15. Februar 2024

Ein neuer Familienlieblingsfluss

Das Tal des Aras ist ab Fiscal verhältnismäßig breit und von eher sanften, bewaldeten Bergen umgeben. Gemeinsam mit dem glasklaren Wasser unterm Boot ergibt das eine wunderbare Kombination für die Augen und die Seele. (Foto: Paul Salmen)


Paddeln in wärmeren Gefilden, während das Wetter Zuhause oft noch eher durchwachsen ist. Davon träumen die meisten Paddler doch. Wenn dann noch Kinder mit im Boot sitzen, ist Sonnenschein und Wärme umso wichtiger. Uns hat es deshalb nach Spanien gezogen, zur Südseite der Pyrenäen. Natürlich nicht nur zum Sonne tanken, sondern auch, um neue Flüsse zu erkunden.

Von Stefanie Bank (Text und Fotos) und  Paul Salmen (Fotos)


Erwartungsgemäß ist es also schon ziemlich warm, als wir vormittags am Einstieg des Rio Ara in Fiscal stehen. Warum er bei der Hitze seinen langen Neo anziehen muss, mault Samuel direkt herum. Geduldig erkläre ich ihm die Sache mit Luft- und Wassertemperatur und der richtigen Wärmeschutzkleidung. Tatsächlich ist der Ara ein eiskalter Gebirgsbach, liegt seine Quelle doch umgeben von einigen Dreitausendern an der Grenze zu Frankreich. Samuels Einsicht folgt auf dem Fluss dann auch relativ schnell im ersten Schwall, als er einen Schwung Wasser ins Gesicht bekommt. Während Samuel mit Papa Paul also nur so durch die Wellen prescht, suche ich mit dem jüngeren Jakob eher die Chickenline.


Eintauchen in die Einsamkeit

Das Tal des Aras ist ab Fiscal verhältnismäßig breit und von eher sanften, bewaldeten Bergen umgeben. Gemeinsam mit dem glasklaren Wasser unterm Boot ergibt das eine wunderbare Kombination für die Augen und die Seele. Obwohl die Straße nie weit vom Fluss entfernt ist, bekommt man nicht viel von ihr mit. Die spanische Seite der Pyrenäen ist sowieso eher dünn besiedelt, die meisten jüngeren Leute zieht es aus den Bergen in die großen Städte. Viele Bergdörfer sind verlassen oder nur noch von Rentnern besiedelt. Angesichts dieser grandiosen Landschaft können die Gründe wohl nur wirtschaftlicher Natur sein, warum sonst sollte man diesen schönen Flecken Erde verlassen wollen.
Wir genießen die Stille und überlassen uns voll und ganz dem Fluss. Der Ara ist hier kein schweres Wildwasser, mit den Kindern im Zweier wäre das auch undenkbar, dennoch schauen wir bei jedem Schwall genau, wo wir langfahren müssen. Sei es wegen kleinen Walzen, die die Kinder tunken würden oder weil der Ara breit wird und man die tiefste Route erwischen muss. Samuel nimmt seine Rolle als Begleitvorfahrer sehr ernst. Unten aus dem Kehrwasser gestikuliert er mir immer wild zu, welche Route ich am besten nehmen muss, damit Jakob nicht allzu nass wird. Obwohl Jakob noch nicht viel mitpaddelt, ist er auf dem Ara ständig beschäftigt. In den Wellen muss er aufpassen, dass ihm sein Paddel nicht aus den Händen gleitet und in den kurzen ruhigen Abschnitten muss er den Himmel beobachten. Denn über unseren Köpfen schweben im Tiefflug immer wieder Milane hinweg. Und so ist auch Jakob wild am Gestikulieren um mich auf die Raubvögel aufmerksam zu machen.


Traurige Vergangenheit

Langsam rücken die Berge näher an den Fluss heran und am rechten Ufer tauchen die Überbleibsel eines Kraftwerksprojekts auf. Das Kraftwerk wurde bereits unter Franco in Auftrag gegeben, aber zum Glück aller Paddler und Talbewohner nie fertiggestellt. 2008 haben Berechnungen dann ergeben, dass ein so großes Kraftwerk am Ara nicht rentabel wäre. Übrig von dem überzogenen Projekt bleiben einige unschöne Betonreste am Ufer und das verlassene Örtchen Janovas am Eingang der Schlucht. Die Einwohner dieses Ortes wurden, noch bevor genauere Planungen zum Kraftwerksbau vorlagen, mit rüden Methoden, teils sogar gewaltsam, aus ihren Häusern vertrieben. 150 Familien mussten in den sechziger Jahren so ihre Heimat verlassen. Mittlerweile gibt es von ehemaligen Anwohnern und deren Nachfahren eine Initiative, die sich an den Wiederaufbau des Dorfes macht. Eine bewegende Geschichte, die dafür sorgt, dass Janovas für – zumeist spanische – Touristen ein beliebtes Ausflugsziel geworden ist.


Die Garganta de Boltaña

Die Hängebrücke, die nach Janovas führt, kündigt gleichzeitig den Höhepunkt des unteren Ara an – die Garganta de Boltaña. Bevor wir uns jedoch in die Schlucht wagen, wartet unter der Hängebrücke die schwerste Stelle dieses Abschnitts auf uns. Das ganze Wasser des Ara zieht nach links gegen den Brückenpfeiler, dann folgen drei Walzen, die man nicht so wirklich gut kneifen kann. Mit Jakob möchte ich die Stelle eigentlich nicht fahren, seine gute Paddellaune soll ja nicht durch Taucheinheiten durch die Walzen vermiest werden. Paul möchte den für den Zweier recht hakeligen und engen Schwall auch nicht zwingend fahren. Also landen wir rechts auf der Kiesbank an und verbinden das kurze Tragen mit einer ausgiebigen Pause. Nach 12 Kilometer Paddelei sind alle hungrig, also bietet sich eine Unterbrechung sowieso an. An der Kiesbank kann man zudem prima spielen, etwas planschen und Steine weit werfen üben. Irgendwann zieht es uns dann doch weiter, zu verlockend sieht das aus, was vor uns liegt. Landschaft und Vegetation ändern sich mit einem Mal, die sanften Berge werden zu schroffen Felsrippen, aus satt-grünen Bäumen wird knorriges Gestrüpp. Wildwassertechnisch bleibt der Ara auch in der Schlucht leicht, doch hinter jedem Schwall wartet ein tiefer Tumpf. Hier wird aus dem glasklaren Wasser ein Traum aus türkis-blauer Unendlichkeit. Vor allem Samuel ist fasziniert von diesem einmaligen Farbenspiel. Wer braucht schon die überfüllte Soca, wenn man den einsamen Ara haben kann? Aber nicht nur Samuel, auch sein kleiner Bruder ist begeistert. Außer „Mama“ und „Papa“ hat der stille, kleine Mann zwar noch nicht viele Wörter im Repertoire, doch „Boah!“ gehört schon eindeutig dazu. Von diesem Wort macht er dann auch ausgiebig Gebrauch, ob er damit die Landschaft, die Wasserfarbe, das Wildwasser oder eine Mischung aus allem meint, bleibt unklar. Ist ja eigentlich auch egal, Hauptsache er ist mit viel Freude dabei.


Spritziger Tourabschluss

Wir nehmen uns viel Zeit für die Schlucht, fahren zahlreiche Kehrwasser an, fotografieren was das Zeug hält und entdecken hinter jeder Ecke neue, bizarre Felsformationen. Und doch kommt der Ausstieg dann viel zu schnell. An einem kleinen Nebenbach am linken Ufer steigen wir aus. Jakob ist mittlerweile, überwältigt von so vielen neuen Eindrücken, selig eingeschlummert und nicht mehr wach zu kriegen. Bei höheren Wasserständen könnte man die Fahrt noch weiter bis kurz vor Boltaña fortsetzen, doch der Ara wird hier breiter, das Wasser verläuft sich im Kiesbett.
Obwohl es schon fast Abend ist, ist es immer noch sehr warm. Samuel nutzt die Zeit, in der Paul das Auto nachholt, zum Baden und (erfolglosen) Fische fangen. Am Ende des Tages, bei einem üppigen Mahl in der Wildnis, lassen wir den Tag Revue passieren. Alle sprechenden Mitglieder der Familie sind sich einig, wir haben mit dem Ara einen neuen Lieblingsfluss dazu gewonnen. Was Jakob genau denkt bleibt unbekannt, doch er grinst breit und ruft „Boah!“

 

Kurz-Info: Rio Ara/Pyrenäen

 

Fahrtstrecke: Von Fiscal bis zu einem Parkplatz an der N-260 (am Abzweig nach Ascaso)  17 km. WW II/II+ (bei höheren Wasserständen einige Stellen bis WW III) in Kiesbankschwällen, teils leichte Verblockung. Der Oberlauf bietet hinzu noch extrem schweres Wildwasser in grandioser Kulisse. Hier findet alljährlich Ende Mai das „River Guru Extreme Race“ statt.

Beste Zeit: Zur Zeit der Schneeschmelze, die am Ara, je nach Schneeverhältnissen, von Anfang Mai bis teilweise in den Juli hineinreicht. Dabei muss man natürlich auch immer das aktuelle Wetter im Auge behalten, ist es bereits früh im Jahr warm, verbleibt einem später nicht mehr viel Wasser.


Unterlagen: Eine kurze Beschreibung bietet der DKV-Flussführer Band 2 Südwesteuropa, wer es genauer wissen möchte, schafft sich am besten das Buch „White Water Pyrénées“ von Patrick Santal an. Dort werden zahlreiche Pyrenäen-Flüsse auf mehreren Abschnitten beschrieben. Die Michelin-Karte „Pirineos Centrales“ im Maßstab 1:150.000 gibt einen guten Überblick über die logistische Situation.

Übernachtung: In Boltaña gibt es direkt am Ara einen Campingplatz (www.campingboltana.com). Wild campen ist in der Region aber auch erlaubt, hier wird mangelnder Komfort durch die schönen, oft sehr einsamen Plätze kompensiert. Selbstverständlich muss man die Plätze wieder so zurücklassen, wie man sie vorgefunden hat. Man möchte ja wiederkommen.


Alternativen zum Paddeln: Wer in der Gegend ist, sollte unbedingt einen Abstecher zum nahe gelegenen Nationalpark Ordesa y Monte Perdido machen. Besonders empfehlenswert ist dabei eine Wanderung durch den „Cañon de Añisclo“ des Rio Vellos (oder Bellos, je nach Karte). Der Weg führt hierbei ständig am Fluss entlang, der auf weiten Strecken durch eine wunderschöne, klammartige Schlucht führt, die Paddlerherzen höher schlagen lässt. Eine Befahrung des Vellos ist im Nationalpark leider nicht erlaubt, obwohl sie für Extremfahrer sicher ein Schmankerl wäre.

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU SPORT 3/2017:

KANU SPORT 3/20217
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