzlich wertvolle Euros in die Baukasse – und
öffentliche Aufmerksamkeit. Immer mehr Bürger waren stolz, das
„Bootshausretter“-Shirt zu tragen, das unermüdliche
GFG-Aktivisten auf unzähligen Infoständen im Kreis Gütersloh
und darüber hinaus verkauften. Roland Aulenkamp, den der
Vorstand zum „Spendenbeauftragten“ ernannte, leistete
unbezahlbare Arbeit.
„Wir haben aber nicht nur finanzielle Hilfe erhalten, sondern
in vielerlei Hinsicht sensationelle Unterstützung erfahren“,
blickt Kassenwart Hans-Peter Grabke zurück. „Netzwerke sind das
A und O“, bekräftigt der 2. Vorsitzende Dirk Langnau.
Schriftführer Norbert Kleinegrauthoff gesteht aber auch:
„Manchmal haben wir Glück gehabt, dass wir auf die richtigen
Leute getroffen sind.“ Und immer trafen die GFG-„Bauherren“ in
den Gesprächen den richtigen Ton. Das war wichtig, weil es
viele kleinere und größere bürokratische Hürden zu überwinden
galt. Das begann mit der fachgerechten Entsorgung der 126 beim
Brand zerstörten Boote, die die Stadt Gütersloh kostenlos
übernahm, ging über die Zustimmung des Grundstückeigentümers,
des Fürstenhauses Bentheim-Tecklenburg zu Rheda, zur
Verlängerung des Pachtvertrages über 25 Jahre bis hin zur
Erteilung der Baugenehmigung in einem mehrfach als schutzwürdig
ausgewiesenen Gebiet durch die Stadt Rheda-Wiedenbrück.
Noch die schrecklichen Bilder von der Brandnacht im Februar
vor Augen und die Tränen vom Abriss der Ruine Ende Oktober kaum
getrocknet, wurde am Montag, 6. Dezember 2013, freudestrahlend
mit der Gründung des Neubaus begonnen. Über den Fortgang der
Arbeiten informierte die GFG in einem reich bebilderten
„Bautagebuch“ auf ihrer Homepage. „Es war ganz wichtig, dass
wir die Öffentlichkeit und die Mitglieder immer mitgenommen
haben“, erklärt Rolf Theiß die Strategie. Neben die örtlichen
Zeitungen und die Kanusport-Magazine interessiert das
Thema auch die Fernsehsender WDR, RTL und SAT 1, die
Radiosender WDR, Radio GT. Eine professionelle Pressemappe
bahnte so manchen Weg zu den Multiplikatoren „Das kann man
anderen Vereinen nur empfehlen“, rät GFG-Vize Dirk Langnau. Die
Zustimmung der Mitglieder zu den Plänen und Aktionen des
Vorstands bei diversen Versammlungen war stets überwältigend –
zu 100 %. Immer wieder staunten die GFG-Kanuten, wie ihr
Verein, der ein jährliches Beitragsaufkommen von 8.400 Euro
aufweist, ein solches Projekt ohne Anleihen bei Mitgliedern
oder Banken meistern konnte.
Der Verein beschränkte sich in der Bootshauskrise aber nicht
darauf, Geld zu sammeln und den Neubau zu organisieren. Vom
ersten Tag an war es das Bestreben der Verantwortlichen, den
Sportbetrieb aufrechtzuerhalten. „Das war ein Spagat“, erinnert
sich Rolf Theiß. Geblieben waren dem Klub nach dem Brand nur
ein Bulli mit Hänger sowie zwei Boote, die im Hallenbad
gelagert waren. Man lieh sich Kanus bei benachbarten Vereinen
und profitierte von der unbürokratischen Großzügigkeit Matthias
Markstedts. Sein Förderverein räumte der GFG auf dem Gelände
des Wapelbads Unterstellmöglichkeiten für Boote ein und
ermöglichte so den Trainingsbetrieb für die Jugendlichen und
Erwachsenen auf der Wapel. Trotz aller Erschwernisse und obwohl
das übliche Equipement fehlte, führte die Faltbootgilde im
Jahre 2013 sogar acht Vereinsfahrten durch.
Wie es scheint, hat die Gütersloher Faltbootgilde ihr Ziel bald erreicht und wieder ein voll funktionsfähiges Bootshaus mit dem von vielen Gütersloher Bürgern als Ausflugsziel und vom Verkehrsverein als Veranstaltungsort für den „Gütersloher Sommer“ genutzten Außengelände. „Was wir in den knapp zwei Jahren erlebt haben, ist unglaublich“, sagt Norbert Kleinegrauthoff. „Das ging auch mal an die Substanz“, gesteht Dirk Langnau angesichts der mindestens einmal wöchentlichen Vorstandssitzungen. Hans-Peter Grabke hat (noch) nicht zusammengerechnet, weiß aber schon: „Die Stunden gehen in die Tausende.“
Alt und Neu im Vergleich
Neben dem Gebäude ist dadurch aber noch etwas anderes Wertvolles entstanden – ein Verein mit einem noch enger verschweißten Zusammenhalt. Für Rolf Theiß (68), den der Brand am meisten mitgenommen hatte („Hier gehen alleine für mich über 50 Jahre Emotionen verloren“) bedeutet es gar die Rettung seines Lebenswerkes. Dass der Feuerteufel, der seinerzeit in einer spektakulären Serie außer dem Bootshaus noch 20 weitere Objekte anzündete, immer noch frei herumläuft, kann der seit 1989 amtierende Vorsitzende inzwischen gelassen hinnehmen. Der von Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelte Tatverdächtige wurde am 28. Januar 2014 vom Amtsgericht Gütersloh mangels Beweisen freigesprochen. Vielleicht kommt auch hier die Wahrheit wie einst Phönix aus der Asche irgendwann doch ans Tageslicht.
Von Wolfgang Temme, Gütersloh