15. Juli 2022

Grenzerfahrungen im West-Balkan

Flusswandern auf der Drau (Foto: Uwe Homberg)

Die untere Mur und Drau bilden zusammen mit dem sich anschließenden Abschnitt der Donau bis Belgrad über 500 km zusammenhängende frei fließende Wanderflüsse, ohne Wehr oder Staustufe, ohne Verblockungen und damit ohne jegliche Umtragungen. Das ist wohl einzigartig in Mitteleuropa und erschien ideal für eine Urlaubsfahrt mit Wanderkajaks und Faltboot.

Von Uwe Homberg und Alea Stengl

 

Abkühlung nach einem heißen Paddeltag

Eine Ursache für die fehlende Verbauung ist vermutlich der Umstand, dass die untere Mur und Drau, sowie auch der folgende Donauabschnitt über Jahrhunderte immer wieder als Grenze vor allem zwischen ungarischen, kroatischen und serbischen Staatsgebieten diente. Mur und vor allem die Drau können frei mäandrieren, so dass die Flussmitte inzwischen nicht mehr überall die exakte Grenze bildet. Vielmehr pendeln Mur und insbesondere Drau häufig zwischen den Anrainerstaaten hin und her. Wegen der damit verbundenen Grenzproblematik heißt es noch 2018 im DKV Auslandsführer „Donau und seine Nebenflüsse“ zur unteren Mur: „Bis zur Mündung in die Drau sind es noch 90 km, eine Befahrung kommt jedoch kaum in Frage, da die Mur hier Grenzfluss zwischen Ungarn und Serbien ist“ und zur Drau „Auf einer Länge von 138 km bildet die Drau die Grenze gegen Ungarn. Von einer Befahrung dieser Strecke muss dringend abgeraten werden…“.

   

Glücklicherweise hat sich die Situation grundlegend geändert. Auf langjährige Bemühungen Österreichs, Ungarns, Sloweniens, Kroatiens und Serbiens wurde der sogenannte „Amazonas Europas“, eine weitläufige Auenlandschaft 700 km entlang der unteren Mur, Drau und Donau im September 2021 von der UNESCO zum größten Flussschutzgebiet Europas, dem „Biosphärenpark Mur-Drau-Donau“ erklärt. Auf einer Gesamtfläche von 300.000 Hektar Kernfläche und 700.000 Hektar Übergangszone entlang der drei Flüsse bietet der Park eine in Europa einzigartige Artenvielfalt an Vögeln, Wassertieren und Insekten, u.a. die größte Population an Seeadlern in Europa. Nähere Informationen finden sich unter (Link zum Biosphärenpark).

Die damit verbundene Förderung hat auch zu einer spürbaren Verbesserung der touristischen Situation geführt. Bei Beachtung bestimmter Regeln ist eine Befahrung der Flüsse inzwischen wieder ohne Probleme möglich und außerordentlich lohnend. Für unsere Urlaubsfahrt im Sommer 2021 mussten wir zunächst mehrere Wochen vor Fahrtbeginn Genehmigungen bei den slowenischen und kroatischen Grenzbehörden einholen, die wir dann an der Grenzstation vorlegen mussten. Da Ortschaften oft weitab vom Fluss liegen, hatten wir außerdem fünf zusätzliche 5l-Wassersäcke dabei, sowie einen Katadyn-Wasserfilter, den wir dann aber kaum gebraucht haben.

Wir beginnen unsere Fahrt am Campingplatz in Bad Radkersburg, im letzten Zipfel der Steiermark. Da unsere Gruppe aus 5 Personen bestand, mussten wir getrennt anreisen, meine Frau Monika und ich sowie unser Sohn Jens mit dem PKW aus Kirchhain, bepackt mit 3 Kajaks auf dem Dach und die Säcke mit dem Faltboot im Kofferraum, unsere Tochter Alea mit Freund Philipp dagegen mit dem Zug aus Würzburg, Endstation Bad Radkersburg. Der Campingplatz in Bad Radkersburg ist der einzige entlang der unteren Mur und Drau, so dass wir im Folgenden auf Übernachtungsplätze in freier Natur angewiesen sein würden. Vor diesem Abenteuer gönnen wir uns einen Ruhetag mit Aufbau der Boote, ausgiebigem Genuss der hervorragenden Bad Radkersburger Therme und abendlichem Restaurantbesuch. Den PKW können wir bei einem Bauern unterstellen – wir holen ihn erst am Ende der Tour wieder ab - und finden am folgenden Tag über einen kurzen Feldweg vom Campingplatz aus eine geeignete Einsetzstelle in die Mur.


Weite naturbelassene Landschaft

Mit Sonnenschutz auf der Mur

Die Mur hat flotte Strömung, das Wasser ist leicht verschmutzt. Während der Sommer in Deutschland 2021 relativ verregnet ist, ist es südlich der Alpen heiß, meist bis über 30°C und bis auf einige Gewitter sonnig und trocken. Bereits nach 6 km verlassen wir Österreich, beide Ufer sind nun für die nächsten 30 km slowenisch. Anschließend pendelt die Mur zwischen Slowenien (rechts) und Kroatien (links). Regelmäßig passieren wir stillgelegte Fähren und gelegentlich die hier typischen Schiffsmühlen. Die Mur ist zunächst weitgehend reguliert mit steinigen Böschungen und dichtem Uferbewuchs. Auf vereinzelte Steine, auch knapp unter der Wasseroberfläche sowie immer wieder vorkommende Baumleichen im Fluss muss man achten, ansonsten zeigt der Fluss keine Schwierigkeiten. Nach ca. 30 km bequemer Fahrt finden wir zur Übernachtung einen hochgelegenen Grillplatz am slowenischen Ufer, mit ausreichend flacher Wiese für unsere zwei Zelte. Direkt neben dem Zelt hat eine Maus ihre Höhle, schaut heraus und beäugt uns argwöhnisch. An dem am Fluss entlangführenden Radweg entdecken wir 500 m weiter einen Gedenkstein mit Blumen an die Opfer eines Massakers der SS im 2. Weltkrieg, der uns an die leidvolle Geschichte dieser Region erinnert. Erschöpft von der ungewohnten körperlichen Arbeit verschwinden wir bei beginnender Dämmerung  bald in unsere Zelte.

   
Baumleichen

Die Mur bildet ab km 82,3 die Staatsgrenze zwischen Slowenien und Kroatien. Bei km 71,5 kommen wir an den ersten Grenzposten bei der kroatischen Kleinstadt Mursko Središće. Wie in unserer Genehmigung angegeben, landen wir an der Rampe neben dem kleinen Hafen der kroatische Kleinstadt Mursko Središće, machen die Boote fest und gehen über die Brücke zur linksseitigen gemeinsamen slowenisch-kroatischen Grenzstation. Pässe und Permits werden geprüft, man wünscht uns gute Reise, und nach Ergänzung unserer Wasservorräte sowie einer Erfrischung im Hafencafé geht es weiter. Die Mur ist nun zunehmend unreguliert und macht weite Schleifen. Es tauchen erste Kiesbänke auf, teilweise bedecken sie weite Flächen und verstärkt finden sich Baumleichen im Flussbett, die aber stets leicht umschifft werden können. Zum Übernachten finden wir wieder eine Grillstelle, diesmal sogar mit Betonrampe, die das Anlanden bequem macht. Ein Angler versucht noch einige Stunden sein Glück, leider vergeblich. Wir entdecken im flachen Wasser mehrere Flusskrebse, die sich bei Annäherung aber rasch unter Steinen verstecken.

   
Mittagsrast im Schatten

Unsere Tagesetappen haben sich auf 30-35 km eingependelt, wobei wir etwa alle 2 Stunden pausieren, an einer Kiesbank anlanden und uns im Fluss abkühlen. Gerade mittags wird es drückend heiß, so dass das Bad im Fluss unerlässlich ist, um unsere Lebensgeister wieder zu wecken. Vor Podturen (km 57) ist die Mur mit Baumleichen übersäht und erst beim Heranfahren wird die geeignete Durchfahrt sichtbar. Podturen liegt 500 m landeinwärts. Hier füllen wir am Tag 3 unsere Essens- und vor allem Wasservorräte auf. Am darauffolgenden Tag erreichen wir die Drau. Ihr Wasser ist deutlich sauberer, durchsichtig und von blau-grüner Farbe. Die Kiesbänke werden nun größer und häufiger, sind aber vielfach recht flach.  Da von den oberhalb liegenden Staustufen der Drau Wasser sehr unregelmäßig und abhängig von Niederschlägen abgelassen wird, kann der Flusspegel hier um bis zu einem Meter schwanken, und wir wollen nicht riskieren, nachts vom Wasser überrascht zu werden. Schließlich entscheiden wir uns für eine große geeignete Kiesbank. Zahllose Frösche in allen Größen springen beim Landgang davon. Das Mückenproblem, welches uns seit dem ersten Tag an mit Eintreten der Dämmerung begleitet, ist hier spürbar geringer. Auch abends ist es noch sehr warm, so dass wir uns vorwiegend im Wasser aufhalten. Ein kleines Lagerfeuer beendet den Tag.

   
Abendstimmung Unser Lager auf weiter Kiesbank

 

Seit Tagen kreisen Seeadler über dem Fluss. Die Tiere werden uns bis zur Mündung in die Donau begleiten. An einer Stelle kommt ein Vogel unserem Boot sehr nahe – möglicherweise haben wir uns seinem Nest zu sehr genähert. Es wird wieder Zeit für einen Einkauf. Mit Hilfe unseres Mobiltelefons können wir einen Supermarkt ca. 2 km vom Fluss entfernt in Novo Virje lokalisieren und finden auch eine kleine Sandbank zum Anlegen. Während ich bei den Booten bleibe, machen sich die vier anderen auf den Weg. Bis zu ihrer Rückkehr 2 Stunden später ist das Wasser spürbar um ca. 50 cm gestiegen. Ein Baumstumpf gerade in unserer Fahrtlinie ist nun nicht mehr zu sehen. Ich mache darauf aufmerksam, finde aber nicht bei allen Gehör. Jens, der stets als Letzter ablegt, ruft uns gerade noch zu: „Ich kentere schon nicht“, doch gleich liegt er im Wasser. Seine erste Kenterung! Aber alles halb so schlimm, das Boot wird wieder umgedreht, trockengelegt und weiter geht es. Abends finden wir einen Ausstieg bei einer Buhne und zelten auf der Wiese vor einem Freizeitverein. Weit und breit sind keine Häuser zu sehen. Da wir uns beim Einkauf Rauchsprialen und kroatisches Mückenspray besorgt haben, lassen sich die lästigen Stechmücken einigermaßen in Schach halten.  

   

Grenzverkehr mit Hindernissen

Ungarn hat sich verbarrikadiert

Wir sehen nur relativ wenige Brücken über dem Fluss, dafür zwar regelmäßig Fähren, diese allerdings meist außer Betrieb. Der Fluss-überquerende Verkehr scheint relativ gering zu sein, was vermutlich der Grenzsituation geschuldet ist. Am ungarischen Ufer, insbesondere im Bereich von Brücken, sind häufig über mehrere hundert Meter Stacheldrahtrollen montiert – das traurige Ergebnis einer Abschottungsstrategie gegenüber Kriegsflüchtlingen und sicher nicht im Sinne eines länderübergreifenden Biosphärenreservats.

   
Die Grillplatte im Hotel Dravska iža war schnell vertilgt

Am Nachmittag entdecken wir an einer kleinen Bucht am linken Ufer (hier sind beide Ufer kroatisch) überraschenderweise ein verwittertes Hinweisschild auf ein Hotel „Dravska iža“, 300 m landeinwärts in Križnica. Das klingt verlockend. Umgehend schicken wir einen Spähtrupp los, um die Situation zu erkunden. Das Hotel (es ist eher eine Pension) existiert tatsächlich in einem kleinen Dorf mit verstreuten Häusern. Zwei Zimmer sind für uns frei. Wir gehen an Land, fahren die Boote auf die Wiese hinter der Pension und genießen eine kalte Dusche. Das Gasthaus hat schon bessere Tage gesehen, der Swimmingpool ist trocken und außer uns gibt es keine Übernachtungsgäste. Corona hat auch hier zu erheblichen Ertragseinbußen geführt. Dennoch ist das Gasthaus abends gut besucht und wir genießen eine üppige Grillplatte und zwei kühle Biere (nur ich, meine Mitpaddler halten sich an Mineralwasser).

   

 

Die Drau im Mittagsdunst von der Brücke bei Barcs

Mit einem reichhaltigen Frühstück gestärkt geht es am nächsten Morgen wieder auf den Fluss. An den Prallhängen finden sich häufig hohe Steilufer, in die zahlreiche Uferschwalben ihre Nesthöhlen gebaut haben. Die Vögel umschwirren uns, können aber die Stechmückenpopulation kaum reduzieren. Wir erreichen an diesem Tag Barcs, die einzige größere ungarische Stadt an der Drau. Wir landen kurz hinter der Brücke, die Kroatien hier mit Ungarn verbindet und erklimmen sie über eine Versorgungstreppe. Vor uns befindet sich am gegenüberliegenden Ufer der Drau die ungarische Grenzstation, hinter uns die kroatische. Wir wollen unsere Vorräte ergänzen und machen uns zur ungarischen Seite auf – das war allerdings ein Fehler. Von hinten überholt uns noch vor der Brückenmitte (Grenze) ein Zivilfahrzeug, zwei Polizisten steigen aus und verlangen unsere Pässe. Wir sind etwas überrascht, leisten aber natürlich Folge. Die Polizisten lassen sich erklären, warum wir hier sind, und geleiten uns dann zu kroatischen Grenzstation. Unser Fehler war, nicht zunächst aus Kroatien auszureisen, ehe wir nach Ungarn einreisen. Das wird nun korrigiert und wir dürfen schließlich – nicht ohne Ermahnungen und ausführliche Inspektion der Pässe – von Kroatien nach Ungarn einreisen. Währenddessen verdunkelt sich der Himmel und plötzliche, überraschend heftige Windböen zwingen die Leichteste von uns, sich an einer Straßenlampe festzuhalten, um nicht weggeblasen zu werden. Da die Stadt Barcs von der Brücke aus noch einige Kilometer entfernt ist, laufen wir so schnell wir können und erreichen noch vor dem kräftigen Regenguss eine rettende Tankstelle, die uns bis zum Ende des Unwetters mit Schokoriegeln und Cola verwöhnt. Nach einem Einkauf im nächstgelegenen Supermarkt wenden wir uns, ohne etwas von Barcs gesehen zu haben, wieder dem Fluss zu. Nach ordnungsgemäßem Passieren der beiden Grenzposten legen wir schließlich ab. Gegen Abend erreichen wir bei km 133 am linken ungarischen Ufer eine Slipanlage, darüber eine gemähte Wiese mit Grillplatz, Tischen, Bänken und mehreren Hinweistafeln auf EU-geförderte Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau des Biosphärenreservats. Sogar ein Sanitärhäuschen ist vorhanden, aber verschlossen. Anlanden, geschweige denn Übernachten am ungarischen Ufer ist uns zwar verboten, aber wir sind völlig erschöpft und das erlaubte kroatische Ufer zeigte den ganzen späten Nachmittag schon mit dichtem Gestrüpp keinerlei geeignete Anlandemöglichkeiten. Deshalb gehen wir nach einigen Diskussionen und Risiko-Abwägungen doch ans ungarische Ufer. Da außer einem benachbarten Einfamilienhaus nur freie Felder zu sehen sind, beschließen wir zu bleiben. Auf meine Frage nach einem Schlüssel für das Sanitärhaus tätigt der hilfsbereite Nachbar einen Anruf und 10 Minuten später fährt ein freundlicher Herr vor, sperrt uns das Haus auf und wünscht uns eine angenehme Nacht. Welch eine Gastfreundschaft! Das Sanitärhaus ist nahezu neu und verfügt neben Toiletten auch über Duschen, die wir begeistert nutzen. Hoffentlich werden wir über Nacht nicht von der Polizei überrascht.

 

Frühstück auf der „Ziegenwiese“ bei Moslavina Podravska

Am nächsten Morgen kommt aber doch ein Polizeifahrzeug vorbei. Wir sind bereits beim Packen der Boote an der Rampe und hoffen auf Nachsicht. Wir haben Glück, denn die Polizisten telefonieren zwar, beobachten aber gelassen wie wir packen und ablegen, ohne uns anzusprechen, oder aufzuhalten. Wir sind erleichtert, ohne weitere Schwierigkeiten davongekommen zu sein. Gegen Abend erreichen wir das kleine Dorf Moslavina Podravska. Eine hoch gelegene Wiese unter einem Funkmast ist ideal für unsere beiden Zelte. Erst als zahlreiche Ziegen vorbeigetrieben werden, stellt sich heraus, dass wir auf der gemeinschaftlichen Dorfweide gelandet sind. Man lässt uns aber gewähren und wir können für den Abend noch im nahegelegenen Supermarkt einkaufen.

   

 

Der Tag beginnt wie auch sonst mit strahlendem Sonnenschein. Gegen Ende unseres Frühstücks kommt eine ältere Bäuerin angeradelt. Ohne viel Aufhebens überreicht sie uns ein Pfund selbstgemachten Ziegenkäse und radelt wieder zurück. Was für eine Großzügigkeit uns Fremden gegenüber, obwohl man den einfachen Häusern ansieht, dass hier kein Überfluss herrscht. Ab km 71 ist die Drau nicht mehr Grenzfluss, sondern fließt vollständig durch Kroatien. Dennoch bleibt das linksseitige Ufer tabu. Als Erbe des Jugoslawienkrieges ist von hier bis zur Mündung in die Donau das linksseitige Ufer stellenweise immer noch vermint und darf daher nicht betreten werden, sodass sich für uns nichts ändert. Foto Minenwarnung. Wir übernachten auf dem Freizeitgelände in Bistrinci, ausgestattet mit Bänken und zahlreichen Spielgeräten. Obwohl es keine Sanitäranlagen gibt, ist Zelten, wie wir den Hinweistafeln entnehmen, durchaus gestattet.

   


Spuren des Jugoslawienkrieges: Osijek - Vukovar

Am Morgen darauf sehen wir hinter der ersten Flussbiegung die Gebäude des nagelneuen Kajak-Club Belišće mit Hostel Belišće. Hier hätten wir sicher noch komfortabler übernachten können. Wir fahren weiter und erleben erste Sportmotorboote auf dem langsam breiter werdenden Fluss. Größere offenbar nicht mehr funktionstaugliche Frachtschiffe liegen vereinzelt am Ufer. Gegen Nachmittag erreichen wir Osijek, die viertgrößte Stadt Kroatiens. Leider gibt es hier weder Kajakclub noch einen Campingplatz, allerdings ein Hotel, das „Zoohotel“ neben einem zoologischen Garten direkt am Wasser und nicht zu übersehen. Wir haben Glück und können einchecken. Da leichter Nieselregen eingesetzt hat, besuchen wir den kleinen Zoo und sind überrascht von der guten Tierhaltung und den großzügigen Gehegen. In Osijek sind die Spuren des Jugoslawienkrieges noch deutlich zu sehen. Viele Häuser zeigen noch Einschusslöcher, manche an sich schöne Gebäude der Gründerzeit sind in desolatem Zustand. Abends genießen wir ein hervorragendes Essen im Schiffsrestaurant Galija.

Die Donau begrüßt uns mit endloser Weite

Das linke Ufer der Drau ist nach wie vor mit Warnschildern vor Minen dekoriert; wir fahren zügig vorbei und nähern uns der Mündung in die Donau. Die schiere Weite des Wassers überwältigt uns. Das linke Ufer ist nun serbisch und darf vor Grenzübertritt nicht betreten werden. Auch hier ist kaum Schiffsverkehr. In den zwei Tagen auf der Donau begegnen wir lediglich drei Frachtschiffen und einem Flusskreuzfahrtschiff. Ein Boot der kroatischen Grenzpolizei nähert sich, die Beamten fragen, wo wir die Grenze übertreten haben, belehren uns, dass wir nicht auf der serbischen Flussseite landen dürfen und drehen wieder bei. Eine Sandbank mitten im Fluss lädt zur nachmittäglichen Rast ein. Der Himmel verdunkelt sich wieder, der nächste im DKV Flussführer angegebenen Biwakplatz ist allerdings noch weit. Schließlich erreichen wir nach über 50 km unter blauschwarzem Himmel die ersten Häuser von Dalj, als auffrischender Wind das drohende Unwetter ankündigt. Hoffentlich können wir hier bleiben. Wir erkunden die Lage und werden tatsächlich fündig. Das Restaurant Stari mlin, 500 m flussabwärts, bietet uns zwei Fremdenzimmer an. Wir legen uns nochmal richtig ins Zeug und erreichen erschöpft, aber gerade noch rechtzeitig das Restaurant. Auspacken und Festzurren der Boote erfolgt in Windeseile, und kaum sind wir im Trockenen, beginnt ein heftiger Sturm mit kräftigem Platzregen. Wir können unser Glück kaum fassen. Bisher sind wir jedes Mal glimpflich davongekommen, trotz der häufigen Gewitter. Das Essen im gut gefüllten Restaurant ist köstlich und reichhaltig. Es ist der 5. August, kroatischer Nationalfeiertag, der, wie wir später recherchiert haben, die Rückeroberung der „Republik Serbische Krajina“ im Jugoslawienkrieg markiert. Im Laufe des Abends spielt eine Musikantengruppe auf, die Stimmung wird ausgelassen. Wir sind allerdings zu erschöpft zum Mitfeiern und ziehen uns todmüde in unsere Zimmer zurück. Im Bett begleitet uns die fröhliche Musik noch lange in den Schlaf.

Gewitterwolken ziehen auf Restaurant Stari mlin nach dem Unwetter


Wir beschließen beim Frühstück, unsere Fahrt nach einer letzten Etappe bis Vukovar zu beenden, da die Rückreise mit Nachholen des PKW doch länger dauert als ursprünglich gedacht. Am Morgen erwartet uns eine spiegelglatte Donau, was zeigt, wie spärlich der Schiffsverkehr hier ist. Bei mäßiger Strömung erreichen wir am Nachmittag Vukovar. Laut DKV-Führer besteht eine Zeltmöglichkeit im Hafenbereich beim Ruderklub, aber der liegt verlassen, und auf der spärlichen Wiese hinter dem Bootshaus liegt man im offen zugänglichen Hafenbereich. Wir entscheiden uns daher für das am Hafen liegende Hotel Luv, wo wir in komfortablen Zimmern unterkommen. Der Hafenmeister erlaubt uns, Boote und Teile des Gepäcks im Keller des Hafengebäudes unterzustellen.

Ankunft in Vukovar

Vukovar wurde im Jugoslawienkrieg nahezu vollständig zerstört, und die Kriegsschäden sind an vielen Gebäuden noch deutlich abzulesen. Die folgenden zwei Tage benötige ich, um das Auto nachzuholen, während Alea und Philipp weiter mit dem Zug nach Deutschland zurückfahren. Monika und Jens sehen sich weiter in Vukovar um, da ihr Plan, für einen Tag Belgrad zu besichtigen, wegen ungünstiger Zugverbindungen und langwieriger Grenzkontrollen nach Serbien nicht gelingt. Sie besichtigen das „Gedenkzentrum des Heimatkrieges“, eine erschütternde Zusammenstellung der Kriegsereignisse zwischen Serben und Kroaten in ihrer ganzen Brutalität, die offensichtlich noch viele offene Wunden und schwelende Feindschaften zurückgelassen hat. Ein freundlicher Kroate übersetzt für Monika und Jens, was der Fremdenführer, ein ehemaliger kroatischer Offizier, der den Krieg in Vukovar miterlebt hat, berichtet. Der Kroate hat einen kleinen, etwa 5 Jahre alten Jungen dabei, der kein Wort redet. Später erklärt er, dass dieser der Sohn seiner serbischen Freundin ist und er ihm verboten hat, während des Besuchs des Gedenkzentrums zu sprechen, aus Sorge, dass er als serbisches Kind feindlich behandelt wird.
Vollbepackt machen wir uns schließlich auf die Heimfahrt. Die 12-Tage dauernde Paddelfahrt hat uns nicht nur traumhafte Naturerlebnisse gebracht, sondern auch vor Augen geführt, wie zerrissen und gespalten die Staaten im Westbalkan nach wie vor sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Integration von Kroatien, Ungarn und vor allem Serbien in den Europäischen Staatenverbund weiter voranschreitet, und die noch bestehenden Hürden zur Befahrung dieser einzigartigen Flusslandschaft Zug um Zug weiter abgebaut werden.  

 

 

Informationen


Genehmigungen und Regeln: Da die untere Mur, Drau und auch der anschließende Abschnitt der Donau Grenzflüsse sind, müssen Genehmigungen zur Befahrung eingeholt und bestimmte Regeln eingehalten werden. Die Genehmigung zur Befahrung des slowenischen Abschnitts der Mur erhält man bei boris.zibrat@policija.si, die Genehmigung zur Befahrung des kroatischen Abschnitts bei Ljiljana Kos (ljkos@mup.hr), es wird per Post zugesandt. Beide Dokumente sollte man spätestens 4-6 Wochen vor Beginn der Fahrt beantragen, sie sind bei der Grenzkontolle in Mursko Središće vorzulegen. Da man hiermit offiziell in Kroatien einreist, darf nur am kroatischen nicht dagegen am ungarischen Ufer gelandet und gezeltet werden. Eine Einreise nach Ungarn ist nur an offiziellen Grenzstellen, in der Regel an Brücken, möglich. Ab km 70,5 verläuft die Drau komplett durch Kroatien, allerdings ist das linke Ufer bis zur Mündung noch stellenweise vermint und darf daher nicht betreten werden (Hinweisschilder). Auf der anschließenden Donau darf ebenfalls nur am kroatischen (rechten) Ufer angelandet werden, am linken, serbischen, erst nach Einreise an einer offiziellen Grenzstelle.


Ausrüstung und Verpflegung: Da Orte vielfach fernab vom Wasser liegen, empfiehlt es sich, einen größeren Wasservorrat mitzuführen oder einen Wasserfilter. Einkaufmöglichkeiten sind ca. alle zwei Tage vorhanden, auch kleinere Dörfer verfügen meist noch über ein Lebensmittelgeschäft.


Übernachten: Einen Campingplatz und damit einen idealen Ausgangspunkt für eine Wanderfahrt gibt es nur in Bad Radkersburg, dort kann man auch seinen PKW sicher unterstellen. Man ist daher im Weiteren auf Biwakplätze angewiesen, z.B. Rastplätze am Fluss, an der Drau auch reichlich Zeltmöglichkeiten auf Kies- oder Sandbänken. In einigen Orten (z.B. Osijek, Belišće, Dalj, Vukovar)  liegen einfache Pensionen oder Hotels in  Ufernähe.
 

 

DKV-Hinweis zum Tragen von Schwimmwesten

WICHTIG: Der Deutsche Kanu-Verband weist aufgrund des Bildmaterials eindringlich alle Paddler :innen auf die Notwendigkeit von Schwimmwesten hin

Weitere Infos: www.kanu.de

 

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