Das bedeutet nun nicht, dass Freya sich bereits im „Endspurt“-Stadium befindet. Nein, nein, denn einen Endspurt ca. 4.400 km vor dem Ziel „Buenos Aires“ das macht keinen Sinn, auch wenn sie schon bis Recife 707 Fahrtentag unterwegs ist. Die Erhöhung ihrer Tageskilometerleistung ist zu allererst auf das Wetter, hier den Rückenwind, und die Strömung zurückzuführen und dann natürlich auf den Motivationsschub, den solch positive Gewässerbedingungen bei Freya auslösten.
In ihrer Paddelstatistik macht sich das wie folgt bei den
gepaddelten Kilometern pro Tag bemerkbar:
03.12.: 28,3 km/Tag
04.12.: 40,2 km/Tag
05.12.: 43,3 km/Tag
06.12.: 49,0 km/Tag
07.12.: 50,3 km/Tag
08.12.: 54,5 km/Tag
09.12.: Ruhetag
10.12.: 48,4 km/Tag
11.12.: 52,0 km/Tag
12.12.: 56,2 km/Tag
13.12.: 61,2 km/Tag
14.12.: 43,3 km/Tag
15.12.: 51,8 km/Tag
16.12.: 50,9 km/Tag
D.h. Freya paddelte die ersten 13 Paddeltag seit Recife
durchschnittlich 48,4 km/Tag. Wer sich mal den Verlauf der
südöstlichen Küste von Brasilien anschaut, wird erkennen, dass
diese Küste mit überwiegend südöstlichem Wind (=>
Süd-Ost-Passat) und südwestlicher Strömung (=>
Brasil-Strom)wie geschaffen für das Küstenkanuwandern ist ….
sofern in südwestliche Richtung gepaddelt wird und die
Brandungsbedingungen beherrscht werden, die an einer solchen
dem Seegang völlig schutzlos ausgesetzten Küste nun mal
vorherrschen!
Der Lohn nach getaner Arbeit!?
(Übernachtung mit City-Blick) (3.12.14)
(Übernachtung unter Palm) (10.12.14)
Brandungstaktik
Da Freya sicherlich keine Lust hat, noch ein fünftes Jahr rund
Südamerika zu paddeln, bleibt ihr nichts anderes übrig, als
loszupaddeln und die Brecher so zu nehmen, wie sie kommen. Sie
erkannte schon gleich am ersten Paddeltag nach ihrem Start in
Recife am 3.12.14, ihrem 708. Fahrtentag, dass der Küste ein
mehr oder weniger stark ausgeprägtes Felsen-, Muschel- bzw.
Sandriff vorgelagert ist. Insofern konnte sie tagelang zwischen
Riff und Küstenstreifen entlang paddeln, ohne mit dem
brechenden Seegang kämpfen zu müssen:
Satelliten-Aufnahme + Schnappschuss vor Ort:
Riff-Passage
(5.12.14)
Nach ein paar Tagen wurde dieser Küstenschutz jedoch immer
brüchiger. Freya musste dann zusehen, dass sie „heile“ durch
die Brecher nach draußen kam … und – natürlich - auch „heile“
wieder rein, sobald die nächsten Riffs für erneuten
Brecherschutz sorgten. Freya gelang es dank GOOGLE EARTH ihre
Tagesetappe so zu planen, dass sie am Ende einer Tagesetappe
immer im Schutz der Riffs anlanden und somit am nächsten Tag
früh am Morgen im Schutz der Riffs wieder allein - also ohne
„Anschubhilfe“ durch Dritte - starten konnte:
Paddeln bei „Ententeichbedingungen“ dank vorgelagertem
Riff
(8.12.14)
Da gegen Mittag der Wind immer stärker wurde (=>
thermischer Seewind), startete sie meist schon in der Dämmerung
vor 5 Uhr früh und beendet ihre Etappe dann i.d.R. am frühen
Nachmittag.
Die letzten Tage verschwand jedoch das Riff bzw. Freya konnte
den Riffschutz nicht mehr bei ihrer Etappenplanung
berücksichtigen. Sie musste bei der Wahl des Etappenendes
umdenken und konzentrierte sich auf Flussmündungen; denn vor
den Flussmündungen sind meist Sandbänke gelagert, wo sich
heranrauschenden Wellen besonders chaotisch brechen:
Satelliten-Aufnahme + Schnappschuss vor Ort:
Übernachtung an der Mündung des Rio Piautinga beim Ort
Mangu
(14.12.14)
(14./15.12.14)
Aber was blieb Freya denn anderes übrig. Die Strände, wo ein
Anlanden mit Seekajak bei glatter See möglich gewesen wäre,
waren i.d.R. steil. Bei Seegang knallte dann die See ohne
vorgelagertem Riff mit zwei, drei Brechern mit solcher Wucht
auf den Strand (sog. „Dumper“), dass es dort viel zu gefährlich
wäre, anzulanden bzw. am nächsten Tag zu starten. Da war es in
der Tat weniger gefährlich, sich zwischen den chaotischen
Brechern vor Flussmündungen „durchzumogeln“, d.h. jene
Durchgänge bzw. „Hintertüren“ zu suchen, wo der Seegang gerade
mal nicht bricht.
„Schöne“ Bescherung
Kurz vor Salvador, ihrem nächsten großem Etappenziel, wo
einheimische Freunde des „Longdistance Kayaking“ sich bereit
erklärt hatten, Freya für ein paar Tage „Unterschlupf“
anzubieten, ja, kurz vor Salvador beim Ort Subauma war es dann
so weit. Viele hunderte Male war es bislang Freya gelungen,
„heile“ durch die Brandung zu kommen, wenn sie auch manchmal
von einem Kaventsmann umgeschmissen wurde. Aber was soll’s.
Dann wird halt hochgerollt (viele Male) oder an den Strand
geschwommen (1x). Dass Freya das immer mit Erfolg geschafft
hat, das hat nichts mit „Glück“ zu tun, sondern in erster Linie
mit „Können“ … und das Ausbleiben von „Pech“!
Ja, vor Subauma war es mal wieder so weit. Es war ein Tag wie
viele andere Tage. Ihr Tagespensum hatte sie mit 50,9 km
erfüllt. Vor ihr lag eine Flussmündung und die nächste war –zig
Kilometer entfernt. Also nichts wie raus an den Strand!. Aber
wo und wie? Vor ihr lag eine Brandungszone, die sich von den
vielen Brandungszonen, die Freya bislang erlebt und überlebt
hatte, kaum unterschied. Trotzdem hat Freya vor jeder
Brandungszone Respekt. Sie weiß, wenn man von See durch die
Brandungszone an den Strand paddelt, erscheinen die
anrauschenden Brecher bei Weitem nicht so hoch, wie wenn man
von Strand hinaus aufs offene Meer schaut:
Blick Richtung Strand
(10.12.14)
Blick Richtung offene See
(12.12.14)
Deshalb tastete sich Freya auch an diesem Tag ganz vorsichtig
durch die Brandungszone und hielt immer wieder Ausschau nach
Untiefen bzw. nach den „Hintertüren“, also dort, wo die Brecher
nicht hinkamen bzw. weniger hoch brachen. Vor Tagen hatte sie
schon eine ähnliche Situation erlebt, wo beim Auskundschaften
des Weges durch die Brandung ein Kaventsmann von hinten
angerauscht kam und genau brach, als er Freya erreicht hatte.
Sie konnte sich nur noch aufs Achterdeck legen, hoch stützen
und hoffen, dass ihr Seekajak nicht kerzte. Dann surfte sie los
bis auf den Strand hinauf. Später, als sie ihr GPS anschaute,
zeigte es eine kurzzeitige Spitzengeschwindigkeit von 35 km/h
an! Ja, das war eine Meisterleistung von ihr! … und verdammtes
Glück?
Nun hielt Freya in dieser Flussmündung wieder Ausschau nach
den „Hintertüren“. Da tauchte erneut unverhofft ein gewaltiger
Brecher hinter Freya auf, begrub sie im Schaum und nahm sie
mit. Als sie wieder auftauchte, war der Brecher unter sie
durchgelaufen … und die Nase ihre Seekajaks um ca. 45° zur
Seite gebogen. Hinter ihr lagen die Reste eines Felsenriffs,
vor ihr der Strand und sie saß in einem Seekajak, das sich nur
noch dank der wasserdichten Packsäcke über Wasser halten
konnte.
Fotos: „schöne“ Bescherung (16.12.14)
Foto: Ja, hier ist passierte es! (16.12.14)
Die Einfahrt durchs Riff
Das trockengefallene Riff
Das überflutete Riff
Frohe Weihnachten
Freya hatte es wieder mal geschafft, dass alles halb so
schlimm mit dieser Havarie war! Dank der brasilianischen
Gastfreundschaft! Ihr Freunde aus Sao Luis hatten nämlich
Freunde, die Bekannte mit Auto & Ferienhaus in Salvador
hatten und die wiederum welche kannten, die selber
Outrigger-Boote aus GFK bauten. Damit war nicht nur der
Transfer von Subauma nach Salvador gesichert (nämlich im Auto
dieser noch unbekannten Bekannten), sondern auch die Unterkunft
für Freya g (nämlich im Ferienhaus in Salvador) und die
Reparatur ihres Seekajaks (nämlich von Bootsbauern aus
Salvador). Ja, ein besseres Weihnachtsgeschenk konnte wohl
Freya nicht bekommen.
Übrigens, den geplanten Weihnachtsurlaub in der Heimat lässt
Freya dieses Mal ausfallen. Sie will wohl die Umrundung von
Südamerika endlich hinter sich bringen und hofft darauf, dass
ausnahmsweise ihr brasilianisches Visum um 90 Tage verlängert
wird. Seitdem hat sie wieder
Die „Unaufhaltsame“
Dieser „Crash“ am Riff von Subauma konnte Freya jedoch nur
kurzfristig aufhalten. Nach einem 4-tägigen Zwangsaufenthalt
war aber ihr Seekajak wieder repariert und sie selber so
regeneriert, dass sie sich am 21.12.14 erneut in ihre Sitzluke
setzte, die Spritzdecke schloss, durch die Brandung fuhr und
wieder Strecke paddelte. Seitdem hat sie in 14 Tagen (davon 2
Ruhetage) knapp 547 km zurückgelegt! Will sie es wissen? Plant
sie einen „Durchmarsch“? Zumindest die letzten 5 Tage schaffte
sie es, jeden Tag die 50-Kilometer-Marke zu knacken. Einmal kam
sie sogar auf 66,5 km!
Text: Udo Beier