05.01.2015 | Kanu (Allg.)

„Schöne“ Bescherung für Freya

So flott, wie seit dem Start in Recife, ja, so flott ist Freya Hoffmeister schon lange nicht mehr mit ihrem Seekajak vorangekommen.

Das bedeutet nun nicht, dass Freya sich bereits im „Endspurt“-Stadium befindet. Nein, nein, denn einen Endspurt ca. 4.400 km vor dem Ziel „Buenos Aires“ das macht keinen Sinn, auch wenn sie schon bis Recife 707 Fahrtentag unterwegs ist. Die Erhöhung ihrer Tageskilometerleistung ist zu allererst auf das Wetter, hier den Rückenwind, und die Strömung zurückzuführen und dann natürlich auf den Motivationsschub, den solch positive Gewässerbedingungen bei Freya auslösten.

In ihrer Paddelstatistik macht sich das wie folgt bei den gepaddelten Kilometern pro Tag bemerkbar:

03.12.: 28,3 km/Tag
04.12.: 40,2 km/Tag
05.12.: 43,3 km/Tag
06.12.: 49,0 km/Tag
07.12.: 50,3 km/Tag
08.12.: 54,5 km/Tag
09.12.: Ruhetag
10.12.: 48,4 km/Tag
11.12.: 52,0 km/Tag
12.12.: 56,2 km/Tag
13.12.: 61,2 km/Tag
14.12.: 43,3 km/Tag
15.12.: 51,8 km/Tag
16.12.: 50,9 km/Tag

D.h. Freya paddelte die ersten 13 Paddeltag seit Recife durchschnittlich 48,4 km/Tag. Wer sich mal den Verlauf der südöstlichen Küste von Brasilien anschaut, wird erkennen, dass diese Küste mit überwiegend südöstlichem Wind (=> Süd-Ost-Passat) und südwestlicher Strömung (=> Brasil-Strom)wie geschaffen für das Küstenkanuwandern ist …. sofern in südwestliche Richtung gepaddelt wird und die Brandungsbedingungen beherrscht werden, die an einer solchen dem Seegang völlig schutzlos ausgesetzten Küste nun mal vorherrschen!

Der Lohn nach getaner Arbeit!?
 
(Übernachtung mit City-Blick) (3.12.14)

(Übernachtung unter Palm) (10.12.14)

Brandungstaktik

Da Freya sicherlich keine Lust hat, noch ein fünftes Jahr rund Südamerika zu paddeln, bleibt ihr nichts anderes übrig, als loszupaddeln und die Brecher so zu nehmen, wie sie kommen. Sie erkannte schon gleich am ersten Paddeltag nach ihrem Start in Recife am 3.12.14, ihrem 708. Fahrtentag, dass der Küste ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Felsen-, Muschel- bzw. Sandriff vorgelagert ist. Insofern konnte sie tagelang zwischen Riff und Küstenstreifen entlang paddeln, ohne mit dem brechenden Seegang kämpfen zu müssen:

Satelliten-Aufnahme + Schnappschuss vor Ort: Riff-Passage



(5.12.14)

Nach ein paar Tagen wurde dieser Küstenschutz jedoch immer brüchiger. Freya musste dann zusehen, dass sie „heile“ durch die Brecher nach draußen kam … und – natürlich - auch „heile“ wieder rein, sobald die nächsten Riffs für erneuten Brecherschutz sorgten. Freya gelang es dank GOOGLE EARTH ihre Tagesetappe so zu planen, dass sie am Ende einer Tagesetappe immer im Schutz der Riffs anlanden und somit am nächsten Tag früh am Morgen im Schutz der Riffs wieder allein - also ohne „Anschubhilfe“ durch Dritte - starten konnte:

Paddeln bei „Ententeichbedingungen“ dank vorgelagertem Riff


(8.12.14)

Da gegen Mittag der Wind immer stärker wurde (=> thermischer Seewind), startete sie meist schon in der Dämmerung vor 5 Uhr früh und beendet ihre Etappe dann i.d.R. am frühen Nachmittag.

Die letzten Tage verschwand jedoch das Riff bzw. Freya konnte den Riffschutz nicht mehr bei ihrer Etappenplanung berücksichtigen. Sie musste bei der Wahl des Etappenendes umdenken und konzentrierte sich auf Flussmündungen; denn vor den Flussmündungen sind meist Sandbänke gelagert, wo sich heranrauschenden Wellen besonders chaotisch brechen:

Satelliten-Aufnahme + Schnappschuss vor Ort: Übernachtung an der Mündung des Rio Piautinga beim Ort Mangu
(14.12.14)



(14./15.12.14)

Aber was blieb Freya denn anderes übrig. Die Strände, wo ein Anlanden mit Seekajak bei glatter See möglich gewesen wäre, waren i.d.R. steil. Bei Seegang knallte dann die See ohne vorgelagertem Riff mit zwei, drei Brechern mit solcher Wucht auf den Strand (sog. „Dumper“), dass es dort viel zu gefährlich wäre, anzulanden bzw. am nächsten Tag zu starten. Da war es in der Tat weniger gefährlich, sich zwischen den chaotischen Brechern vor Flussmündungen „durchzumogeln“, d.h. jene Durchgänge bzw. „Hintertüren“ zu suchen, wo der Seegang gerade mal nicht bricht.

„Schöne“ Bescherung

Kurz vor Salvador, ihrem nächsten großem Etappenziel, wo einheimische Freunde des „Longdistance Kayaking“ sich bereit erklärt hatten, Freya für ein paar Tage „Unterschlupf“ anzubieten, ja, kurz vor Salvador beim Ort Subauma war es dann so weit. Viele hunderte Male war es bislang Freya gelungen, „heile“ durch die Brandung zu kommen, wenn sie auch manchmal von einem Kaventsmann umgeschmissen wurde. Aber was soll’s. Dann wird halt hochgerollt (viele Male) oder an den Strand geschwommen (1x). Dass Freya das immer mit Erfolg geschafft hat, das hat nichts mit „Glück“ zu tun, sondern in erster Linie mit „Können“ … und das Ausbleiben von „Pech“!

Ja, vor Subauma war es mal wieder so weit. Es war ein Tag wie viele andere Tage. Ihr Tagespensum hatte sie mit 50,9 km erfüllt. Vor ihr lag eine Flussmündung und die nächste war –zig Kilometer entfernt. Also nichts wie raus an den Strand!. Aber wo und wie? Vor ihr lag eine Brandungszone, die sich von den vielen Brandungszonen, die Freya bislang erlebt und überlebt hatte, kaum unterschied. Trotzdem hat Freya vor jeder Brandungszone Respekt. Sie weiß, wenn man von See durch die Brandungszone an den Strand paddelt, erscheinen die anrauschenden Brecher bei Weitem nicht so hoch, wie wenn man von Strand hinaus aufs offene Meer schaut:

Blick Richtung Strand

(10.12.14)

Blick Richtung offene See

(12.12.14)


Deshalb tastete sich Freya auch an diesem Tag ganz vorsichtig durch die Brandungszone und hielt immer wieder Ausschau nach Untiefen bzw. nach den „Hintertüren“, also dort, wo die Brecher nicht hinkamen bzw. weniger hoch brachen. Vor Tagen hatte sie schon eine ähnliche Situation erlebt, wo beim Auskundschaften des Weges durch die Brandung ein Kaventsmann von hinten angerauscht kam und genau brach, als er Freya erreicht hatte. Sie konnte sich nur noch aufs Achterdeck legen, hoch stützen und hoffen, dass ihr Seekajak nicht kerzte. Dann surfte sie los bis auf den Strand hinauf. Später, als sie ihr GPS anschaute, zeigte es eine kurzzeitige Spitzengeschwindigkeit von 35 km/h an! Ja, das war eine Meisterleistung von ihr! … und verdammtes Glück?

Nun hielt Freya in dieser Flussmündung wieder Ausschau nach den „Hintertüren“. Da tauchte erneut unverhofft ein gewaltiger Brecher hinter Freya auf, begrub sie im Schaum und nahm sie mit. Als sie wieder auftauchte, war der Brecher unter sie durchgelaufen … und die Nase ihre Seekajaks um ca. 45° zur Seite gebogen. Hinter ihr lagen die Reste eines Felsenriffs, vor ihr der Strand und sie saß in einem Seekajak, das sich nur noch dank der wasserdichten Packsäcke über Wasser halten konnte.

Fotos: „schöne“ Bescherung (16.12.14)


Foto: Ja, hier ist passierte es! (16.12.14)

Die Einfahrt durchs Riff
Das trockengefallene Riff
Das überflutete Riff

Frohe Weihnachten

Freya hatte es wieder mal geschafft, dass alles halb so schlimm mit dieser Havarie war! Dank der brasilianischen Gastfreundschaft! Ihr Freunde aus Sao Luis hatten nämlich Freunde, die Bekannte mit Auto & Ferienhaus in Salvador hatten und die wiederum welche kannten, die selber Outrigger-Boote aus GFK bauten. Damit war nicht nur der Transfer von Subauma nach Salvador gesichert (nämlich im Auto dieser noch unbekannten Bekannten), sondern auch die Unterkunft für Freya g (nämlich im Ferienhaus in Salvador) und die Reparatur ihres Seekajaks (nämlich von Bootsbauern aus Salvador). Ja, ein besseres Weihnachtsgeschenk konnte wohl Freya nicht bekommen.

Übrigens, den geplanten Weihnachtsurlaub in der Heimat lässt Freya dieses Mal ausfallen. Sie will wohl die Umrundung von Südamerika endlich hinter sich bringen und hofft darauf, dass ausnahmsweise ihr brasilianisches Visum um 90 Tage verlängert wird. Seitdem hat sie wieder

Die „Unaufhaltsame“

Dieser „Crash“ am Riff von Subauma konnte Freya jedoch nur kurzfristig aufhalten. Nach einem 4-tägigen Zwangsaufenthalt war aber ihr Seekajak wieder repariert und sie selber so regeneriert, dass sie sich am 21.12.14 erneut in ihre Sitzluke setzte, die Spritzdecke schloss, durch die Brandung fuhr und wieder Strecke paddelte. Seitdem hat sie in 14 Tagen (davon 2 Ruhetage) knapp 547 km zurückgelegt! Will sie es wissen? Plant sie einen „Durchmarsch“? Zumindest die letzten 5 Tage schaffte sie es, jeden Tag die 50-Kilometer-Marke zu knacken. Einmal kam sie sogar auf 66,5 km!

Text: Udo Beier

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