14.11.2010 | Kanu-Drachenboot

Armadacup - Siege im Damen- und Open Boot für den DKV - oder auch Massencrash mit Drachenbooten

Seit 1987 wird auf dem Wohlensee bei Bern unter Beteiligung der Weltelite gerudert, seit 1999 dürfen auch Drachenboote in Bern an den Start gehen und dies in steigender Zahl. In den letzten Tagen vor dem Start des Rennens am 30.10.2010 ließ schon der Blick auf die Teilnehmerliste mit 55 Teams durchaus gemischte Gefühle aufkommen. Letztendlich gingen in Bern in diesem Jahr sieben Damenboote aus der Schweiz, der Tschechischen Republik, Frankreich und Deutschland sowie 43 Open Boote aus der Schweiz, Italien, der Tschechischen Republik, Frankreich und Deutschland an den Start. Ein Teilnehmerfeld, das durchaus einer Europameisterschaft würdig wäre.
Foto: Matthias Eschbach

Bevor ich versuche, die durchaus als dramatisch einzustufenden Rennverläufe zu schildern, darf ich ein wenig von den Geschehnissen berichten, die sich in den Wochen bis Stunden vor dem Start unter dem Stägmatt-Steg ereigneten. Die Rennen selbst habe ich als Steuermann der WVS Rheingauner Open erlebt. Da es bereits beim Armadacup 2009 zu einigen Kenterungen und Unfällen kam und man in Teilnehmerkreisen dieses Rennens bereits auf Schwächen im organisatorischen Ablauf der Regatta diskutierte, erlaubte ich mir, dieses Thema bereits im August 2010 anlässlich der WM in Ungarn mit Francois Ryffel aus der Schweiz, Dragonboat Chairman der ICF, zu besprechen. Durch dieses Gespräch ermutigt, habe ich in den letzten Wochen versucht, dem Veranstalter des Armadacup 2010 einige Vorschläge zum Rennablauf und Sicherungselementen zu übermitteln. Da in diesem Jahr erstmalig fünf bis sechs Sicherungsboote der Schweizer Wasserrettung anwesend waren, konnte ich daraus schließen, dass zumindest dieser Vorschlag umgesetzt worden war.

Bereits mit dem Verlesen der Teilnehmerliste während der Steuerleutebesprechung wurde deutlich, dass nur etwa die Hälfte der teilnehmenden Teams an dieser Besprechung teilnahm. Der Verantwortliche für den Rennablauf sprach lediglich den Start und das faire Verhalten im Rennen selber an. Es fehlten jedoch jegliche konkrete Hinweise für den Ablauf des Starts, außer dem Hinweis auf die vorgesehene Startzeit sowie das Rechtsfahrgebot im Streckenabschnitt zwischen Wohlenbrücke und Wende.

Als erstes formierten sich die Damen an der Startlinie und starteten fair und professionell. Schon auf den ersten zwei Kilometern des Rennens wurde erkennbar, dass es dem Seriensiegerboot der letzten Jahre, den Beider Basel Damen nicht gelang, sich vom Feld abzusetzen. Ferner wurde deutlich, dass bei dem Dreikampf der letzten Jahre zwischen den Booten aus Basel, Prag und Schierstein, mit den Los Banditos aus Rostock, nun ein viertes Boot mitmischte. Nach, für Damenboote sehr harten Positionskämpfen auf den ersten vier Kilometern, erreichten diese vier führenden Boote die sehr ungewöhnlich ausgelegte Wende. Beim Einfahren in die Wende führte das Rostocker Boot, dicht gefolgt von Prag und Schierstein. „Unsere Frauen wurden dort in diesem Jahr im wahrsten Sinn abgeschossen“ so der Originalton aus Rostock. Prag rammte das Rostocker Boot so, dass dort ein Loch im Boot entstand. Der Prager Steuermann fiel bei diesem Ereignis kurzfristig vom Boot. Schierstein nutzte die Situation und zog innen, dicht an der ersten Wendboje vorbei und sicherte sich so den entscheidenden Vorsprung in diesem Rennen, das in den letzten vier Kilometern durch die Überholvorgänge der herannahenden Männerboote geprägt wurde. Dabei waren sowohl Behinderungen aber auch geschicktes Wellefahren der Damenboote zu beobachten. Das bedeutete den ersten Sieg für ein Schiersteiner Boot in Bern. Nach einem Protest aus Rostock und 20 Sekunden Zeitstrafe für die Damen aus Prag und ging der zweite Platz an Rostock und der dritte Platz an Basel. Die WVS Rheingauner Damen, überwiegend Masters Damen, die sich mit acht Sportlerinnen aus Koblenz, Mannheim, Riesa, Witten und Riesa ergänzt hatten, konnten so ihren einsamen Weg auf das Siegerpodest in Bern antreten, da der Veranstalter es nicht für nötig erachtete auch die Zweit- und Drittplatzierten auf das Podest zu bitten. In Bern zählt offensichtlich nur die Übergabe der Siegprämie. Hier ein „sorry“ aus Schierstein, wir hätten schneller reagieren müssen und die beiden anderen Teams nach vorne holen sollen.

Mittags dann der Countdown für die Open Boote. Seien wir ehrlich, in den Booten, die um die Treppchenplätze fahren, sitzen ausschließlich Männer. Alle Boote sind mit Pumpen und zum Teil abenteuerlichen Wellenabweisen am Bug der Drachenboote ausgestattet, obligate Ausstattungsmerkmale für ein Überstehen des Rennens in Bern. Auch die Open Boote formierten sich kurz vor dem Stägmatt-Steg. Bahn zwei wurde auf seinen korrekten Startplatz nach links gebeten. Bahn sieben aus Schwörstadt schloss links sehr dicht an die Reihe der sechs schnellsten Boote des Vorjahres auf. Auch Bahn 26 wird in der Nähe der zweiten Reihe gesichtet. Alle sieben Boote in der ersten Reihe lagen auf einer Breite von max. 30 Metern. Alle begannen zu paddeln, irgendwann soll es sogar einen Schuss  gegeben haben. Während der ersten 200 Meter beschleunigten alle Boote auf Maximaltempo, dann überschlugen sich die Ereignisse. Im Bereich der Bootshecks baute sich eine ungeheuere Welle auf. Bahn eins aus Rapperswil-Jona zog es nach rechts, innerhalb weniger Sekunden war der Platz zwischen Bahn eins und Bahn zwei aus Rostock aufgebraucht und der seitliche Abstand zu Bahn drei aus Schierstein ging auf Null, erster Paddelbruch im Schiersteiner Boot. Das zweite Teil des Dramas begann auf der rechten Seite des Feldes. Bahn fünf, Beider Basel II, wurde ebenfalls nach rechts gezogen und touchierte Bahn sechs, Bad Säckingen im Heckbereich. Damit wurde das Säckinger Boot, welches schon einen kleinen Vorsprung herausgefahren hatte, nach links in Richtung des Hauptfeldes katapultiert. Der Massencrash aller sechs Boote aus der ersten Startreihe war damit besiegelt, ihnen sollten weitere Boote aus der zweiten Reihe folgen. Bahn neun aus Grenzach fuhr, nachdem das Boot aus Bad Säckingen das ganze Feld nach links gequert hatte, in die linke Flanke des Säckinger Bootes und rutschte auf dieses Boot auf, wobei ein Säckinger Sportler schwerste Prellungen erlitt.Schwörstadt, auf der linken Feldseite gestartet, nutzte nun den freien Raum und eilte dem Feld davon. Einige Teams trafen sich auf der links gelegenen Sandbank und zogen ihre Boote ins freie Wasser. Bad Säckingen traf die Entscheidung weiter zu paddeln und begann eine bewundernswerte Aufholjagd von Platz 30+ auf Rang vier im Ziel! Rapperswil-Jona, Basel II, auch Schierstein hatten Glück und konnten sich relativ rasch aus dem Pulk der kollidierten Boote befreien. Einige Boote der zweiten Reihe mit den Startnummern 11, 12, 10, 8 und die schon erwähnte Startnummer 26 konnten den Unfallort rechts passieren und fanden sich so auch unter den ersten zehn der Ergebnisliste.

Der Rest des Rennens ist schnell erzählt. Es wurde um jede Position im gesamten Feld erbittert gekämpft. Das Wasser in Bern war eiskalt. Alle Boote erlitten Wassereinbrüche von zum Teil einigen hundert Litern, wir waren auf die Pumpen, die Wasserabweiser und auf das Ausschöpfen per Hand angewiesen. Bei der An- und Durchfahrt zur Wende gab es unzählige Kollisionen. Bootsberührungen bei Überholvorgängen waren an der Tagesordnung, die Vorbeifahrt der Boote, die zur Wende fahren und die von der Wende kommen, klappte in diesem Jahr recht gut, es grenzte an ein Wunder, dass Bern 2010 ohne Kenterung auskam und dennoch es gab Diskussionsbedarf. Es siegte das Boot von WVS Schwörstadt, gefolgt von Rapperswil-Jona und Basel II. Bad Säckingen belegte den undankbaren aber viel beachteten vierten Platz, gefolgt von Schierstein mit seinem Masters Team auf Platz fünf und dem folgenden Boot aus Italien/Florenz.

Glückwünsche an die Damen aus Schierstein und Rostock, Glückwünsche nach Schwörstadt und Genesungswünsche nach Bad Säckingen. Bern ist eine Reise wert, die Teilnehmerliste für 2011 füllt sich bereits wieder. Dennoch hier einige Anmerkungen:
Einige Teams stellen ihre zukünftige Teilnahme in Frage und fordern Änderungen des Rennablaufes des Open Rennens. Zitat aus Bad Säckingen: „Die Veranstaltung endete nur knapp vor einer Katastrophe. Es bleibt zu hoffen, dass nicht etwas wirklich Schlimmes passieren muss, bis sich etwas verbessert.“ Rostock: „Ca. 50% haben beschlossen im nächsten Jahr nicht mehr am Armadacup teilzunehmen, wenn sich nicht grundlegende Dinge ändern.“

Was alle wollen - deshalb ist Bern auch so beliebt - ist das Drachenbootpaddeln ohne viele Regeln, den Massenstart und den Bord an Bord Kampf auf der Strecke, ohne dass ein Schiedsrichter bei einer Bootsberührung die rote Karte zeigt. Die Startsituation in diesem Jahr zeigte aber, das der gleichzeitige Start von sechs bis sieben Booten zu Situationen führt, die für die Steuerleute nicht beherrschbar sind. Ich bin mir sicher, dass auf den Booten der beiden ersten Startreihen nur erfahrene Steuerleute standen, dennoch sind die Boote von Rapperswil-Jona und Basel II ausgebrochen. Drachenboote mit ihrem bananenförmigen Rumpf wollen auf der Welle fahrend zum vorausfahrenden Boot auffahren, sie werden quasi angesaugt. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn das Wasser nicht so tief ist und die Boote sehr dicht beieinander fahren, wie das in Bern nun einmal der Fall ist. Mittlerweile wissen wir, dass nur zwei Personen im Organisationskomitee des Armadacups für das Drachenbootrennen zuständig sind. Sie machen eine sehr gute Arbeit und können als Zweimannteam wirklich nicht das Verhalten von 50 Drachenbootteams kontrollieren. Daher haben bereits einige Personen Hilfe angeboten, weitere werden folgen und Vorschläge für den Rennablauf entwickeln, die im Wesentlichen die Startphase betreffen. Aus der bisherigen Diskussion seien nur genannt: Startkorridore für jeweils sechs Boote, die markiert und gekennzeichnet sind. Stehender Start mit Schuss, Ballonierung von sechs Bahnen auf den ersten 500 Metern, Markierungsbojen für Untiefen, Markierung der Durchfahrt durch die Wohlenbrücke, Markierungsbojen auf der Strecke Wohlenbrücke/Wende, dabei Rechtsverkehr. Vergrößerung des Wendenradius mit mehreren Bojen, Streckensicherung durch Wasserrettung. Dies wurde 2010 schon teilweise umgesetzt. Die Trennung der Open Klasse in eine Männer- und eine Mixed Klasse mit sechs Frauen an Bord wird ebenfall von vielen Teams gewünscht. Auch das Procedere bei der Siegerehrung sollte im Ablauf und durch technische Unterstützung (Tonübertragung) überdacht werden.

Der BKW Armadacup Bern, seit zwölf Jahren für Drachenboote eine Erfolgsgeschichte, eine Schweizer Erfindung, ein europäischer Treffpunkt mit hohem Abenteuerwert. Die Teams des Deutschen Kanu-Verbandes bieten dem Organisationsteam Drachenboot in Bern ihre Hilfe mit Material, Know-how und Manpower an.

Günter Renschin

Hessischer Kanuverband

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