14. März 2024

Drei leichte Wildflüsse im Allgäu

Maßnehmen an einer Blockwurfstufe (Foto: Paul Salmen)

Das lange Wochenende steht vor der Tür und wir wollen uns nach langer Wildwasserabstinenz mal wieder in die wilden Fluten wagen. Stellt sich nur noch die Frage wohin. Entfernungsmäßig darf die Destination nicht zu weit entfernt liegen, sagt die Erwachsenen-Vernunft der Eltern, während sich unser Nachwuchs über ganz andere Dinge Gedanken macht.

Unser Jüngster möchte am liebsten das ganze Wochenende nur Einer fahren, was bedeutet, dass die Flüsse nicht allzu wild sein dürfen. Der Große hingegen möchte schon ein bisschen gefordert werden und ein paar neue Flüsse wären auch nicht schlecht. Schnell fällt unsere Wahl auf das Allgäu – hier findet man eine große Bandbreite an Flüssen mit der richtigen Mischung an Wildwasser, so dass alle Wünsche erfüllt werden.

Am der Wertach geht es direkt wild los.

Wertach - Ein Fluss zum Warmpaddeln

WW II, abnehmend
Römerbrücke bis Fußgängerbrücke bei Leutscherach: 21,5 km
(alternativ nur bis Brücke Görisried): 13 km

Nach etwa 600 km Anreise starten wir unseren Kurzurlaub an der Wertach. Der Wasserstand ist mit ca. 10 m³/s ideal, so dass wir kurz unterhalb des Grüntensees an der Römerbrücke unsere Boote zu Wasser lassen können. Richtig zackig geht es dann auch direkt los, mit unzähligen Wellenzügen und konstant guter Strömung. Bei dem Mittelwasser, welches wir haben, bilden sich immer wieder kleine Plumpsklos an den vielen kleinen Steinhindernissen, die bei Niedrigwasser sicher für etwas mehr Verblockung sorgen. Für unseren Großen sind diese Hindernisse ein wahres Spielparadies, er nutzt sie zum boofen oder surfen, je nachdem, was die Stelle gerade hergibt. Für unseren Jüngeren reichen die vielen Wellen zur Bespaßung und er nimmt lieber ein wenig Abstand zu den Walzen. Insgesamt liegen die Schwierigkeiten der Wertach auf den ersten Kilometern bei WW II, im Laufe der Fahrt nehmen sie dann langsam ab. Der Fluss schlängelt sich durch ein tiefes bewaldetes Tal. Wir sind ganz allein auf weiter Flur, Straßenbrücken kreuzen die Wertach nur in schwindelerregender Höhe. Da die Wertach permanent durch den Wald verläuft, kommt es immer wieder zu Baumhindernissen, die aber meistens nicht den ganzen Fluss in Beschlag nehmen. Mit ein paar Lenkmanövern lassen sie sich gut umgehen. Nach und nach öffnet sich das Tal und wir erreichen die Brücke bei Görisried. Viele Wildwasserpaddler beenden hier die Tour, da die Wertach nun immer einfacher wird. Da es noch früh am Tag ist, setzen wir unsere Tour noch weiter fort. Ab hier treffen wir nun auf kein weiteres Baumhindernis, doch die Strömung bleibt immer noch gut und es gibt auch vereinzelt ein paar wildere Stellen, die nun auch unseren Wildwasser-Anfänger zum Trainieren locken. Wir beenden die Tour an einer Fußgängerbrücke vor dem Ort Leuterschach.
Die Wertach war für uns alle ein neuer Fluss, der uns aber restlos begeisterte. In Begleitung von erfahrenen Paddlern können Wildwasserneulinge hier viel lernen und auch für Paddler, die bereits erste Erfahrungen auf WW III gemacht haben, wird es hier durch die vielen Spielmöglichkeiten (zumindest bei unserem Pegel) nicht langweilig.
 

   

Ganz für sich hat man als Paddler die ersten Meter auf der Vils.

Im einsamen Tal über die Grenze – die Vils

WW II (III-IV)
Vilsfall bis Wehr Vilstalsäge: 9 km

Tag zwei unseres langen Wochenendes im Allgäu. Wir haben uns mit anderen Paddlern verabredet, um gemeinsam die Vils zu paddeln. Dieses unscheinbare Flüsschen hatte ich schon zigmal auf dem Weg in die Alpen hinter dem Grenztunnel bei Füssen überquert, allerhöchste Zeit also, es mal zu paddeln.
Der Einstieg zur Vils befindet sich kurz hinter der österreichischen Grenze direkt unterhalb des spektakulären Vilsfalls. Während die Autofahrer sich an das langwierige Umsetzen machen, schleppt der Rest von uns die Boote den weiten Weg hinab zum Einstieg. Der Standardabschnitt der Vils führt durch ein wunderschönes Tal, dass man nicht mit dem Auto befahren darf. Ein Wanderweg ermöglicht aber das (wenn auch nicht ganz einfache) Umsetzen mit dem Fahrrad.
Glasklar glitzert uns die Vils entgegen, als wir ins kühle Nass rutschen. Steile Felsflanken ragen unterhalb des Vilsfalls hinauf und sorgen für eine ganz besondere Szenerie. Der erste Kilometer der heutigen Tour ist nur uns Paddlern vorbehalten, anders als über den Fluss kann man das Tal hier nicht erleben, denn auch der Wanderweg verläuft hoch oben auf dem Berg. Die Schwierigkeiten der Vils sind hier nicht besonders hoch, bei WW I-II in den kleinen Schwällchen muss man eher auf Totholz in den Außenkurven aufpassen als auf wilde Stellen. Die Kinder freuen sich über die zahlreichen Kehrwasser, die sie mit Freude ansteuern. Irgendwann kreuzt der Wanderweg den Fluss und wir sehen viele Wanderer und Mountainbiker, die uns wiederum mit großen Augen anstarren. Die Vils mäandriert fröhlich weiter bis sich das Tal öffnet und wir große Weideflächen durchpaddeln. Hier ist der Fluss zu unserem Leidwesen an den Ufern ganz schön reguliert, zudem gibt es in diesem Bereich einige Blockwurfstufen. Bei unserem Wasserstand (ca. 9 m³/s) sind sie allesamt leicht zu befahren, aufregend sind sie für unsere beiden jüngsten Mitpaddler trotzdem. Als das Tal sich wieder verengt, ist Vorsicht angesagt. Der wilde Abschnitt der Vils beginnt hier hinter einer Brücke. Für unsere Wildwasseranfänger heißt das, aussteigen und umtragen. Das geht hier super einfach, da ein Forstweg den Fluss begleitet, wer über den Wanderweg umsetzt kann die Stelle auch hierbei schon besichitigen und sich den Ausstieg merken. Mit viel Gefälle, leichter Verblockung und nur wenigen Kehrwassern steigern sich die Schwierigkeiten auf WW II-III, irgendwo in diesem Bereich quert man übrigens die Grenze nach Deutschland. Vor einer Rechtskurve landen wir an, um die Kernstelle der Vils zu besichtigen: der Schranz oder auch der Schranzenschrofen (WW III-IV). Hier stürzt die Vils über vier Stufen, die teilweise über ganz schön Rücklauf verfügen. Nach ausgiebiger Besichtigung entscheidet sich unser Großer dafür, die erste Stufe zu fahren. Stufe zwei hat ihm zu viel Rücklauf und in Stufe drei liegt ein Baum, der ganz genau angefahren werden muss. Diese Stellen umträgt er, um bei Stufe vier wieder dazu zusteigen. Wir Erwachsenen fahren den Schranz komplett, ein spaßiges Unterfangen mit ein paar schönen Boofs. Nach der Kernstelle steigen die Wildwasseranfänger wieder ein. Es folgt ein schöner Abschnitt mit spritzigem WW II und vielen schönen Trainingskehrwassern. Viel zu schnell erreichen wir den Ausstieg vor einem Blockwurfwehr. Auf dem folgenden Stück folgen viele Wehre mit Wasserableitungen, daher ist eine Weiterfahrt nicht besonders empfehlenswert.
Insgesamt kann man sagen, dass sich die Vils vor allem für gemischte Gruppen gut eignet. Wildwasseranfänger können hier erste Erfahrungen sammeln, wenn sie von erfahren Paddlern begleitet werden. Die Kernstelle und der begleitende Forstweg sind perfekt für all diejenigen, die den Sprung von WW III zu WW IV in Angriff nehmen wollen. Hier lernt man super das Besichtigen von Stellen und das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten. Zudem ist die umgebende Landschaft ein echter Hingucker und ermöglicht einen entspannten Einstieg ins Schluchtenpaddeln.


Tobel-Tag

Der nächste Tag startet mit ausgiebigem Regen, der aus tiefhängenden Wolken auf unser Tarp hinabprasselt. Empfindlich kalt ist es dazu auch geworden, was die Motivation der Kinder bedeutend schmälert. Anstatt also paddeln zu gehen, steht ein Wandertag oder vielmehr ein Tobel-Tag an. Für alle, die den Begriff nicht kennen: ein Tobel bezeichnet ein enges Tal oder eine Schlucht, ist also per Definition schon interessant für jeden Wildwasserpaddler. Im Ostertobel nahe des Illertals bewundern wir diverse, teils hohe Wasserfälle, die bei höheren Wasserständen sicher schön zu befahren wären. Danach fahren wir weiter zum bekanntesten Tobel der Gegend: dem Eistobel der oberen Argen. Die Wanderung hier nimmt unseren ganzen Nachmittag in Anspruch und nicht nur die Kinder sind fasziniert von den vielen Stufen und Rutschen, die man bei höheren Wasserständen auch paddeln kann (wobei bei unserer Besichtigung sehr viel Holz im Fluss lag, so dass einige Stellen zurzeit nicht fahrbar sein dürften).  

   

In der Anfahrt zum Naturwehr auf der Argen.

Argen - Leichtes Wuchtwasser zum Ausklang

Zusammenfluss Untere und obere Argen bis Straßenbrücke Laimnau: 14,6 km
Befahrungsverbot vom 15.03. - 15.07., wenn der Pegel Gießen unter 45 cm (bei so wenig Wasser dürfte eine Befahrung der Argen auch kaum möglich sein)

Für die letzte Tour des Wochenendes fahren wir ein gutes Stück Richtung Westen. Die Argen ist ein breiter Fluss mit moderaten Schwierigkeiten (bis WW II), die meist abseits von großen Straßen durch ein breites Tal fließt. Unser Einstieg befindet sich am Zusammenfluss von Oberer Argen und Unterer Argen, hier ist schon ordentlich Wasser im Flussbett, ca. 29 m³/s strömen an diesem Tag gen Bodensee. Durch das viele Wasser und die Breite des Flusses, hat das Paddeln hier einen ganz anderen Charakter als auf der Vils und der Wertach. Wir genießen die vielen Wellen und unser Minipaddler muss ein ums andere Mal die Plumpsklos umschiffen, die immer wieder auftauchen. Uns größeren Paddlern machen diese Walzen nichts aus, bomben wir doch einfach so hindurch. Nach einem Kilometer erreichen wir das so genannte Naturwehr. Hier befindet sich auf der kompletten rechten Seite eine Stufe mit kleinem Rücklauf dahinter. Wir halten uns links und umgehen so die Schwierigkeiten. Zwischen den vielen Schwällen gibt es auch immer wieder ruhige Abschnitte. An einer Insel ist nochmal die ganze Konzentration unseres Wildwasseranfängers gefragt, hier lauert – wieder rechts – eine dicke Walze, die das Potential hat, kleine Kinder zu verschlingen. Wie gut, dass es an der Argen immer genügend Platz zum Ausweichen gibt. Kurze Zeit später ragt am linken Ufer eine lange Steilwand auf, der Flunauer Sack, dort wartet ein langgezogener Schwall auf uns. Je weiter wir flussab fahren, desto leichter wird die Argen. Doch einmal geht es nochmal ordentlich zur Sache, kurz hinter der zweiten Hängebrücke gibt es einen Schwall mit den wohl höchsten Wellen des Tages. Ohne Walzen und mit einem langen Wellenzug avanciert diese Stelle sofort zum Favoriten der Kinder, was das Wildwasser auf der Argen angeht. Die letzten sechs Kilometer bis zu unserem Ausstieg sind mit WW I nun wirklich leicht und es gibt immer weniger Möglichkeiten in den Wellen oder kleinen Walzen zu spielen. In Laimnau beenden wir die Tour an einer Straßenbrücke.
Die Argen ist ein super Fluss für alle Wildwasseranfänger und dank diverser Wellen und Walzen zum Spielen kommen auch Paddler, die schon besser im Boot sitzen, voll auf ihre Kosten.

 

Infos zum Revier


Beste Zeit: Im Frühjahr oder Frühsommer bis Juni
Unterkunft: Vom Campingplatz Waldesruh in Wertach ist man blitzschnell an der Wertach und Vils, die Argen liegt etwas abseits.
Literatur / Gewässerführer:
- DKV-Auslandsführer Band 1 Österreich/Schweiz
- DKV-Gewässerführer Süd-Bayern
- DKV-Gewässerführer Baden-Württemberg;
Wenn man nicht so viele Bücher mitschleppen möchte, kann man auch alle Flüsse in der CanuaApp finden; die RiverApp ist ganz nützlich, um die Pegelstände der Region abzurufen, außerdem gibt es dort aktuelle Meldungen zu eventuellen (Baum-)Hindernissen. 
 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 


 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 6/2022:

KANU-SPORT 6/2022
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