18. Februar 2022

Eine Wintertour im Zeichen des Doms

Ratzburger Runde: Start am Anleger in Buchholz (Foto: Christine Luxen)

Spiegelglatt, eingebettet in einer von wenigen Schneeflocken angezuckerten Landschaft präsentiert sich der Ratzeburger See an diesem Ausnahmetag winterlich verschlafen. Nach langen Tagen Starkregens gepaart mit kräftigen Winden wirkt die heutige Wetter­beruhigung fast wie eine Erlösung.

Von Heinz-Georg Luxen

 

Durch die vorherrschende, “trockene“ Kälte in Verbindung mit nur einem leisen Windzug fühlt man sich im kuscheligen Trockenanzug fast schon overdressed. Doch ohne Kälteschutz zu paddeln wäre bei 1°C Wassertemperatur zumindest grober Leichtsinn.


Ungewohnt einsam

Lautlos schiebt sich der Kajak an den saisonbedingt verlassenen Anlegern des Segelclubs in Buchholz, einem kleinen Ort am Westufer des Sees, vorbei. Einsam erstreckt sich das Gewässer, eingebettet zwischen Hügeln und Wäldern, direkt an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gelegen, vor dem Bug. Weder Segler, Ruderer oder andere Wassersportler, die den See im Sommer beleben, lassen sich heute auf der Wasserfläche ausmachen. Abgesehen vom Datum empfindet man schon fast wie in einem bekannten Weihnachtslied: “Still ruht der See“.
Langsam gewinnt die Silhouette Ratzeburgs an Konturen. Die westliche Zuwegung der Inselstadt, die insgesamt mit drei Dämmen festlandsverbunden ist, wird mittlerweile deutlich erkennbar. Der Anleger des Fahrgastschiffes und die Badestelle mit Sandstrand an der Schlosswiese heben sich schon von den Umrissen der Stadt ab und weisen den Weg zum Beginn der Rundtour.

   


Stadt und Natur

Unweit der DLRG Station befindet sich die etwas versteckt gelegene Verbindung zum Schwanenteich. Bereits unter den wachsamen Augen des Doms, der das Stadtbild überragt und bestimmt, wie kein anderes Bauwerk, gleitet man in einem schmalen Stichkanal am rustikalen Fischrestaurant vorüber, dessen Charme und kulinarischen Köstlichkeiten man sich kaum entziehen kann. Nach kurzer Fahrt nebst Unterquerung der B208 erreicht man den Schwanenteich, einen kleinen Vorboten des Küchensees. An schönen Sommertagen muss man hier vorsichtig seinen Weg zwischen unzähligen nahrungssüchtigen Enten und Schwänen suchen und ist froh, alsbald wieder die weiten Wasserflächen des Küchensees unter dem Kiel zu haben. Jetzt im Winter herrscht auch hier ungewohnte Ruhe, sogar die idyllische Wasserfontäne liegt im Winterschlaf.
Richtung Osten geht es in Ufernähe entlang des Kurparks. Viele Grünflächen stehen in angenehmer Relation zu der Bebauung der Dominsel. Ein weiterer Sandstrand der Tour markiert zusammen mit dem städtischen Schwimmbad den Südzipfel der Stadt. Ab hier bewegt man sich wieder Richtung Norden. Der Durchlass unter dem Kleinbahndamm gibt einen ersten Blick auf den kleinen Küchensee oder auch Stadtsee genannt preis. Begrenzt durch obige Verbindung und dem Königsdamm der B208 bildet er das Zentrum des urbanen Erlebnisses. Hier gewinnt das städtische Flair die Überhand zur Natur.
Ein schmuckes, griechisches Restaurant signalisiert das Ende des Stadtsees. Besorgt sucht man bereits eine Möglichkeit zur Weiterfahrt, da das Gewässer wie abgeschnitten wirkt. Doch eine offenbar deplazierte Wasserampel scheint des Rätsels Lösung zu sein. Fast rechtwinklig zweigt ein kleiner Kanal, der den Königsdamm unterquert und die Verbindung mit dem Domsee herstellt, von hier ab. Ein Sichtkontakt zu ankommenden Fahrzeugen ist somit kaum möglich, was wiederum die Ampel erklärt. In diesem Zusammenhang Hut ab für die Führer der Fahrgastschiffe, die dieses Nadelöhr täglich meistern müssen.

   


Allgegenwärtiger Dom

Der Domsee punktet vor allem mit seinen Ausblicken. Rechtsufrig dominiert der altehrwürdige Wasserturm auf der Hindenburghöhe das  Landschaftsbild. Der bereits 1903 erbaute Turm ist im Inneren der heutigen Bausubstanz noch vollständig erhalten. Aus Sicherheitsgründen wurde das nach der Stilllegung seiner Ursprungsbestimmung als Aussichtsturm genutzte Bauwerk mittlerweile jedoch geschlossen. Der Ausblick auf die Stadt muss allerdings fantastisch gewesen sein.
Linksufrig prägt der allgegenwärtige Dom zu Ratzeburg das Stadtbild. Der die Inselstadt weithin sichtbar, überragende Dom wurde von Heinrich dem Löwen gestiftet. Die Grundsteinlegung für diese beeindruckende, romanische Backsteinarchitektur, im Hauptsächlichen bestehend aus einer  dreischiffigen Basilika mit Querhaus und Kreuzgang, geschah bereits im Jahre 1154. Bekannt ist der Dom über die Grenzen hinaus als Aufbewahrungsstätte für die Gebeine des Heiligen Ansverus, der im Alter von 28 Jahren als Märtyrer nach einer Steinigung verstarb.
Obwohl der Dom bereits bei der Anfahrt des Öfteren magisch in der Optik stand, ist diese unmittelbare Nähe hier am Domsee schon spektakulär, besonderes die Dimensionen des Bauwerkes sind einfach atemberaubend. Wer nach diesen ersten, oberflächlichen Eindrücken tiefer in die Materie eindringen möchte, sollte unbedingt eine der interessanten Stadtführungen mitmachen oder sich auf die “Spuren des Löwen“ begeben, welche die geschichtlichen Hintergründe der Stadt zumindest anreißen. Der Tatzenabdruck einer Vorderpfote des Löwen vor dem Dom führt den Besucher über bekannte als auch versteckte Wege zu den Sehenswürdigkeiten Ratzeburgs. Ein kostenloses Faltblatt des Tourismusbüros vereinfacht das Fährtenlesen für alle Großstadtjäger.

Bedächtig paddelt man entlang der alten Gemäuer und lässt die Geschichte nochmals Revue passieren. Langsam rückt die Stadt in den Hintergrund und die Runde schließt sich. Mit der Querung des Domsees zum einsameren Ostufer des Großen Ratzeburger Sees lässt man nun endgültig die urbanen Erlebnisse hinter sich und taucht wieder in die winterliche Einsamkeit eines Großgewässers ein, dessen Horizont nicht von Bauwerken dominiert wird, sondern von einer gewissen Unendlichkeit geprägt ist und somit einen gelungenen Gegenpol zur Stadtrundfahrt bildet.

   

 


Touren-Steckbrief

Fahrstrecke:
Die eigentliche Stadtrundfahrt kann direkt in Ratzeburg begonnen werden. Mögliche Startpunkte befinden sich bei dem Theaterplatz/Kurpark, in der Seestraße und Am Wall, sowie außerhalb der Badesaison auch bei der Schlosswiese, die Streckenlänge liegt zwischen 3-4 Kilometer.
Einen gewissen Mehrwert, nicht nur Distanz bezogen, erhält die Tour, wenn man den Ort Buchholz, am Westufer des Ratzeburger Sees gelegen, als Start-und Zielpunkt wählt. Die Gesamtstreckenlänge beträgt als Rundtour ca. 15 Kilometer.

Bester Zeitraum: fast ganzjährig (abgesehen von sehr strengen Wintern)

Gefahren: Windanfälligkeit auf dem Großen Ratzeburger See, unbedingt vor Fahrtantritt den Wetterbericht abfragen (dies gilt vor allem wenn die Tour in Buchholz gestartet wird und auf dem Rückweg eine Querung des Sees erfolgt)!

Warnhinweis: Winterpaddeln hat nicht nur seinen ganz besonderen Reiz, sondern bringt auch gewisse Gefahren mit sich. Die paddeltechnischen Fähigkeiten des Kanuten sollten daher deutlich über den Anforderungen liegen, die das Gewässer erfordert. Kälteschutzkleidung ist obligatorisch. Ein Minimum stellt die Neoprenkleidung dar. Mit der entsprechenden Unterkleidung ausgerüstet bietet der Trockenanzug jedoch nicht nur einen besseren und vor allem langfristigeren Kälteschutz sondern er erhöht auch den Komfort auf ausgedehnteren Touren ungemein.
Außerdem sollten genügend Zeitreserven eingeplant werden, die Dunkelheit kommt teils schneller als erwartet. Ein Handy und Rettungsdecken können ebenfalls hilfreich sein.

Besonderheiten: Das Ostufer des Großen Ratzeburger Sees steht unter Naturschutz. Es besteht ein ganzjähriges Uferbetretungsverbot. Ein Abstand von 50m zum Röhricht ist einzuhalten (der Bereich ist zusätzlich ausgetonnt). Trittsteine befinden sich bei Utecht, Campow, Hoheleuchte und Kalkhütte

Optionen: Am südlichen Ende des Küchensees umsetzen in den Schaalseekanal mit anschließender Weiterfahrt bis zum Pipersee
Umrundug des Ratzeburger Sees

Städtetour: Von Ratzeburg über den Ratzeburger See und die Wakenitz bis nach Lübeck

Paddelalternativen: Stadtbummel durch Ratzeburg auf den Spuren des Löwen (Der Abdruck einer Vorderpfote des Löwen vor dem Dom führt den Besucher auf bekannten, als auch auf versteckten Pfaden zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ein kostenloses Faltblatt des Tourismusbüros vereinfacht das Fährtenlesen.)

Fahrstrecke: Stadtführung durch Ratzeburg, Umrundung des Ratzeburger Sees per Fahrrad, ca.26 Kilometer

Weiterführender Link: www.inselstadt-ratzeburg.de

Literatur:

Luxen, Heinz-Georg
Die schönsten Kanutouren in Schleswig-Holstein und Hamburg


2. Auflage 2021, 192 Seiten
In Schleswig-Holstein, im Norden der Bundesrepublik zwischen Nord- und Ostsee gelegen, befindet sich auf kleinstem geographischen Raum ein Paradies für Kanuten, das in dieser Form sicherlich einzigartig ist. Schmale Auen, einsame Flussläufe und imposante Seen bis hin zum weit in das Landesinnere hereinragenden Ostseefjord bieten dem Paddler unendliche Möglichkeiten, seinen Sport auszuleben. Entdecker finden hier Naturidylle und Abwechslung pur, egal ob es sich um eine kurze Feierabendrunde handelt oder eine anspruchsvolle Gepäckfahrt geplant ist.

Dieser praxisnahe Kanuführer liefert 48 interessante und abwechslungsreiche Tourenvorschläge für Ein- und Mehrtagestouren und lässt als verlässlicher Begleiter keine Fragen offen bei Auswahl, Planung und Durchführung der eigenen Paddeltour. Neben praktischen Tipps zum Paddeln, Hinweisen zu Ein- und Ausstiegsstellen, Zeltplätzen und Einkaufsmöglichkeiten liefert das Buch auch Wissenswertes zu den Sehenswürdigkeiten entlang der Ufer. Exzellente Fotos, detaillierte Wassersport-Karten und weiterführende Informationen zu jeder einzelnen Tour runden dieses Buch ab.

Weitere Infos zum Buch unter www.kanu-verlag.de

 

Otto Kaufhold
DKV-Gewässerführer für Nordwestdeutschland

Kanuführer für Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen
12. Auflage 2014. 600 Seiten, 9 farbige Karten.

ISBN: 978-3-937743-36-3
Verlag: Deutscher Kanu-Verband
Gewicht: 0,33 kg

Weitere Infos zum Buch unter www.kanu-verlag.de

 

 

 


 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 2/2017:

KANU-SPORT 2/2017
Weitere Infos zum Heft
und Online-Bestellung



Letzte News