Hinweis zum Tragen von SchwimmwestenWICHTIG: Der Deutsche Kanu-Verband weist aufgrund zahlreicher Unfälle eindringlich alle Paddler :innen auf die Notwendigkeit von Schwimmwesten hin. Weitere Infos: www.kanu.de |
Von Eddie Wagner
„Man, this a Surfertown, so we all speak English in the Water.“ Diese klare Ansage macht mir Andreas, ein 130 Kilo Riese und unterwegs auf einem gigantischen SUP-Board. Wir befinden uns im Lineup in der Bucht von Klitmöller und warten auf passende Wellen, die uns ein Tief aus dem Norden runterschickt. Mit uns im Wasser tummelt sich eine bunte Mischung aus voll ausgerüsteten Seekajakfahrern, Shortboardern, etwa 20 Stand-Up-Surfern und obendrauf noch eine komplette Surf-Schulklasse.
So eine Mischung aus Brettern, Booten und Typen würde überall sonst irgendwie zu Stress führen, doch nicht in Klitmöller. Jesper Tilsted, der Chef der Kajakschule, hat dafür einen Erklärung: „Kajaksurfen ist neu in Dänemark und wir unternehmen alles, um Neulingen das richtige Verhalten in den Wellen beizubringen. Surfetikette und Respekt gehören unbedingt dazu.“ Direkt neben mir paddelt ein blonder Knirps auf einem Miniboard eine hüfthohe Welle derart gekonnt an, daß ich vor lauter Staunen vom Brett fliege. Ein paar Meter weiter zeigt ein Surfkajaker, daß er es voll drauf hat. Ich bin beeindruckt, hier in Nordänemark geht was, und zwar locker und easy. Jesper Tilsted führt das auch auf die Mentalität der Dänen zurück: „Wir sind ein friedliches, gechilltes Volk. Das letzte Mal, dass ein Attentat auf einen Politiker ausgeübt wurde, war im Jahr 1256.“
Klitmöller bietet für jeden Paddler die passende Welle (Foto: Eddie Wagner)
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Und überhaupt ist genug Platz für alle da: Nach Westen tut sich die Nordsee grenzenlos auf, im Norden liegt Restskandinavien, im Osten Wald, Wiese, Heide und Fjord. Naturliebhaber, was willst du mehr? Und obendrauf haben die Dänen die Gegend rund um Klitmöller zum ersten dänischen Nationalpark erklärt. Diese Mischung aus Wellen, Freiheit und rauher Natur wirkt magnetisch auf eine robuste Kaltwassergemeinde aus Dänen, Norwegern, Engländern und Deutschen, die im Cold-Hawaii-Spirit locker vereint ist. Lars Petersen, seines Zeichens Windsurf- und SUP-Profi aus Klitmöller ist voll begeister von seinem Heimatstrand: „Da sind die tollen Wellen und um uns herum ist nichts als unberührte Natur. Man kommt leicht mit dem Equipment an den Strand ran, es gibt jede Menge Platz für alle. Wir haben Bigwave Expertenspots und tolle Ecken für Einsteiger. Das macht die Sache schonmal einfach und unkompliziert. Du findest hier haargenau die richtigen Welle, die zu deinem Können passt. Dazu kommt daß die Locals und die Surfer von ausserhalb gut miteinander auskommen. Es herrschen immer gute Vibrations.“
Ich paddle ein Stück weg von „The Bay“, mal kucken was am vorgelagerten „The Reef“ los ist. Dieses Riff aus Steinen und Muscheln hat es in sich. Es ragt ein paar hundert Meter in die Nordsee hinein und sorgt dafür, daß sich die Wellen einigermaßen vorhersehbar brechen. Gleichzeitig ist das Wasser in Strandnähe recht flach. Vorsicht ist geboten, der Kajaker trägt hier Helm, natürlich mit Gopro obendrauf.
Man hilft sich und gibt Tipps - das ist Klitmöller. (Foto: Eddie Wagner) |
Hier am Riff tummeln sich die besseren Standupsurfer mit den aktuellsten Boards, die der Markt hergibt. Richtung 8,5 Fuss mit fallender Tendenz. Ich halte mich etwas abseits der radikalen Surfer auf und versuche eher kleine Wellen zu erwischen, die im Gegenzug schön lang auslaufen. Jawoll, das Glück ist beim Fleissigen und ich bemerke aus dem Augenwinkel, wie sich eine Welle von genau meiner Kragenweite aufbaut. Ich paddle kurz an und mein Tanker wird sanft beschleunigt. Zack, Surferstance, zu deutsch klassische Surferposition, eingenommen und ich zische mit weitem Bogen auf das Ufer zu. Nicht schlecht und nach oben hin ausbaubar. Mit mir auf der Welle ein Longboarder und noch ein Stand up Surfer. Wir grinsen uns an und freuen uns gemeinsam über die geglückte Aktion. Beim zurückpaddeln kann ich gut beobachten, wie die richtig guten Surfer Dinge tun, die ich sonst nur aus Youtube-Videos kenne. „Mein lieber Kockoschinski!“ denke ich mir als Ruhrgebietssurfer und sehe zu, daß ich meinen nächsten Ride ohne grössere Peinlichkeiten hinbekomme. Ein paar freundliche Wellenfreunde gesellen sich zu mir, wir scherzen rum, surfen relaxed und alles ist easy.
Auf dem Weg zurück zur Hütte kaufe ich noch schnell was ein. Niemand schaut erstaunt, wenn man beim Einkauf im einzigen Supermarkt von Klitmöller im Neoprenanzug erscheint. So siehts aus in einer waschechten Surferstadt. Ein paar Nudeln, Gemüse, etwas Brennholz, fertig ist die Abendunterhaltung.
Am nächsten Morgen ist nicht viel los mit Wellen. Ich paddle zur Entspannung ein wenig die Küste hoch Richtung Norden. Bald erreiche ich eine Stelle, wo ein kleiner Fluss ins Meer mündet. In Flussmündungen vermute ich viel Futter im Wasser, das mögen die Fische und die schmecken dem Schweinswal. So mein Plan. Und tatsächlich, er geht auf. Aus dem Wasser tauchen für Augenblicke die Rückenfinnen von einem der delfinartigen Meeressäuger auf. Ich verharre still wie eine Maus auf meinem Board und beobachte wie der Wal immer wieder hochkommt um Luft zu schnappen. Einen schöneren Ausklang für einen Tag auf dem Wasser kann ich mir kaum vorstellen.
Wenn die Wellen stimmen, ist Klitmöller elektrisiert. (Foto: Eddie Wagner) |
In der Nacht geht Alles ganz schnell: ein mächtiger Sturm zieht auf und am nächsten Morgen werden bei Hanstholm Wellen von 5,7 Metern Höhe gemessen. Das ist definitiv too much für mich und ich kann in Ruhe beobachten, wie Profisurfer Lars Petersen hartnäckig versucht mit seinem Board durch die Brandung zu kommen. Ohne grösseren Erfolg, war aber einen gute Show.
Tags drauf sind die Wellen auf ein humaneres Maß geschrumpft und nun ist ganz Klitmöller elektrisiert. Es ist die Stunde der Cracks: Das Riff bei den psychedelisch angemalten Bunkern kocht zweieinhalb Meter hoch, die Könner vollbringen Husarenstücke am Fliessband. Gegen Nachmittag beruhigt sich die Lage etwas und die Normalisten geniessen erstklassige Wellen in der Bucht.
So gehen die Tage dahin in Cold Hawaii und Tiefenentspannung stellt sich bei mir ein. Der gemächliche Rhythmus der Stadt hat mich voll im Griff. Und meine englischen Sprachkünste sind so gut wie selten geworden. Yeah, this is a Surfertown….. mit und ohne Paddel!
Equipment: In Cold Hawaii ist immer Neopren angesagt. Wer nicht zu den ganz harten Vertretern gehört, trägt auch im Sommer Stärke 5/3.
Verständigung: Fast alle Dänen sprechen sehr gut English und sind ein lockeres und hilfsbereites Volk. No Problems.
Anreise: Mit dem Auto immer Richtung Norden. Dann ab Hobro-Nord über die A29 Richtung Thisted und dann ab nach Klitmöller. Per Bahn bis zum Bahnhof Thisted.
Essen und Trinken: Für Selbstversorger hat der Spar Supermarkt alles im Programm. Geöffnet sieben Tage die Woche. Lebensmittel sind in Dänemark etwas teurer als in Deutschland. Prohibitiv sind die Preise von Süssigkeiten und Schnaps. Bier ist nicht billig, aber sehr gut. Geheimtip: Porse Guld Bier mit Auszügen des Gagelstrauchs aus dem Nationalpark Thy.
Touren- und Downwindertipp: Je nach Windrichtung kann man entlang der Küste Richtung Süden nach Nore Vorruper oder nach Norden bis Hanstholm paddeln. Äusserste Vorsicht und Planung ist geboten, sonst landet man schnell auf offener See und ist Richtung Schottland unterwegs. Am besten erkundigt man sich in einem der Surfshops. Die Dudes da sind absolute Wetterprofis und haben ständig alle Wetterdaten auf dem Schirm.
Insidertipp Wetterprognose: Das Danish Centre for Ocean and Ice ist wird von Fischern, Kapitänen und der Dänischen Surfgemeinde konsultiert. http://ocean.dmi.dk
In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.
Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:
In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.