Dabei ließ der Engländer nicht nur ein hochkarätiges Feld
hinter sich, sondern auch den scheinbar unschlagbaren
dreifachen Weltmeister Sam Sutton aus Neuseeland. Fast eine
halbe Sekunde schneller als der Zweitplatzierte, demonstrierte
Morley eindrucksvoll, dass er einer der schnellsten
Extrempaddler auf diesem Planeten ist. Auch wenn Morleys
Siegerzeit von 56,10 Sekunden nicht ganz so schnell war, wie
der zuvor von Kiwi Jamie Sutton aufgestellt Streckenrekord
(55,73), so reichte es doch, um bei der 6. Auflage der adidas
Sickline Extreme im Tiroler Ötztal die Goldmedaille vor dem
Italiener Daniel Klotzner und dem Russen Egor Voskoboynikov
(57,51)
zu gewinnen.
150 der weltbesten Wildwasser-, Slalom- und Freestylepaddler
aus 24 Nationen trafen im malerischen Ort Oetz aufeinander, um
auf dem als Wellerbrücke bezeichneten Abschnitt der Ötztaler
Ache, einer der schwierigsten und legendärsten
Wildwasserstrecken der Welt zu paddeln.
Die Wellerbrückenstrecke ist massives Wildwasser der Stufe 5,
das heißt sowohl technisch schwierig als auch gefährlich. Jeder
noch so kleine Fehler hat Konsequenzen. Die
berühmt-berüchtigten Stromschnellen Champions Killer (der
letzte Wasserfall der 280-meter langen Rennstrecke) und
Champions Killer Minus 1 (die Walze oberhalb des Champions
Killers) sind zugleich gefürchtet und beliebt bei den
Extremkajakern, die alle großen Respekt vor dem Flussabschnitt
haben, aber genauso darauf brennen, ihn zu bezwingen.
Die Teilnehmer sind sich einig, dass die adidas Sickline
einzigartig ist, denn hier treffen Athleten der
unterschiedlichsten Kajakdisziplinen – Extrempaddler,
Slalomfahrer und Expeditionskajaker - in einem Rennen
aufeinander. Durch das Head-to-Head Format ist es schwierig
überhaupt, ins Finale zu kommen. Jeder der 15 Finalisten, der
das schafft, hat die Fähigkeit eine Medaille zu holen. Trotz
des Konkurrenzkampfes um den Sieg, sagt die adidas Sickline
Queen 2013 Nouria Newman (NZL), die all ihre Mitstreiter
begeistert anfeuert: „Es ist Extremkajaken, da sichert man sich
gegenseitig. Natürlich möchte man hier gewinnen, aber man will
auch, dass seine Paddelkollegen heil unten ankommen.“
In den Viertel- und Halbfinalrunden an der Wellerbrücke
dominierten die Kiwi-Brüder Sam und Jamie Sutton das Feld und
fuhren die drei schnellsten Rennzeiten des Tages, was niemanden
überraschte. Doch als der Wasserpegel im Tagesverlauf leicht
anstieg, war es Morley, der die sich immer verändernde Sickline
– also die perfekte, flüssigste und schnellste Linie
stromabwärts – am besten traf.
Für den zweifachen Britischen U23 Meister im Kanu-Slalom ist
der Sieg bei der adidas Sickline WM der bisher größte Erfolg:
„Drei Jahre lang haben 150 Jungs immer wieder versucht Sam
Sutton zu schlagen. Es ist schwer genug die
Wellerbrückenstrecke sauber runterzukommen, und dass ich dabei
schneller war als alle anderen ist ein großartiges Gefühl. Ich
habe mir dieses Jahr eine kleine Auszeit in Sachen Slalomfahren
genommen und mich mehr auf das Wildwasserpaddeln konzentriert
und das hat sich ausgezahlt. Ich habe mir gesagt es ist
möglich. Mir ist einfach ein wirklich guter Lauf gelungen und
das hat gereicht.“
Der 21-jährige Daniel Klotzner aus Italien, bisher ein
unbeschriebenes Blatt in diesem Rennen, beeindruckte die
Kajakkonkurrenz am meisten mit seiner Entwicklung. Im Jahr 2010
lag er noch auf dem 46. Rang, 2011 wurde der Südtiroler 23. und
in diesem Jahr paddelte er sich zur Silbermedaille. „Ich bin so
glücklich. Es war ein großartiges Rennen, mein bisher bestes
bei der adidas Sickline. Allein ins Superfinale zu kommen war
schon ein Riesenerfolg für mich. Jetzt stehe ich sogar auf dem
Podium. Das ist der größte Erfolg meines Lebens!“
Dem Russen Egor Voskoboynikov (27) aus Moskau gelang bei
seiner fünften Teilnahme an der Sickline endlich der Sprung
aufs Stockerl. Bekannt als herausragender Slalom- und
Expeditionspaddler mit riesigen Händen und unglaublicher Kraft
bewegte sich der Russe rasend schnell durch das Flachwasser und
fand seine bisher beste Linie durch die großen Stromschnellen.
“Ich habe versucht, superschnell durch die Flachpassage zu
kommen. Dort habe ich die Hälfte meiner Kraft gelassen. Die
andere Hälfte habe ich mir für den letzten Teil aufgehoben. Ich
habe zwei Fehler gemacht, im oberen und im unteren Teil. Doch
jeder macht Fehler, so wie ich auch, und ich bin froh, dass ich
heute auf dieser Strecke zeigen konnte, was ich drauf
habe.“
Zum erstem Mal in der Geschichte der adidas Sickline durften
die Top 5 Damen der Qualifikation ihren Wettkampf um den Titel
der adidas Sickline Queen auf der oberen Wellerbrückenstrecke
austragen. Im letzten Jahr waren nur die Top 3 Damen
zugelassen. Mit einer Siegerzeit von 2:12.28 nach zwei Läufen,
wurde die 22-jährige Nouria Newman aus Frankreich zur
schnellsten Frau der Wellerbrücke gekrönt. Platz 2 ging an die
Neuseeländerin Toni George (2:40.46), Martina Wegman aus den
Niederlanden wurde Dritte (2:53.41).
Newman, die einen sehr sauberen zweiten Lauf hinlegte in einer
Zeit, mit der sie sich gut in der Runde Top 48 Männer hätte
behaupten können, sagt es hätte sich schon während der Fahrt
gut angefühlt. „Ich habe etwas zu viel Wasser vor meinen Bug
bekommen und wurde etwas weiter nach links gedrückt als es mir
lieb war und habe daher den Fels in der letzten Schlüsselstelle
ein wenig touchiert, was nicht gerade angenehm war, aber ich
wusste, dass ich in der oberen Hälfte sehr gut war und bin ins
Ziel gesprintet. Manchmal ist der Fluss stärker als man selbst,
oder man kann das Wasser nicht richtig lesen, oder es läuft
einfach nicht so rund, aber manchmal gelingt einem auch alles,
so wie heute, und dann macht es so richtig Spaß.
Zwölf Frauen nahmen in diesem Jahr an der adidas Sickline
teil, so viele wie noch nie zuvor. Für Newman war es das erste
Mal und sie begründete ihre Teilnahme damit, dass sie die
Bemühungen der Organisatoren, Frauen bei diesem Event zu
unterstützen, sehr schätze. „Mir war klar, dass aufgrund des
Preisgelds mehr Mädels am Start sein werden und so habe ich
auch beschlossen hier mitzufahren. Und ich bin froh, denn als
ich hier am Fluss ankam dachte ich mir, ich hätte von Anfang an
dabei sein sollen, denn es ist eine wirklich tolle
Stromschnelle, auch die Sektion oberhalb der Wellerbrücke. Die
Umgebung und alles hier im Ötztal ist einfach toll, es gefällt
mir sehr gut.“
Auch die Neuseeländerin Toni George war zum ersten Mal dabei:
“Es ist auf jeden Fall eines der härtesten Rennen überhaupt.
Für mich lief es ziemlich gut bis ich in den TNT Katarakt kam.
Dort war ich etwas zu weit rechts und musste rollen, ich konnte
mich aber ziemlich schnell wieder aufrichten und hatte
ausreichend Geschwindigkeit, um durch den Champions Killer
Minus One zu kommen. Dort musste ich auch noch einmal rollen
und habe einfach nur versucht so schnell wie möglich ins Ziel
zu kommen.”
Martina Wegman aus den Niederlanden, die Drittplatzierte des
vergangenen Jahres fuhr auch in diesem Jahr auf Rang 3, nachdem
sie gerade noch rechtzeitig zur Qualifikation in Oetz
angekommen war. ‚Mrs. Goodlines’, wie sie in der Szene
liebevoll genannt wird, sagte „mein Lauf war am Ende nicht so
gut, wie ich es mir erhofft hatte. Ich bin erst sehr spät
angereist und hatte Glück, dass ich überhaupt teilnehmen
konnte. Ich bin dieses Jahr nicht so gut in Form und war
gestern sehr müde. Nach meinem zweiten Lauf war ich erschöpft,
vor allem weil es heute etwas kälter ist. Ich bin leider in
einer Walze hängengeblieben und wirklich froh, dass ich
überhaupt unten angekommen bin, denn ich war kurz davor meine
Spritzdecke zu ziehen, daher freue ich mich sehr über die
Platzierung. Es war sicher nicht mein bestes Rennen, aber mehr
konnte ich nicht erwarten, dafür bin ich einfach zu spät
angereist und habe zu wenig trainiert. Ich bin einfach nur
glücklich, hier dabei zu sein. Dieser Event macht wahnsinnig
viel Spaß.“
Weitere Informationen unter www.adidas-sickline.com
Bilder: Jens Klatt, Manuel Arnu