31. August 2023

180 km in 6 Tagen paddeln geht das?

Stein am Rhein (Foto: Dietmar Krakat)

Eine Gepäckfahrt vom Bodensee und dann den Hochrhein hinab bis Basel mit allem Drum und Dran, hatte ich mir vorgestellt. Was das Drum und Dran so sein sollte oder sein wird war im Vorfeld der Planung nur wage zu erahnen.

Von Dietmar Krakat

 

"Eine Schrägrampe ist ideal für mein schwer beladenes Kajak, um mit dem Bodensee Kontakt aufzunehmen."

Als Hilfestellung bot sich das „Deutsche Flusswanderbuch“ vom DKV-Verlag und der „Flussführer Hochrhein“ von der Hochrheinkommission Fachgruppe Tourismus Hochrhein www.hochrhein.org sehr gut an. In diesem „Flussführer Hochrhein“, der sowohl im Internet herunterladbar als auch vor Ort als kleines Heft zu bekommen ist, wird die Strecke von Stein am Rhein bis Basel für 145 km in 10 Abschnitte eingeteilt. 2 Abschnitte davon beschreiben den Thur und die Aare auf ihren leicht paddelbaren unteren Strecken bis zur Mündung in den Hochrhein. Eine weitere Hilfe bietet die Canua-App.
Im Juli 2023 ging es dann los. In Bodman direkt an der Schiffsanlegestelle gibt es neben einer großen Freitreppe eine Schrägrampe. Ideal für mein nun schwer beladenes Kajak mit dem Bodensee Kontakt aufzunehmen. Meine Frau hat mich mit dem Auto hierhingefahren, beim kniffligen Beladen des Kajaks geholfen, unterstützend eingegriffen, den Parkschein für das Auto gelöst und nachdem ich glücklich im Boot saß noch hübsche Erinnerungen digitalisiert.


Abschnitt 1: Bodman – Konstanz-Staad ca. 19 km

Schon die ersten Meter bringen plötzlich das Gefühl von Freisein in den Körper. Das jetzt im Sommer angenehme Bodenseewasser, die wärmende Sonne, das langsam vorbeiziehende Ufer, die gleichmäßigen Paddelschläge ergeben ein ganzes Wohlgefühl. Alles fließt und tänzelt in Ruhe dahin, auch die Gedanken. Es geht vorbei an wunderschönen Steilufern. Herabgestürzte Bäume liegen im Wasser, Fische tummeln drumherum, für eine erste Pause ohne Störungen ideal. Dann geht es weiter in Richtung der Insel Mainau, die auf der Seeseite umrundet werden muss. Das Durchfahren der Naturschutzgebiete Untere Güll und Obere Güll vor und hinter der Insel Mainau ist ganzjährig verboten.

Herabgestürzte Bäume liegen im Wasser, Fische tummeln drumherum, für eine erste Pause ohne Störungen ideal.

Ich hatte geplant auf dem ehemaligen DKV-Campingplatz Konstanz, der von dem nebenanliegenden Campingplatz Bruderhofer übernommen wurde, zu Zelten. Kurz vor dem Fährhafen Konstanz-Staad nach Meersburg entdecke ich einen Grillplatz mit Kiesufer und bin neugierig. Ich lande an, schaue mich um, kein Mensch da, ein mit einem Zaun abgeschlossenes Gelände mit einem riesigen Grillplatz. Ich bleibe erst mal und genieße die Ruhe. Es taucht niemand auf, den ich fragen könnte, eine Kontakt-Adresse finde ich auch nicht. Am Abend baue ich mein Zelt auf, schwimme noch eine Runde im See und verbringe eine wunderbare ruhige Nacht. Am Abend sitze ich noch lange am lauschigen Ufer und erlebe doch noch eine kleine Überraschung. In der Dämmerung tippelt tatsächlich ein Fuchs am Ufer entlang. Ich stehe auf, der Fuchs wendet sich mir zu und bleibt still stehen wie ein Stofftier. Er tippelt weiter, ich mache ein leises Geräusch, er wendet sich mir wieder zu und schaut. Ungerührt tippelt er dann wieder weiter. Ich verhalte mich jetzt ruhig und lasse ihn weiterziehen, ohne ihn an seinem Ziel, vielleicht nach Beute, zu stören. Bei genauer Betrachtung des Geländes erahne ich schon, dass es sich um einen Jugendgrill- und Badeplatz handelt. Eine verschlossene Hütte ist mit dabei. Die außen angebaute Spüle hat sogar warmes Wasser. Den nächsten Morgen gehe ich ruhig an, frühstücke, baue das Zelt ab und packe das Boot. Nach dem Ablegen höre ich im Berghang eine laute aufgeregte Menge. Im Rücken sehe ich noch wie eine große Gruppe Kinder tatsächlich in das Gelände stiefelt das ich so ungestört genießen durfte. Im Nachhinein stelle ich fest, dass es auf dem Berghang ein Stück entfernt über dem Grill- und Badegelände eine Jugendherberge gibt. Glück gehabt, ich bin raus.


Abschnitt 2: Konstanz-Staad – Wangen ca. 25 km

Heute werde ich Konstanz umrunden und in den Hochrhein hinein paddeln. Den recht große Fährhafen Konstanz-Staad passiere ich mit gebührendem Abstand, denn die an- und ablegenden Fähren haben schon mächtige Ausmaße. Gefühlt bin ich mit meinem 5,05 m langen Boot nur ein Stück Treibgut gegenüber diesen Monstern. Kurz dahinter gleite ich an dem gestern noch anvisierten Campingplatz Bruderhofer vorbei. Dann umrunde ich das Cap-Konstanz und paddele dem Rhein-Km 0,0 entgegen. Die Erwartung ist wie bei Sylvester um 00:00 Uhr, es sollte doch etwas Besonderes passieren. Aber nein. Hier an der alten Rheinbrücke mache ich noch ein Erinnerungsfoto und kann mich zum ersten mal mit einer kleinen Fließgeschwindigkeit etwas treiben lassen. Vielleicht soll dies das Besondere sein.

Die Schänzlebrücke bei Konstanz.

Danach unterquere ich die neue Fuß- und Fahrradbrücke und bin recht flott an der neuen Rheinbrücke, die Schänzlebrücke, vorbei. Weiter mit kleiner Fließ-geschwindigkeit, die mir etwas Paddelarbeit abnimmt, nach Gottlieben. Links kann ich jetzt immer die Schweiz und rechts Deutschland betrachten. Schön sind beide Seiten. An vielen Stellen wird gebadet und geschwommen. Die leichte Strömung ist noch ein Spaßfaktor zusätzlich. Dennoch hat sich ein Schwimmer etwas übernommen und ruft um Hilfe. Bevor ich wenden kann ist ein zufällig vorbeifahrendes Motorboot zur Stelle und kann den Hilfesuchenden aufnehmen. Glück gehabt, ich bin raus.
Bevor es dann in den Überlinger See geht, nutze ich noch ein schönes Ufergelände für eine Pause und paddele danach immer am Schweizer Ufer von Ort zu Ort weiter. Hier auf dem Untersee sehe ich schon von weitem die riesige Armada der weißen Flotte auf mich zukommen, bzw. ich ihr immer näherkommen. Der blaue See glänzt in Weiß. Sehr schön anzusehen. Ich mit meinem kleinen Kahn mittendurch. Statt sich, wie in dem Lied von „Die Fischerin vom Bodensee“ sich meiner anzunehmen und mich in meinem Kahn zu ziehen, teilt sie sich.

"Noch eine Runde schwimmen, dann Abendessen,  wunderbar."

Es sind tausende von Schwänen die hier seelenruhig ihr Leben genießen. Vor Steckborn erwischt mich heute doch noch ein Ausläufer eines vorbeiziehenden Gewitters. Ich kann mich am Ufer unterstellen und warte ab. Nicht lange dann hört der Regen auf. Ich überlege, wie es heute Abend mit dem Zelten aussieht und finde im Deutschen Flusswanderbuch und der Canua-App den Campingplatz Wangen. Von Steckborn (Schweiz) nach Hemmenhofen (Deutschland) überquere ich den See und fahre am rechten Ufer weiter bis nach Wangen. Hier gibt es den kleinen wunderbaren Campingplatz mit einem großen Schwimmbereich und Anlegeplätze für größere Yachten, als meiner kleinen Paddel-Yacht. Hier bleibe ich für diese Nacht. Noch eine Runde schwimmen, dann Abendessen, wunderbar.


Abschnitt 3: Wangen – bis kurz vor das 1. Kraftwerk Rheinau ca. 35 km

An diesem Morgen lasse ich mir Zeit mit dem Frühstück und Packen. Trotzdem bin ich schon um 8:00 Uhr recht früh auf dem Wasser und genieße die Stille mit den ersten Paddelschlägen. Langsam nähere ich mich Stein am Rhein. Hier nimmt die Fleißgeschwindigkeit des Rheins wieder zu und der Fluss startet endlich durch. Bis dahin war das Deutsche Flusswanderbuch und die Canua-App die erste Wahl für die Streckenbeschreibung. Ab Stein am Rhein kann die Beschreibung des Flussführers der Fachgruppe Tourismus Hochrhein hinzugezogen werden um z.B. Ein-/Ausstiegsstellen, Umtragestellen, Gefahrenstellen, Rastplätze, Campingplätze und vieles mehr zu finden.

Ein leckeres Eis in Schaffhausen dient als Stärkung für die letzten 5 km bis unterhalb des Rheinfalls.

Bis zum Rheinfall Schaffhausen sind es noch 18 km. Auf dem See mit stehendem Wasser war solch eine Strecke eher eine Tagestour. Kurz nach der Mittagszeit bin ich dank der Strömung schon in Schaffhausen. Für mich zu früh, um einen Campingplatz anzuvisieren. Der Rheinfall macht mir etwas mehr Sorgen. Runterpaddeln geht natürlich nicht. Das ist strengsten verboten, geht auch nicht, jedenfalls für mich. Also am Salzstadel in Schaffhausen raus und umtragen, bzw. mit dem Bootswagen umfahren. Ich finde eine Schrägrampe auf der das schwere Boot prima auf den Bootswagen gewuchtet werden kann. Ein Radweg führt direkt am Ufer entlang. Ich schiebe und ziehe das Boot erst einmal in die Stadt und genieße hier ein leckeres Eis zur Stärkung für die nun anstehenden 5 km bis unterhalb des Wasserfalls.

   

Bei viel Sonne und sehr warmen Temperaturen wird es eine kleine Schinderei. Ich nutze den beschilderten Fahrradweg der nach oben in die Stadt Neuhausen führt und nicht den Weg am Ufer. Der Uferweg soll angeblich, wenn man Passanten fragt die sich auskennen, länger sein. Der kürzere Radweg über die Stadt fordert aber eine Menge Kraft und Schweiß. Nun gut, vielleicht hat der längere Uferweg noch Stufen und Treppen? Ich weiß es nicht, brauche es auch nicht mehr zu wissen. Das wäre nämlich fatal. So kann ich noch ein wenig die Stadt zu Fuß anschauen. Ist aber nicht so schön wie Stein am Rhein. Leider bin ich dort nur durchgepaddelt.

Ein Selfi mit dem Rheinfall im Hintergrund muss sein.

Der Rheinfall von Schaffhausen zieht natürlich Unmengen von Touristen an. Für mich bedeutet es auf dem zum Teil steilen Weg nach unten das Boot an vielen Menschen vorbei zu dirigieren. Nach etwas mehr als einer Stunde stehe ich glücklich hinter dem Schlösschen „Schlössli“ Wörth am quirligen Wasser zum Einsteigen bereit. Ein Selfi mit dem Rheinfall im Hintergrund muss aber noch sein. Der erste Versuch scheitert, weil ich ausgerechnet an der Ein- und Ausstiegstelle der Touristenboote versuchen wollte ein Bild zu machen. Die Bootsführer nehmen keine Rücksicht, das Geld und der Fluss müssen schließlich weiterfließen. Ich finde doch noch eine geeignete Stelle, mach ein schönes Selbstportrait mit „kleinem“ Wasserfall im Hintergrund. War der Rheinfall wirklich so klein? Da passt wohl eher die Perspektive nicht ganz. Dann kann es weitergehen auf dem nun gut dahinfließenden Wasser.
Es ist doch schon später Nachmittag geworden und ein öffentlicher Campingplatz erst nach weiteren 19 km und 3 Stauwehren zu haben. Definitiv zu weit, beschließen meine Gedanken. Ein schöner Rastplatz wäre doch eine hoffentlich auffindbare Alternative. Im Flussführer ist einer beschrieben der vielleicht brauchbar ist. Den werde ich mir mal ansehen. Nach längerem Suchen taucht tatsächlich etwa 1 km vor dem ersten Stauwerk von Rheinau ein wunderbarer Grillplatz im Wald mit einer Bank auf, ein hervorragender Platz für mein Zelt.  

Die Sachlage ist klar, es ist schon spät, weit entfernt von einer Ortschaft, niemand kommt noch hierher, ich bleibe hier. Zwar kommen doch noch ein Jogger und ein Hundebesitzer mit Anhang vorbei, aber sonst bin ich alleine auf diesem herrlichen Stück Ufer. Nach einer ruhigen Nacht wird auf der gegenüberliegenden Schweizer Seite mit Maschinen, sehr lautstark, sehr früh am Morgen, der Wald gehäxelt. Damit ist mit Schlaf nicht mehr viel los. Ich stehe trotzdem ausgeruht auf, mache Frühstück, packe alles langsam ein, der nächste Abenteuer-Abschnitt wartet. Während ich noch packe, macht ein Angler seine Gerätschaften für den Tag bereit. Ein kurzer Gruß. Glück gehabt ungestört genächtigt zu haben, ich bin raus.


Abschnitt 4: kurz vor dem 1. Querbauwerk Kraftwerk Rheinau – Nähe der Burgruine Weisswasserstelz ca. 31 km

Nach der gestrigen langen Umtragestrecke am Rheinfall Schaffhausen beginnt der Tag heute Morgen gleich mit den drei Staustufen des Kraftwerks Rheinau die mir nicht erspart bleiben. Diese 3 Staustufen liegen jeweils ca. 3 km auseinander. Eine schöne Überraschung daran sind die Schienenwagen zum Übersetzen der Boote. Also kein umständliches Übersetzen mit dem eigenen Bootswagen.

Die Übersetzung der Boote bei den drei Staustufen des Kraftwerks Rheinau erfolgt mit Schienenwagen.

Diese Schienenwagen werden vom Servicepersonal des ersten Stauwerks nach Bedarf gesteuert. Es gilt aber das entsprechende Telefon zu finden um sein Anliegen einer Überfahrt anzumelden. Bevor ich das Telefon entdecken kann kommt ein Bediensteter vorbei und spricht mich auf Schwitzerdütsch an. Das Bedienpersonal beginnt erst um 10:00 Uhr mit ihrer Arbeit, heißt es. Denn das besagte Telefon würde bis dahin automatisch auf sein Handy weitergeleitet. Ich bräuchte ja nur 5 Min. warten. Ich wartete 10 Minuten. 5 Min. nach 10:00 Uhr starte ich einen Anrufversuch bei der besagten Dienststelle. Der mir schon bekannte Bedienstete kommt wieder vorbei, weil sein Handy geklingelt hat. Da das Service-Personal offensichtlich seine Arbeit noch nicht aufgenommen hat, und ein Motorboot auch schon wartet, legt der nette Mitarbeiter für uns selbst Hand an. Von einer Steuerung neben den Schienen kann er uns ebenso schnell mal übersetzten, wie das unpässliche Service-Personal. Man fährt auf den im Wasser stehenden Wagen auf, hält sich im Kajak sitzend kurz beim Anfahren fest damit das Boot nicht gleich wieder runterrutscht. Dann geht es über einen kleinen Hügel ins Unterwasser. Nachdem der Transportwagen ins Unterwasser gefahren ist schwimmt das Kajak wieder auf und man paddelt einfach davon. Was für ein Luxus. Es geht vorbei an der Klosterinsel Rheinau mit dem riesigen Klosterbau aus dem 8. Jahrhundert. Heute sind die Gebäude Teil einer Stiftung für Musikschaffende aller Sparten. Daher die Musik aus den verschiedenen Fenstern mit der man beschwingt vorbeipaddeln kann. Bei den nächsten beiden Stauwerken das gleiche Spiel. Nicht mit der Begleitmusik, sondern mit dem luxuriösen Übersetzen. Nur dass jetzt das eigentliche Bedienpersonal am ersten Stauwerk die Arbeit aufgenommen hat und über eine Kamera alles überwacht und gesteuert wird. Wunderbar. Alles geht reibungslos vonstatten. Ich werde auch als einzelnes Kajak mit dem Schienenwagen übergesetzt. Aussteigen aus dem Boot ist nicht nötig, ich bin begeistert.

Größere Problem gibt beim Kraftwerk Eglisau kein, genauso wenig, wie einen Schienenwagen.

Die Überfahrten der Stauwerke braucht dennoch etwas Zeit. Auch weil die Flussstrecken davor, stehendes Gewässer sind, muss entsprechend gepaddelt werden. Nach dem 3. Stau der Rheinau-Kraftwerke geht es aber flott voran. Bis, ja bis das Wasser wieder aufgestaut wird. Irgendwann treibt mich der Hunger auf einen Rastplatz, den ich am Bade- / Grillplatz ‚Fuchsbach‘ finde. Eine Familie ist schon da und kurze Zeit später kommen noch Jugendliche zum Grillen dazu. Mein Hunger ist gestillt. Ich nehme meine Fahrt wieder auf. Mit der neuen Kraft kann ich dann das Kraftwerk Eglisau angehen. Größere Problem gibt es hier keine, genauso wenig, wie einen Schienenwagen.
 Dafür sind brauchbare Schwimmstege vorhanden. Also Boot auf den Bootswagen, dann ins Unterwasser schieben oder ziehen, wie es beliebt. Nach einer schönen Fließstrecke hört es schon wieder auf, das Wasser steht. Den Campingplatz Hohentengen lasse ich rechts so liegen wie er ist, von mir unbetreten. Ich hoffe auf etwas Ruhigeres. Ich steuere den Rastplatz Wasserstelz bei der Burgruine Weisswasserstelz an und muss feststellen, hier haben sich schon viele Menschen zum kollektiven Sonnen- und Wasserbaden oder Ballspielen eingefunden. Es zu laut und zelten lt. der Beschilderung sowieso nicht erlaubt. Also weiterpaddeln, und hoffen.

Grillplatz bei Weisswasserstelz

Nur 1 km weiter finde ich dann einen Grillplatz am Ufer der mich einlädt. Kein Mensch da, was für ein Glück. Ich plane erst einmal eine Verschnaufpause einzulegen, gehe schwimmen und wenn das Plätzchen so ruhig bleibt wie es ist, wird wieder ohne Infrastruktur gezeltet. Morgens und zwischendurch habe ich immer dafür gesorgt, dass genug Wasser und Nahrung an Bord ist. So bin ich für eine gewisse Zeit unabhängig. Es kommen auch tatsächlich nur zweimal Leute vorbei. Trotzdem ist der Abend laut. Offensichtlich ist genau hier die Einflugschneise zum Flughafen Zürich. Zum Glück hören die dröhnenden Motoren am späten Abend auf. Die Nacht ist sehr ruhig. Es schläft sich wunderbar.

 


Abschnitt 5: Nähe der Burgruine Weisswasserstelz – Kanustation Hochrhein-Kanu ca. 40 km

Beim Lospaddeln heute Morgen war schon klar, das nächste Stauwerk ist nicht weit, das Wasser steht fast, treiben lassen geht nicht wirklich. Dann kommt es auch schon, das Kraftwerk Reckingen. Es geht relativ einfach zu umtragen bzw. mit dem Bootswagen zu umfahren. Wieder unten glücklich im Boot und in flotter Rheinströmung angekommen lese ich in den Flussführern wie es weitergeht.

"Was bedeutet das bei dem vorhanden Wasserstand? Ich kann recht gut Wildwasser fahren, aber in einem langen schwer beladenen Boot? Alleine? Gefahr im Verzug? Viele Fragen."

Da steht doch tatsächlich etwas über eine Stromschnelle „Koblenzer Lauffen 500m“ die, je nach Wasserstand Wildwasser II sein kann, „vor evtl. Befahrung besichtigen“. Bei Google-Map heißt die Stelle „Ettikoner Lauffen“. Was bedeutet das denn jetzt, bei dem vorhanden Wasserstand? Ich kann recht gut Wildwasser fahren, aber in einem langen schwer beladenen Boot? Alleine? Gefahr im Verzug? Viele Fragen. Ich wäge ab, google verschiedene Optionen die mich erwarten könnten. Nach reifer Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass ich mir das vorher ansehe und dann entscheide. Denn das Umtragen (mit Kanuwagen) wird im Hochrheinführer für Ungeübte angeraten. Ich finde den Ausstieg zum Anschauen nicht. Bin in sehr schneller Strömung und erkenne, dass es schon auf die Stromschnellen zugeht. Sehe aber auch, dass es mit relativ gutmütigen Wellen nur geradeaus geht, also keine schwierigen Verblockungen vorhanden sind, welch ein Glück. Schon bin ich durch die 500 m Stromschnelle durch. Ehrlich gesagt, bei hohem Wasserstand kann es hier ungemütlicher werden.

An der Fußgängerbrücke Albdruck-Schwaderloch liegt die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz

Jetzt bin ich glücklich durchgepaddelt und genieße die weitere Strecke in guter Strömung und sehr schöner Landschaft. Gegenüber der Mündung der Aare gibt es Sandbänke, für eine schöne Pause wie geschaffen. Die nehme ich. Weiter geht es mit abnehmender Fließgeschwindigkeit bis zum nächsten Stauwerk Albdruck-Dogern. Wunderbar ist, dass an den Stauwerken immer große Bootswagen zur Verfügung stehen. Manchmal mit Pfand, wie bei den Einkaufswagen, damit sie wieder zurückgebracht werden. Ich nehme gerne meinen eigenen, der wird nach dem Einsetzen wieder auf das Boot geschnallt, ist immer dabei ich und muss ihn selbstverständlich nicht zurückbringen. An der Fußgängerbrücke Albdruck-Schwaderloch ist die Grenzziehung zwischen Deutschland und der Schweiz auch für uns Kanuten und andere ‚Wasserratten‘ deutlich gekennzeichnet. In der Mitte auf der Brücke gibt es offensichtlich ein abschließbares Tor. Nur hier unten vom Wasser aus sind die Nationalflaggen auf den entsprechenden Seiten deutlich sichtbar aufgemalt. Ich halte mich in der Mitte im Niemandsland bzw. Niemandswasser auf. Wer will da schon nach einem Personalausweiß fragen.
Nach 12,5 km wartet schon das nächste Kraftwerk Laufenburg auf mich. Bei diesem heute letzten Kraftwerk finde ich am Einstieg zum Unterwasser einen Schrägaufzug und frage mich wie der denn funktioniert. Da gibt es in einem Schaukasten eine Erklärung die auf eine Bedienung hinweist und noch der Zusatz, dass man Hilfe anfordern kann auf die aber schon mal eine Stunde gewartet werden müsste. Das bitte man aus organisatorischen Gründen zu entschuldigen. Dann entdecke ich die Steuerung für die Bedienung hinter einer Jalousie. Die Steuerung sieht zunächst recht kompliziert aus. Ist aber kein großes Ding. Mit der Erklärung kommt man gut zurecht. Schnell habe ich mein Boot auf den Schrägaufzug geschoben und fahre ihn fröhlich ins Unterwasser. Aber halt. Ich hier oben an der Steuerung, mein Boot dort unten im Wasser? Wer hält es denn fest, wenn es aufschwimmt? Den Aufzug kann man immer anhalten. Also kurz vor der Wasseroberfläche stoppen, die Treppen runterlaufen, das Boot vom Aufzug ins Wasser schieben, festbinden, wieder rauflaufen, den Aufzug in die obere Position fahren, wieder runterlaufen, einsteigen, fertig. Jetzt hatten die vernachlässigten Beine auch mal Bewegung.
Einige Kraftwerke bieten auch Informationen ihrer Funktionsweise, oder wie hier, auch mal Infos über alle möglichen Fischarten die sich angeblich im Rhein tummeln. Hoffen wir mal, dass all diese Fische die vorhanden Fischaufstiegs-hilfen finden und nutzen. Ansonsten geht es durch die tödlichen Turbinen. Für heute habe ich genug vom Kraftwerke übersetzen und suche einen Platz für mein Zelt. Nicht weit, taucht auch schon der Anleger der Kanustation Hochrhein-Kanu auf, ein Kanuverleiher. Ich steige aus und schaue mich um. Werde auch sogleich freundlich empfangen. Es ist alles vorhanden. Eine kleine Zeltwiese, „Naturcamping“ steht auf dem Schild, Sanitärräume, Einkaufsmöglichkeit in der Nähe, Handyaufladung in einer abschließbaren Box, ein kleines Restaurant und der Rheinuferweg führt vorbei. So einladend, dass auch viele Radreisende hier zelten. Ich gehe meine Verpflegung ergänzen und genieße einen schönen Abend mit den anderen Gästen.


Abschnitt 6: Kanustation Hochrhein-Kanu – Kaiseraugst ca. 30 km

Heute werden es noch 3 Staustufen mit ihren Kraftwerken sein, die es zu überwinden gilt, bis ich mein ungefähres Ziel Basel erreiche. Nach den Staustufen wird die Strömung stark genug, um gut vorwärts zu kommen, lässt dann wieder nach, wenn es auf die nächste Staustufe zugeht. Das erste Kraftwerk für heute bei Bad Säckingen überwinde ich wieder reibungslos. Immer wieder werden meine Umsetzkünste gefordert. Aussteigen, Bootswagen vor das Boot an die Schrägrampe legen, das Boot draufhieven, festschnallen, übersetzen, das Boot halb ins Wasser schieben, vom Wagen hieven, den Bootswagen auf das Boot schnallen, einsteigen, fertig, uff.  

"Unter Paddlern versteht man sich."

Am Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt sind leider 3 Treppenstufen bei denen der Bootswagen mit seinen kleinen Reifen definitiv versagt. Das geht nicht. Aus- und wieder Einpacken wegen 3 Treppenstufen? Kurz vor der Staustufe hatte ich 2 Paddler in einem Luftboot gegrüßt und überholt. Ich warte und hoffe die beiden wollen auch übersetzen. Und da sehe ich sie auch schon näherkommen. Ich bitte um Hilfe mein Boot mal kurz über die Treppen zu heben. Unter Paddlern versteht man sich. Es sind ein Vater mit seinem jugendlichen Sohn aus der Schweiz, die immer wieder mal ein Stück am Wochenende den Rhein befahren. Wir fachsimpeln noch etwas, dann ziehen wir die Boote zum Einstieg hinunter. Ich hoffe dort keine Treppe mehr vorzufinden, was auch so ist. Ich kann wieder problemlos einsteigen. Die Beiden Schweizer auch. Und so paddelt wieder jeder sein Tempo.
Trotz all den Staustufen ist die Landschaft hier am Hochrhein immer wunderbar. Die Streckenabschnitte lohnen die Anstrengungen. Es gibt ausgesprochen viele gepflegte Rast- und Badeplätz. An den Fließstrecken sind oft Flussschwimmer mit ihren Schaumstoffnudeln oder einem Wickelfisch als Schwimmhilfen anzutreffen.
Das letzte Kraftwerk Rheinfelde überwinde ich wieder ohne Schwierigkeiten mit dem eigenen Bootswagen und kann dann wieder auf flottem Stromzug vorwärtspaddeln. Geplant hatte ich eine Übernachtung auf dem Schweizer Zeltplatz Kaiseraugst. Entdecke kurz davor auf der rechten Seite doch noch einen kleinen Campingplatz. Den fahre ich an und frage nach einer Übernachtung. Kein Problem heißt es. Ich bekomme eine kleine Ecke am Wasser zugewiesen und bin wieder einmal glücklich, weil sich alles fügt. Ob ich nach dem nächsten Kraftwerk Wyhlen noch einen geeigneten Campingplatz gefunden hätte, weiß ich nicht. Aber genau hier kann mich meine Frau super einfach wieder aufladen. Da dieser private Vereinscampingplatz nicht in allen Medien zu finden ist, helfen nur die Koordinaten aus Google-Map. Hier kann ich wieder eine Runde am Abend schwimmen. Die Nacht ist super ruhig. Am nächsten Morgen packe ich für die Fahrt nach Hause alles zusammen. Und schon werde ich abgeholt.

180 KM IN 6 TAGEN PADDELN, DAS GEHT!  


 

Kurz-Info Tour Bodensee-Basel


Anreise:

  • Am besten mit eigenem Auto
  • Mit dem Bus und Zug nach Konstanz und dann mit der Schweizer Bundesbahn Richtung Basel. Insgesamt mit vielen Umstiegen sehr umständlich und aufwändig.

 

Übersetzen am Rheinfall von Schaffhausen:

  • Das Umgehen mit dem eigenen Bootswagen ist sehr anstrengend, ca. 5 km. Für nicht so sportliche empfiehlt sich ein Umfahren mit dem Auto.

  • Angeblich machen das auch Taxiunternehmen vor Ort, soll aber sehr teuer sein.

     

Übernachtungen:

  • Bei größeren Ortschaften gibt es genug Campingplätze auf der Strecke. Man sollte aber gut Planen, damit die Strecken nicht zu lang werden. Wenn man wild zelten möchte, bieten sich die Grill- und Badeplätze hierfür an, ist aber nicht überall erlaubt. Gesetzliche Regeln sind zu beachten. In der Schweiz ist wild Campen nicht verboten. In Deutschland ist wild Zelten verboten, da gibt es aber Grauzonen in der Gesetzeslage, z. B. bei Wanderern.
    Die Grill- und Badeplätze sind sehr ordentlich hergerichtet. Der Rasen ist gepflegt. Meistens ist auch Holz für den Grill vorhanden. Wichtig ist den Platz wieder so sauber zu verlassen wie man ihn angetroffen hat. Ich hatte auf keinem der Plätze Müll oder Unrat gesehen. Auch einen Klappspaten sollte man dabeihaben.

     

Boote:

  • Es können alle Bootsarten genutzt werden.
  • Es gibt nur zwei Verleiher, den Hochrhein-Kanu in Murg und Kanuverleih-am-rheinfall in Neuhausen. Hier empfiehlt es sich, in den Sommermonaten vorab zu reservieren.

 

Paddelstrecke:

  • Der Bodensee hat seinen eigenen Reiz, als Paddelrevier. Man kann ihn auch komplett umrunden, was als gesonderte Tour zu planen wäre.
  • Auf dem Hochrhein gibt es erst ab Schaffhausen Stauwerke. Bis Basel sind es insgesamt 15 Staustufen. Drei mit Schienenwagen und dem entsprechenden Service, einen mit Schrägaufzug und Selbstbedienung. Alle anderen müssen umtragen bzw. umfahren werden. An vielen Kraftwerken stehen Bootswagen zur Verfügung, die man an den Abstellort zurückbringen muss. Die Schönheit der Gegend entlohnt aber für die Anstrengungen beim Umtragungen.
  • Alle Streckenabschnitte wechseln zwischen fließendem und stehendem Gewässer eines immer wieder aufgestauten Wanderflusses.  
  • Der „Koblenzer Lauffen“ ist besonders zu beachten. Ein Wildwasserstück von ca. 500 m Länge, der für ungeübte eine Gefahrenstelle bedeutet. Bei Unsicherheit lieber Umtragen. Besonders bei hohem Wasserstand.

 

 

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 


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