17.11.2011 | Kanu-Rennsport

Kanutin Franziska Weber fühlt sich von Birgit Fischer angestachelt

Als „Küken“ in der olympischen Boots-Klasse angekommen / “Erwische mich schon mal beim Kopfkino“

Das olympische Comeback, das Birgit Fischer im zarten Alter von 49 Jahren für die Sommerspiele 2012 in London ankündigte, scheint die Generationen nach ihr irgendwie anzustacheln. „Erst mal abwarten, ob sie im April tatsächlich zur Olympia-Quali antritt. Wenn ja, ist sie bestimmt bestens vorbereitet. Trotzdem wäre es für uns Jüngere sehr frustrierend und ernüchternd, wenn sie uns noch in den Sack hauen würde“, kommentiert die 27 Jahre jüngere Franziska Weber das Vorhaben der mit acht Mal Gold und vier Mal Silber erfolgreichsten deutschen Olympionikin.

Die sportliche Enkelin macht keinerlei Hehl daraus, dass sich die Nachfahren gegenüber der großen Birgit Fischer, sollten ihre Worte mehr sein als eine PR-Aktion in eigener Sache, selbstverständlich keine sportliche Blöße geben wollen. Nicht zuletzt von dieser Motivation werden Franziska Weber und ihre Nationalmannschafts-Kolleginnen angespornt, seit sie seit Monatsanfang im Trainings-Camp in Florida schwitzen. Die drei Wochen in Übersee sind die erste Etappe auf dem Schweiß treibenden olympischen Weg. Anschließend folgt sofort das nächste Trainingslager vom 26. November bis zum 14. Dezember im spanischen Sevilla.

„Für ausgiebige Weihnachtseinkäufe wird die Zeit wahrscheinlich ein bisschen knapp, aber für ein paar Geschenke wird es locker reichen“, sagt Franziska Weber. Adventsstimmung kommt bei der zweifachen WM-Silbermedaillengewinnerin dieses Jahres, die damit bei den Großen endgültig den Durchbruch schaffte, derzeit ohnehin nicht auf. Dafür sorgen sowohl die Temperaturen als auch das gegenwärtige Pensum. Schon morgens gewissermaßen zum Einpaddeln werden in Miami bei Puls 160 bis 170 Strecken zwischen 10 und 15 Kilometer zurückgelegt. Bei den Trainingseinheiten später am Tag schwillt der Puls schon mal bis 180 an. „Da wieder rein zu kommen, fällt nach einem Monat Pause am Anfang verdammt schwer“, gesteht die 22-Jährige. „Die langen Strecken sind gerade jetzt jeden Tag ganz wichtig, um vor der neuen Saison die Grundlagen zu schaffen.“

Angespornt wird das „Kanu-Küken“ bei alldem nicht nur von ihrem olympischen Traum, den sie schon als kleines Mädchen träumte, und von Birgit Fischers „Drohung“, sondern zugleich von der Aufnahme ins neue Sporthilfe-Programm „Elite Plus“. Die junge Potsdamerin, die bei Junioren-Weltmeisterschaften in den Mannschaftsbooten schon reihenweise Silber- und Bronzeplaketten sammelte und im Vorjahr mit dem WM-Titel über die nichtolympische 1000-m-Distanz im Einerkajak für einen ersten Paukenschlag bei den Großen sorgte, stieß als vorerst Letzte in den erlauchten Kreis der besonders Geförderten vor. Zu ihm zählen nunmehr insgesamt 37 Athleten, allesamt Medaillenhoffnungen für London, die bis zum August 2012 von der Sporthilfe mit Unterstützung des Wirtschafts-Dienstleisters PricewaterhouseCoopers (PwC) maximal 18 Monate lang jeweils 1.500 Euro erhalten.

„Damit ist das Urlaubssemester unmittelbar vor den Olympischen Spielen praktisch schon in Tüten. Darüber brauche ich mir gar keine Gedanken mehr zu machen. Bis dahin versuche ich noch ein paar Fächer zu belegen, soweit es mit den Trainingslagern zu vereinbaren geht“, so die Kanutin, die zuhause an der Fachhochschule Potsdam Bauingenieurwesen studiert. Das Stipendium der Sporthilfe bezeichnet sie als „große Erleichterung, gerade auch psychologisch“. „Ein Stück weit ist es eine Auszeichnung, dass man als Anwärter auf eine olympische Medaille gehandelt wird. Und ein Stück weit ist es eine Verpflichtung.“

Erstmals in Kontakt mit der Sporthilfe kam die „Eliteschülerin des Jahres“ von 2009, die ihr Abiturzeugnis damals zusammen mit ihrer Bronzemedaille bei der Heim-EM am Beetzsee aus den Händen des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck erhielt, vor sechs Jahren. Die Zuwendungen investierte die Nachwuchs-Athletin, um das alljährlich vom Verein organisierte Trainingslager nicht zu verpassen.

Objektiv betrachtet, ist die Aufnahme von Franziska Weber ins Programm„Elite Plus“ gegenüber Carolin Leonhardt (Mannheim), Tina Dietze (Leipzig) und Silke Hörmann (Karlsruhe) nur gerecht. Ihre Gefährtinnen, mit denen sie in diesem Jahr WM-Silber im völlig neu formierten K4 über 500m gewann ebenso wie mit ihrer Freundin Tina Dietze im K2, haben dank der Sportfördergruppen der Bundeswehr oder der Bundespolizei optimale Bedingungen. Dieses leistungssportliche Umfeld wird auch Franziska Weber in den nächsten Monaten brauchen, denn um die insgesamt sieben Startplätze in den einzelnen olympischen Klassen im Rennkanu – Einer, Zweier und Vierer - werden sich im Frühjahr, Birgit Fischers Ambitionen hin oder her, knapp drei Dutzend Sportlerinnen bewerben. „Das wird hart. Da zählen die Erfolge dieses Jahres nichts mehr“, erklärt Potsdams „Sportlerin des Jahres“ von 2010. „Es geht gar nicht anders, als das Hauptaugenmerk jetzt nur auf den Sport zu legen. 2008 kam ich gerade von den Junioren. Da war Peking für mich utopisch. Jetzt kann ich´s schaffen und den Traum wahr machen - und ich erwische mich schon manches Mal beim Kopfkino.“ Soll heißen: Schon jetzt eilen ihre Gedanken mitunter voraus zum größten sportlichen Ereignis des Jahres 2012.

Quelle: Deutsche Sporthilfe
Von:
Andreas Müller

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