16. März 2021

Der Vorwärtsschlag beim Seekajak

Bildquelle: Christian Zicke, Outdoordirekt

Es schadet nicht, wenn auch erfahrene Paddler sich selbstkritisch fragen, ob ihre eigenen Paddeltechniken fit für die hohe See sind. Deshalb zeigt euch Kanulehrer und Physiotherapeut Lars Everding in seinem Workshop „Paddeltechnik für Seekajakfahrer“ worauf es genau beim Vorwärtsschlag auf See ankommt.

Von Lars Everding, DKV-Referent Ausbildung Küste

 

Zum besseren Verständnis unterteilen wir den Vorwärtsschlag in 4 Phasen.


1. Phase – Eintauchphase

Tauche dein Paddel in der ersten Phase deines Schlages mit funktional gebeugtem Ellenbogen bootsnah mit der gesamten Blattfläche vorne ins Wasser ein. Da wir keine Rennen gewinnen müssen, sollten wir Endstellungen in den Gelenken grundsätzlich zur Gesundheitsprävention vermeiden. Das heißt in der Praxis das Paddel bequem vorne aber bootsnah einzutauchen und den Ellenbogen dabei nicht gänzlich zu strecken (funktional gebeugt). Wenn das Paddelblatt beim Eintauchen keine Spritzer oder Verwirbelungen erzeugt, bist du auf dem richtigen Weg. Ist dein Paddel im Wasser eingetaucht, wirst du feststellen, dass du dabei automatisch deinen Oberkörper und deine Schulterachse vorrotiert hast.

 

2. Phase – Durchzugsphase

Jetzt geht es in der zweiten Phase, diese Vorrotation wieder aufzulösen und wiederum auf der Gegenseite in die Vorrotation zu kommen. Dein Oberkörper und deine Schulterachse bewegen sich somit viertelkreisförmig um deine Körperlängsachse.
Und darum geht es. Hier erzeugst du die Kraft für den Vorwärtsschlag aus deiner gesamten diagonalen Rumpfmuskulatur! Dein Paddelblatt ist optimal dabei im Wasser verankert (Catch) wenn es wenig Verwirbelungen erzeugt und du das Gefühl hast, dein Kajak am Paddel vorbeizuziehen. Punktum Fixum und mobile drehen sich um. Ganz Wichtig: dein Paddelschaft und die Schulterachse bleiben dabei parallel und bilden ein Parallelogramm bzw. die Paddelbox. Die Länge der Durchzugphase ist also abhängig von deiner Oberkörperrotation. Vermeide es durch das Beugen deiner Ellenbogengelenke (aus dem Armen paddeln) deine Durchzugphase zu verlängern. Die Zugrichtung deines Paddels im Wasser geht in einer Diagonalen von „vorne-innen“ nach „hinten-außen“. Das hat zwei entscheidende Vorteile für dich. Du „catcht“ mit dem Blatt immer wieder neues unverwirbeltes laminares Wasser und erzeugst mit einem profilierten Blatt zusätzlich zum „Vortrieb durch Verdrängung“ noch einen „Vortrieb durch Auftrieb“ (hydrodynamischer Lift). Aus der Vogelperspektive betrachtet, beschreibt dein Paddel jetzt im Wasser einen diagonalen Weg von innen-vorne nach außen-hinten. Aus dem Viertelkreis der Oberkörperrotation wird durch eine Parallelverschiebung der Arme nach außen -Lateralshift- eine Diagonale.


Deine obere Führhand, auch Druckhand genannt, bleibt während dieser Phase über ihren gesamten Verlauf auf gleicher Höhe, drückt den Schaft im Wiederlager mit der unteren Führhand (Zughand) nach vorne und überquert dabei die Längsachse deines Bootes. Als Seekajaker wirst du je nach konditioneller Verfassung  die Höhe deiner Führhand den äußeren Bedingungen situativ anpassen.  
Zur weiteren Kraftübertragung geht’s jetzt unter der Spritzdecke weiter. Im Zugmoment des Paddels überträgst du die Kraft über dein gleichseitiges Bein ins Boot, indem du dein Kajak mit deinem Fußballen nach vorne drückst. So kannst du die gesamten Muskelketten deines Körpers effektiv zum Vortrieb nutzen. Dabei hältst du das Paddel über alle Phasen locker in der Hand und schaffst es in der Druckphase die Finger leicht zu öffnen.  


3. Phase – Aushubphase

In der dritten Phase geht es darum dein Paddelblatt widerstands- und somit spritzwasserfrei aus dem Wasser zu heben. Wenn du nicht aus dem Armen gepaddelt hast, befindet sich dein Paddelblatt jetzt hinten-außen, ungefähr auf Höhe deiner Hüfte. Den Aushub leitest du am besten über einen kleinen Impuls durch das Anheben des Ellenbogens ein und lupfst gleichzeitig mit deiner Zughand das Paddel diagonal nach außen-hinten aus dem Wasser und zwar so das wenig Turbulenzen im Wasser entstehen.

 


4. Phase – Umsetzphase

Erst jetzt im Übergang zur vierten Phase verlässt deine obere Führhand ihre Höhe und wechselt in die Position der unteren Führhand. Wenn du länger unterwegs bist, nutzte die Wechselphase jeweils durch eine kleine Verzögerung für eine lohnende Pause.



Schlagfrequenz

Deine Schlagfrequenz hängt von vielen Faktoren ab:

  • deine Maximalkraft
  • Ausdauerfähigkeit
  • Physiognomie
  • Wasserwiderstandwert deines Bootes
  • Paddellänge und Blattgröße
  • die äußeren Bedingungen

Generell ist es im Seekajaksport empfehlenswert, mit kurzem Paddel, kleiner Blattfläche und mit weniger Kraft und einer höheren Kadenz zu fahren. Das macht dich als Seekajaker auch bei starkem Winddruck von Vorne noch paddel- und damit handlungsfähig.

Wie immer, Übung macht den Meister....

 

Variante Powerstroke

Der Power Stroke ist ein sehr dynamischer Paddelschlag und dient beim Seekajaken zur Überwindung hoher Brandungswellen. Dein Setup und Timing muss dabei genau stimmen.
Wenn die Brandungswelle dein Boot erreicht, greifst du mit dem aktiven Paddelblatt weit über die Welle speerartig nach vorne. Dann schiebst du explosiv dein Becken mit Kajak nach vorne und ziehst den Schlag mit zur aktiven Seite gekantetem Boot tief durch das Grünwasser und verlagerst dabei dein Gewicht nach vorne.
 

Der Powerstroke ist ein Schlüsselschlag der starken und linearen Vortrieb bei minimalem Drehimpuls erzeugt. Beim Powerstroke wird das Paddelblatt auf der ganzen Fläche optimal genutzt und senkrecht direkt an der Außennaht des Boots geführt, die Arme bleiben in einer starken Position nahe am Paddeltrapez und die Rumpfmuskulatur stellt ihr volles Potenzial bereit.
Foto: Thomas Klinkenberg

 

 

 


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