30. Juni 2022

Das Erste-Hilfe-Set für Paddler

Wer die Basics der richtigen Wundversorgung beherrscht, kann (je nach Art, Größe und Lokalisation) die meisten Wunden gut selber behandeln. (Foto: Stefan Bühler)

Unterwegs ist die Erste-Hilfe-Ausrüstung immer ein Kompromiss zwischen Sicherheit und Komfort einerseits und Gewicht und Platz andererseits. Jede, jeder muss den für sich und vor jeder Reise auf ´s Neue finden.

Von Dr. Uli Eiden, Foto: Stefan Bühler



Welches Pflaster für welche Wunde

Womit fangen wir an? Na klar, mit dem „Pflaster“: Streng genommen ist das für eine oberflächliche, saubere Wunde unnötig, aber natürlich nützlich, um ein Verschmutzen der Wunde wie der Kleidung (durch Blut oder Wundsekret) zu vermeiden. Dazu besitzt jedes Pflaster schmerzstillende Eigenschaften – bei Kindern: Hauptsache, ihre Wunde ist erst mal zugedeckt. Am Sinnvollsten sind lange Pflasterstreifen, die sich passend zuschneiden lassen. Meine Liebling hierfür ist seit vierzig Jahren die „Coghlan´s® Faltschere de luxe“, kostet ein paar Euro.
Immer wenn man zu Fuß oder mit dem Paddel unterwegs ist, können Hydrokolloid-Blasenpflaster aus der Drogerie gute Dienste leisten. An wundgescheuerten Fersen oder Händen sind die nun wirklich schmerzstillend. Und was, wenn die Blasenpflaster aufgebraucht oder vergessen wurden? Dann schneidet man ein Stück aus einer sauberen, unbedruckten Plastiktüte aus und fixiert es mit Verbandsklebeband über der Wunde: so lässt es sich deutlich besser weiterfahren! Wer will, kann das Provisorium vorher noch mit einem Wund-Desinfektionsmittel absprühen.
Für Eltern kleiner Kinder zahlen sich Klammerpflaster für Platzwunden auf kurz oder lang aus – ebenfalls aus der Drogerie. Denn sie ersparen uns lange Stunden mit der/dem unlustigen Dreijährigen in der ärztlichen Bereitschaftspraxis. Besser, die Platzwunde wird vorher noch desinfiziert, um unschöne Narben aufgrund einer Vereiterung zu vermeiden.
Was gibt’ s noch an sinnvollen „Wundschnellverbänden“? Wasserfeste Folienpflaster! Zum Beispiel, um mit der Wunde schnell mal unter die Dusche zu springen, ein Aufweichen der Kruste durch Spritzwasser zu vermeiden oder als hygienische Lösung bei Küchenarbeiten.
Wenn´ s mal hässlich wird? Mit paar sterilen Kompressen und Mullbinden (bzw. kombiniert als Verbandspäckchen) lassen sich auch ordentlich blutende Platzwunden am Kopf stillen.
Das reicht noch nicht: Dann darf aus dem Dreiecktuch eine Krawatte gefaltet werden – die oberhalb der Blutung am Arm oder Bein, zusammen mit einem Stock als Knebelverband den Saft abstellt. Outdoor ist Blut besonders kostbar.


Die Wunde ist verschmutzt...

Was tun? Einfach mit (Trink-) Wasser abspülen – steriles Wasser ist zwar in der Medizin Standard, aber statistisch nicht überlegen. Anschließend ist als Desinfektionsmittel ist einzig und allein Octenidin (Octenisept®, 6 Euro) für die Selbsthilfe (!) verschmutzter (!) Wunden sinnvoll – heißt: nicht mit dem Sprühfläschchen als Arzt auftreten und oberflächliche, saubere Wunden brauchen sowieso nichts. Allergische Reaktionen auf das Mittel sind eine absolute Rarität, das Zeug brennt nicht in der Wunde und wirkt laut Hersteller auch gegen Tollwut. Nur: vermischt mit Jod verfärbt es die Haut blau und es darf nicht im Gehörgang oder in Wundhöhlen (von Laien) verwendet werden. Tetanussporen sind dagegen resistent – die Tetanusimpfung kann man also nicht ersetzen: Auffrischung alle 10 Jahre, bei verdreckten Wunden schon nach 5 Jahren.


Was gehört noch zur Erste-Hilfe-Ausrüstung?

Sonst werden noch eine Splitterpinzette, ein „NexTemp®“-Thermometer (2 Euro, kleiner Plastikstreifen, funktioniert ohne Batterie, kann von derselben Person mehrfach verwendet werden), die „Nymphia®-Zeckenschlinge“ (5 Euro, damit lassen sich auch ganz kleine Biester packen, ohne den Leib zu quetschen) und ein festes Tape für verstauchte Knöchel gebraucht.
Allheilmittel gegen Mückenstiche, allergische Reaktionen, Sonnenbrand, Verbrennungen 1. und  2. Grades ist Aloe-vera, 100 ml für zwei Euro. Das Gel „do-it-yourself“ aus der Zimmerpflanze zu quetschen ist nicht sinnvoll: So geraten giftige Antrachinone hinein. Auch eine aufgeschnittene Zwiebel ist ein perfektes Hausmittel gegen Insektenstiche. Oder gezielte Hitze: Gleich nach dem Stich lässt sich mit dem Teelöffelchen aus der heißen Kaffeetasse das von Biene, Wespe oder Stechmücke verabreichte Eiweißgift zerstören – wie ein Spiegelei in der Pfanne. Die PfadfinderInnenversion geht so: eine Münze wird mit dem Feuerzeug erwärmt – solange sie noch schmerzfrei mit den bloßen Fingern gehalten werden kann, darf sie (in der Selbstbehandlung) auf den Stich gedrückt werden, ohne Verbrennungen zu provozieren. Die kommerzielle Variante: ein batteriebetriebener Hitzestift namens „Bite-away®“ (25 Euro). Falsch ist es, eine Gabel oder Löffel statt der Münze zu erhitzen: Während das eine Ende noch locker gehalten werden kann, wird auf der anderen Seite die Haut verbrutzelt... Wenn´s weh tut, stopp! Merke: „Schmerzen sind’s, die ich zu Hilfe rufe. Freunde sind es, Gutes raten sie.“ Ist nicht von mir, ist von Goethe.
Im Alltag machen´’s Einweg-Handschuhe in der Jackentasche leichter, Erste Hilfe zu leisten. Was sonst noch wichtig ist: Klar, ein Mobiltelefon, Notizzettel, Bleistift (= wasserfest!). Manche Rucksäcke besitzen ein Erste-Hilfe-Fach, das mit dem entsprechenden weißen Kreuz auf grünem Hintergrund markiert ist. Erste-Hilfe-Taschen gibt es in jeder Größe. Ein Volumen von 1.000 ml ist für Rucksack- oder Kanutouren ausreichend, um noch ein paar (rezeptfreie) Medikamente einschließlich den Beipackzetteln unterzubringen. Diese sollten vor Gebrauch im Bezug auf Vorerkrankungen, Dauermedikation, Gegenanzeigen Allergien, Schwangerschaft und Stillzeit geprüft werden. Der Rest der Packung bleibt in der Hausapotheke. Ggf. Arzt oder Apotheker fragen.

 

 


Vorschläge für die (rezeptfreie) Notfallapotheke

 

  • Gegen Halsschmerzen: Emser®-Pastillen zuckerfrei mit Salbei
  • Gegen Übelkeit: Reisetabletten – oder die SEA-BAND®-Akupressurbändchen  aus der Apotheke (12 Euro), gibt’s auch extra für Kinder und Schwangere. Wirken gegen die Übelkeit bei Migräne, in der Frühschwangerschaft und auf Schiffen der Royal Navy.
  • Gegen Juckreiz oder Heuschnupfen: Histaminblocker Loratadin- oder Cetirizin-Tabletten aus der Apotheke (bzw. auf der Haut: Aloe vera)
  • Gegen Durchfall: Loperamid
    (nur ein Notanker für Bus- und Zugreisen oder den Rückflug. Nicht für Kinder, nicht bei Fieber, Bauchkrämpfen oder blutigen Stühlen, nicht zusammen mit Chinin-Limonaden und nicht länger als 48 Stunden. Kohletabletten helfen statistisch nicht.)
  • Bei Neigung zu Lippenherpes: Aciclovir als Lippencreme oder –Stift (2 Euro)
  • Allgemein gegen Schmerzen: Mit Paracetamol oder Ibuprofen wird leidet man (ja: Mann) bei erkältungsbedingten Kopf- und Gliederschmerzen weniger, wird aber nicht schneller gesund.
    Achtung:
    •  Paracetamol – nicht bei Lebererkrankungen
    •  Ibuprofen – nicht bei Einnahme einer Blutverdünnung, bei Herz-, Kreislauf- oder Nierenerkrankungen, nicht in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft.
    • Kein Aspirin bei Fieber in den Tropen – es verstärkt Blutungen durch Dengue-Fieber.
  • Gegen Sodbrennen und Oberbauchschmerzen: Omeprazol, 14 Tabl. à 20 mg (8 Euro)
  • Gegen Darmkoliken oder Regelschmerzen: Buscopan®, 20 Tbl. à 10 mg (5 Euro)
  • Als Nikotinersatz für Raucher: z. B. das pflanzliche Mittel „Tabex®“
  • Gegen Flugangst: ein vom Hausarzt verordnetes, rezeptpflichtiges Beruhigungsmittel – Vorsicht: Bei Auslandsreise unbedingt die Einreisebestimmungen beachten. Andernorts gilt ein Hustenmittel als Droge.
  • Rezeptpflichtiges je nach Reiseziel, z. B. Antibiotika gegen Blasen- oder Gehörgangsentzündungen, Pilzinfektionen oder Malaria.

 

* Die hier sorgfältig ausgewählten und dargestellten Maßnahmen, Hilfsmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente sind risikoarm. Trotzdem übernehmen der Autor wie der Verlag keine Haftung für Schäden, die aus deren Anwendung entstehen. Autor und Verlag genießen keine materielle Zuwendung Dritter für deren im Artikel erwähnten Produkte – abgesehen der freundlicherweise zur Verfügung gestellten Fotos. Die Aufzählung der Produkte und die Preisangaben ist beispielhaft und nicht abschließend. Es mag ebenso gute oder bessere Produkte geben. Der fehlende Hinweis auf einen Markennamen bedeutet nicht, das diese frei verfügbar sind.
 

 

 


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Literaturtipp:

Uli Eiden
Leben retten und medizinische Selbsthilfe
Eine Einführung in die praktische Heilkunde,
für den Alltag, unterwegs und an abgelegenen Orten, mit Lagerfeuergeschichten und Pfadfindertricks. "Leben retten und medizinsche Selbsthilfe" ist ein nach Symptomen geordnetes Nachschlagewerk für alle, die es genau wissen wollen. Über 1100 Stichwörter und mehr als 800 Querverweise.
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ISBN: 978-3-98214553-0-3, Preis: 30,- EUR
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