Noch bis etwa einen Meter vor der Ziellinie schien im
C1-Finale über 1000m der Brasilianer Dos Santos den Sieg
erringen zu können, Sebastian Brendel war ihm Zentimeter um
Zentimeter näher gekommen. Doch zu früh setzte der Brasilianer
zum Zielsprung an, konnte sich nicht mehr halten und kenterte
noch vor der Ziellinie – Gold für Brendel, der in einem
hochdrama- tischen Finale das Letzte aus sich heraus geholt
hatte und hinter der Ziellinie ebenfalls kenterte. „Es war ein
super Rennen. Ich bin einfach nur gefahren, gefahren, gefahren
und war nach dem Rennen so fertig wie noch nie zuvor. Nach dem
Ziel hatte ich dann absolute Sauerstoffnot, da musste ich mich
erstmal ins Wasser retten. Ich bin überglücklich, auch weil ich
die bislang schnellste Zeit über 1000m gefahren bin –
Weltbestzeit, die wollte ich schon immer knacken“, meinte der
26-jährige Bundespolizist nach dem Rennen. Ganz Sportsmann
fügte er zum Schicksal seines Kontrahenten hinzu: „Dass der
Brasilianer nicht ins Ziel gekommen ist, ist schade, aber so
ist nun mal der Sport. Mein 1. WM-Titel über 1000m - es ist
einfach ein tolles Gefühl, ich habe dafür lange und hart
gearbeitet. Großen Dank an meine Familie und meinen Trainer,
ihm vertraue ich voll, wir hatten vorher abgesprochen, wie ich
fahren soll und es ist voll aufgegangen. Ich hoffe, dass das
unserem Team jetzt weiter Auftrieb gibt.“
Auch von Chefbundestrainer Reiner Kießler fiel ein Trauma ab:
„Das war ein Rennen für die Geschichtsbücher. Nach zwei Finals
zuvor, die nicht so gut für uns liefen, lässt uns der Sieg von
Sebastian erstmal tief durchatmen“, so seine erste Reaktion
nach dem Erfolg von Brendel.
In den anderen Disziplinen unterlegen
Zuvor war der K4 der Damen mit Verena Hantl (Karlsruhe),
Franziska Weber (Potsdam), Tina Dietze (Leipzig) und Conny
Waßmuth (Potsdam) hinter Ungarn, Polen und Weißrussland auf
Rang vier gepaddelt. Übereinstimmend schätzten die vier ein:
„Mit dem Rennen sind wir eigentlich nicht unzufrieden, es war
kein schlechtes Rennen. Aktuell müssen wir uns in der
Entwicklung des K4 um Platz vier herum sehen. Die anderen sind
halt momentan stärker. Bis Rio haben wir noch viel Arbeit vor
uns. An unserem Ziel, eine olympische Medaille, halten wir auf
jeden Fall fest“, so Verena Hantl.
Enttäuschend endete auch das K1-Finale über 1000m der Männer
für Titelverteidiger Max Hoff (Essen). Er fand diesmal kein
Mittel, um in die Entscheidung mit eingreifen zu können und
wurde am Ende Neunter, die Medaillen holten Josef Dostal (CZE)
vor Miroslav Kirchev (BUL) und Rene Holten Poulsen (DEN). Mit
etwas Abstand äußerte er später: „Ich habe das Rennen abgehakt.
Wir müssen in Ruhe analysieren, woran es gelegen hat. Es ist
jedenfalls einiges schief gelaufen.“
Auch der als Medaillenkandidat geltende K2 der Männer mit Max
Rendschmidt (Essen) und Marcus Groß (Berlin) blieb auf Rang
vier hinter den Booten aus der Slowakei, Australien und Serbien
ohne Edelmetall. Max Rendschmidt quittierte das Abschneiden mit
den Worten: „Das war sch…anstrengend. Ich hatte tierische
Probleme mit der Nervosität, habe fast die ganze Nacht nicht
schlafen können. Aber so ist das eben, an einem guten Tag wirst
du erster, an einem schlechten ist das Podium weg". Marcus Groß
ergänzte: „Mehr ging heute einfach nicht. Wir müssen ehrlich
eingestehen, die anderen haben enorm aufgeholt, sowohl am Start
wie z. B. die Australier als auch im Finish wie z. B. die
Slowaken. Wir können niemanden mehr überraschen.“
In den weiteren Finals am heutigen Vormittag kamen die
DKV-Boote im C4 über 1000m mit Sebastian Hennig (Leipzig), Erik
Leue, Michael Müller (beide Magdeburg) und Peter Kretschmer
(Leipzig) auf Rang fünf, Melanie Gebhardt (Leipzig) fuhr im K1
der Damen über 100m auf Rang sieben und im C2 der Männer über
500m belegten Robert Nuck und Stefan Holtz (beide Leipzig)
Platz neun.
DKV-Präsident Thomas Konietzko bilanzierte zum Abschneiden des
deutschen Teams: „Für uns zeigt sich Licht und Schatten. Ich
nehme mit, dass in den meisten Disziplinen noch mehr Boote in
die Weltspitze vorgedrungen sind und es immer enger an der
Spitze wird. Wir sehen hier deutlich, dass man nicht nur in
Europa, auch in anderen Kontinenten einen deutlichen Schritt
nach vorn gemacht hat.“
Fünf DKV-Boote in den Sprintfinals
Mit einem ungefährdeten Semifinalsieg und bester Zeit aller Boote unterstrich am Nachmittag der Herren-Sprint-Zweier Ronald Rauhe (Potsdam) und Tom Liebscher (Dresden) seine Medaillenambitionen im morgigen Finale. Mit jeweils couragierten Semifinalläufen und Rang zwei sicherten sich auch Sabine Volz (Karlsruhe) im K1 und Stefan Kiraj (Potsdam) im C1 die Endlaufteilnahme. In den gestrigen Vorläufen über 200m hatten sich als Sieger Franziska Weber (Potsdam) und Tina Dietze (Leipzig) sowie Robert Nuck und Stefan Holtz bereits direkt für die Finals qualifiziert. Einzig Jonas Ems (Essen) musste mit Rang sechs im Semifinale mit dem C-Endlauf vorlieb nehmen.
Gold und Silber auf der Langstrecke
In den spannenden Langstreckenrennen zum Abschluss des heutigen Tages erkämpfte Sebastian Brendel dann seinen zweiten Titel. Er gewann erneut im Duell mit Attila Vajda (HUN): „Ich bin glücklich, dass meine Serie gehalten hat: alle Langstreckenrennen, die ich bei EM und WM gefahren bin, habe ich gewonnen“, sagte der zweifache Champion und kündigte an, auch mit der Staffel noch um eine weitere Medaille kämpfen zu wollen. Etwas Balsam auf die wunde Seele gab’s für Max Hoff, er holte hinter dem Australier Ken Wallace Silber: „Das ist schon ok, jetzt habe ich wenigstens meine Medaille. Ich bin froh, dass ich noch vor den beiden anderen geblieben bin. Mich so richtig freuen – das ist aber im Moment etwas schwierig.“ Ein couragiertes Rennen zeigte auch Neuling Melanie Gebhardt (Leipzig) bei den Damen. Sie hielt sich von Beginn an im Vorderfeld auf, lag lange Zeit auf Medaillenkurs, musste am Ende aber noch die Ungarin Renata Csay vorbei lassen. So blieb am Ende nach starker Leistung Platz vier. Den Sieg holte Louisa Sawers (GBR) vor Maryna Litvinchuk (BLR). DKV-Präsident Thomas Konietzko sprach nach den Langstrecken-Entscheidungen von einem einigermaßen "versöhnlichen Abschluss. Das hübscht unere Bilanz etwas auf."
Komplette Ergebnisse:
http://www.results.imas-sport.com/imas/regatta.php?competition=wettkampf_112
Text: H.-P. Wagner