Kleider machen Paddler. Das bedeutet (noch) nicht, dass man jegliche Kenntnisse von Paddeltechniken in dem Moment vergisst, wenn man die Paddelkleidung nicht akribisch an Revier und Wetterbedingungen angepasst hat. Wenngleich - wundern würde es kaum, denn die Branche kämpft mit immer neuen futuristisch anmutenden Namen und Produktbeschreibungen um die Gunst der unbedarften Paddler- und Freiluftfans.
Was ist denn wirklich nötig, um sich in einem Kanu aufhalten zu dürfen? Prinzipiell und bei entsprechenden Wetteraussichten tut es natürlich Jeans und T-Shirt. Doch diejenigen, die häufiger auf den Wasser zu finden sind, wissen die Vorteile von Funktionsbekleidung zu schätzen.
Als Funktionstextilien bezeichnet man Bekleidung aus Fasern, Garnen, Geweben und Gewirken bzw. Stoffen mit funktionellem Mehrwert. Um einen Überblick über die hochtechnischen und spezialisierten Produkte zu bekommen und um entscheiden zu können, welche Bekleidungskombination beim nächsten Paddelausflug die geeignete ist, ist zweierlei nötig: Materialkunde und ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung.
Dazu haben wir eine Checkliste (oben rechts) zusammengestellt, die dabei unterstützt, den Überblick im Bekleidungsdschungel zu bewahren und sich darauf zu konzentrieren, was man wirklich braucht. Je nach Einsatzzweck kann Funktionskleidung in unterschiedlichem Maße die folgenden Eigenschaften haben. Welche Funktion Paddeljacke, - hose oder Trockenanzug besonders gut erfüllen müssen, entscheiden die persönlichen Ansprüche.
Wasserdichtigkeit und Atmungsaktivität sind naturgemäß die wichtigsten Funktionen jeglicher Paddelbekleidung. Gemessen werden beide Werte in den Kennwerten Wassersäule und Atmungsaktivität. Was bedeutet das genau?
Die Wassersäule ist eine Maßeinheit, die den Widerstandes von Stoffen gegen das Durchdringen von Wasser bestimmt. Sie besagt also, wie viel Millimeter Wasser aufgeschichtet werden kann, bis der Druck so hoch ist, dass Wasser durch den Stoff gedrückt wird.
Um diese zu ermitteln, werden 10cm² eines Stoffs unter einem Messzylinder (=Säule) aufgespannt und der Zylinder anschließend mit Wasser gefüllt. Die Höhe des eingefüllten Wassers ist die Wassersäule. Ab einer Wassersäule von 1.300 mm darf bereits von einem wasserdichten Stoff gesprochen werden. Moderne Paddelbekleidung hat je nach Ausführung eine Wassersäule zwischen 23.000 und 28.000 mm. Das ist auch gut so, weil beim Paddeln schnell starker Druck auf einzelne Partien entstehen kann. Beispielsweise bei Hosen durch Knien oder Sitzen.
Die Wassersäule bezieht sich allerdings immer nur auf den verwendete Stoff. Sind die Nähte nicht verschweisst, können Wassertropfen durch die Nähte eindringen
WassersäuleJe höher die Wassersäule, desto wasserdichter das Gewebe. Was sagen mm Wassersäule aus?
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Logisch, dass der Paddler sich Paddelbekleidung mit einer möglichst hohen Wassersäule wünscht. Wäre dies das einzige Kriterium für Paddelbekleidung, wäre die „Einkaufswelt“ wunderbar aufgeräumt wie frisch nach einer Inventur. Das Problem ist, dass eine höhere Wasserundurchlässigkeit die Wasserdampfdurchlässigkeit einschränkt. Problem deshalb, weil ein aktiver - also zum Beispiel paddelnder - Mensch Energie erzeugt Etwa 20% dieser Energie wandelt der Körper in mechanische Arbeitsleistung, der große Rest wird in Form von Wärme abgegeben. Um diese Wärme zu kompensieren, besitzt der menschliche Körper rund zwei bis drei Millionen Schweißdrüsen auf der Haut. Bei extremer Anstrengung oder bei sehr hohen Temperaturen kann bis zu zwei Liter Schweiß pro Stunde zusammenkommen.
Früher setzten Bergsteiger und Landarbeiter auf natürliche Materialien. Bis weit ins 19. Jahrhundert waren gefettete Lederjacken und Mäntel der einzige Schutz gegen die Nässe von außen. Von Atmungsaktivität war das weit entfernt. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts kamen dann erstmals Regenjacken aus Gummi auf. Diese waren zu 100 Prozent wasserdicht, allerdings von außen und innen gleichermaßen – Wasserdampfdurchlässigkeit Fehlanzeige.
Seit einigen Jahren macht deshalb ein zweiter Begriff der Wassersäule Konkurrenz und bringt Unruhe in die einst so aufgeräumte Paddelbekleidungslandschaft: die Atmungsaktivität.
Gemeint ist eigentlich die Dampfdurchlässigkeit. Diese lässt sich exakt messen, und zwar über den MVTR- (Moisture Vapor Transmission Rate) Wert. Der bezeichnet in Gramm (g) den Wasserdampf je Quadratmeter (m²) Oberfläche über einen Zeitraum von 24 Stunden: bei einer Atmungsaktivität 5.000 können also innerhalb eines Tages 5.000g Wasserdampf über einen Quadratmeter der Textilie entweichen. Ab 10.000g/m²/24h gilt eine Membran als sehr atmungsaktiv.
Das klingt zunächst simpel. Problematisch ist:
Angaben zur Atmungsaktivität sind schwer zu bewerten. Kurz zusammengefasst: Es kommt auf das persönliche Schwitzverhalten, den Grad der Aktivität und die Außentemperatur an – und natürlich auf die weitere Bekleidung. Da muss leider jeder für sich die beste Variante finden.
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Wie man sich leicht vorstellen kann, verläuft der Prozess der Atmungsaktivität (bei einer wasserdichten Paddeljacke) nicht so schnell wie das Durchtreten einer Flüssigkeit durch einen nicht wasserdichten Stoff (zum Beispiel Neopren): Wir erzeugen länger Feuchtigkeit, die verdampfen und nach und nach austreten muss... |
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2-Lagen-Laminat
Die 2-Lagen-Konstruktion besitzt eine mikroporöse Membran, die auf ein schützendes Obermaterial laminiert und dadadurch zu einem 2-Lagen(stoff)-Laminat verbunden wird. Von innen wird die Membran durch ein separates Futter geschützt, das lose in der Jacke hängt und den direkten Kontakt mit dem Funktionsstoff verhindert, der mit der Zeit aufgrund der Kondensation feucht werden könnte. Das ist meist die günstigste und leichteste Variante.
2,5-Lagen-Laminat
Zusätzlich zur 2-Lagen-Konstruktion wird bei 2,5 Lagen-Stoffen von innen an die Membran eine Schutzschicht – meist eine fettabweisende Substanz oder Karbon – angebracht, die ein Netzfutter im Bekleidungsstück unnötig macht. Diese Schutzschicht ist quasi eine „halbe Lage“ und oft an ihrem folienartigen Charakter zu erkennen. Je nach Qualität der Beschichtung ist dieses Laminat deutlich abriebfester als andere 2-Lagen-Laminate.
3-Lagen-Laminat
Futter, Membran und Oberstoff werden zu einem 3-Lagen-Laminat verbunden. Ein 3-Lagen-Laminat ist das langlebigste Laminat und besteht aus einer Membran, die an beiden Seiten von einer Stoffschicht geschützt wird. Die äußere Schicht besteht normalerweise aus einem widerstandsfähigen Stoff, innen wird ein starkes Futter benutzt. Der Unterschied hierbei ist die höhere Strapazierfähigkeit, aber auch meist das höhere Gewicht. Außerdem variiert die Qualität des Innenstoffes deutlich, was man am Preisunterschied, aber auch am Tragekomfort bemerken kann.
Atmungsaktivität und Wasserwiderstand scheinen auf den ersten Blick schwer in Einklang zu bringen zu sein.
Dennoch kann mit einer gut abgestimmten Mischung der jeweiligen Funktionen ein optimales Kleidungskonzept für die jeweillige Wetterregion geschaffen werden
Denn bei Wassersäule und Atmungsaktivität handelt es sich um kein genormtes oder festes Verhältnis. Je nach Hersteller, Produkt oder Textillaminat varrieren die Werte zur Atmungsaktivität und Wassersäule.
Dadurch können Paddler auf ihr persönlich angemessenes Verhältnis zwischen Wasserdichte und Atmungsaktivität achten. Paddler die körperlich sehr aktiv sind und deshalb besonders atmungsaktive Bekleidung haben möchten, müssen dafür Abstriche beim Regenschutz machen. Je nach Ansprüchen kann man die Werte auch durch ein gut abgestimmtes Zwiebelprinzip verbessern.
Es kommt also nicht nur darauf an, ob man als Wildwasser-, Küsten-, Wanderpaddler unterwegs ist, sondern auch auf die Luft- und Wassertemperaturen.
Kaufentscheidung: Was muss die eigene Paddelbekleidung leisten?
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KANU SPORT 11/2018 |