11. November 2021

Einmal Polarkreis und zurück!

Fotos: Dennis Kieselhorst

“Mit dem Fisch auf Augenhöhe!”. Eine typische Beschreibung aus dem Mund eines Kajak-Anglers. Nie ist man näher am Wasser und am Fisch als mit einem Kayak. Dennis Kieselhorst ist leidenschaftlicher Kajak-Angler und gehört zum Jackson Kayak Fishing Pro-Team Germany. Sein Bericht über seine Angelreise nach Norwegen könnte auch andere Paddler zu Rute und Rolle führen.

Von Dennis Kieselhorst

 

Unser leider viel zu früh durch ein Lawinenunglück aus dem Leben gerissener Freund Jan Liska sagte immer mit einem Lächeln auf den Lippen: „Denk nicht nach, mach es einfach!“ und legte mit diesem Spruch und seiner draufgängerischen und lockeren Art die Weichen für unsere abenteuerlichen Kayak Fishing Trips. Jan liebte das Paddeln und das Kayak Fishing wie kein Zweiter und wollte uns auf unserer Tour nach Norwegen begleiten, das Schicksal schlug aber vier Monate vor der Abfahrt zu. Voller Trauer war uns aber eine Sache bewusst: wir verlieren unser Ziel – einen Heilbutt vom Kayak aus zu fangen - nicht aus den Augen und werden die 2000-Kilometer-Reise antreten, das hätte Jan so gewollt!

   


Paddeln unter den Bedingungen Norwegens - eine Frage der Ausrüstung

Im Mai war es dann soweit. Nach monatelanger Vorbereitung startete unsere Mission „Heilbutt vom Kayak“ und unser Bulli war bis unter das Dach beladen mit Tackle, Klamotten und Fressalien. Auf dem Dach unsere geliebten Kayaks. Die Wahl fiel auf ein Fishing Kajak für Groß- und Kleingewässer. Wir wählten ein Modell mit besonders stabilen Laufeigenschaften, das auch für größere Distanzen auf Küstengewässern geeignet ist. So war es aufgrund seiner Form ideal dafür geeignet ist, sich bei einem Wetterumschwung durch die Wellen zu schneiden, damit man im Notfall schnellstmöglich Land erreichen kann. Die Strömungs- und Wetterverhältnisse ticken in Norwegen ein wenig anders, das sollte jedem vor dem Antritt einer Reise bewusst sein. Das Thema Sicherheit stand bei uns absolut im Vordergrund: ein Trockenanzug ist extrem wichtig. Als wir in Norwegen eintrafen hat es immerhin noch geschneit, die Temperaturen waren also noch recht knackig. Eine Schwimmweste ist ebenso Pflicht. Natürlich nicht nur in Norwegen, sondern auf jeder noch so kleinen Pfütze der Welt! Ohne Schwimmweste kein Kayak Fishing, eine ganz einfache Regel von uns. Außerdem waren wir in Norwegen per Funk miteinander verbunden, hauptsächlich um schnell helfen zu können, wenn ein Butt einsteigt. Ein weiterer wichtiger Punkt: immer in Blickkontakt bleiben, also möglichst auf dem Wasser zusammen bleiben.

 


Die Insel Vega ist ein perfektes Kajak-Gebiet

Nach einer knapp 30-stündigen Anfahrt quer durch Schweden und Norwegen erreichten wir dann endlich unser Ziel: die über den Reiseveranstalter DinTur gebuchte Anlage Gardsøya Rorbuer auf der Insel Vega war unser Basislager für die erste Woche. In der zweiten Woche wollten wir komplett durch Norwegen fahren und einfach dort unsere Zelte aufschlagen, wo es uns gefiel. Vega ist bekannt für gute Heilbuttfänge und ausserdem ein perfektes Kayak-Gebiet, da eine riesige Anzahl an kleinen Inseln einen idealen Unterschlupf in Notfällen bietet.
Die ersten Tage waren wir damit beschäftigt, gute Hot Spots zu finden und uns ein wenig in dem riesigen Gebiet zu Recht zu finden. Der Wettergott meinte es gut mit uns, nur an einem einzigen Tag machte uns der Wind einen Strich durch die Rechnung. Nachdem wir unendlich viele Dorsche in den ersten Tagen fingen, stieg bei Christian der erste Heilbutt ein, der aber den Kampf unter Wasser für sich entscheiden konnte und sich schnell wieder verabschiedete. Für uns aber ein wichtiger Impuls auf unserem Motivationsbarometer! Mitte der Woche hatten wir den Dreh raus und ein perfektes Gebiet gefunden, in dem wir jede Menge Butts vermuteten. Peter und ich landeten die ersten kleineren Zielfische auf dem Kayak. Einen Tag später gegen Mitternacht – es wird da oben ja nicht dunkel – und bei heftigem Gezeitenwechsel stieg bei Peter ein höchstwahrscheinlich sehr, sehr guter Butt ein, der innerhalb von Sekunden wie ein U-Boot Schnur von der Rolle riss. Dann löste sich der Fisch plötzlich vom Haken und es gab völlige Frustration auf allen drei Kayaks. Egal, aufrappeln, und weiter geht’s!

 


Adrenalinrausch bei einem erfolgreichen Fang

Einige Zeit später dann ein brachialer Biss bei mir. Ich hatte vertikal, also direkt unter dem Boot in etwa 14 Metern Tiefe gefischt und vermutete zuerst, dass sich der Köder verfangen hätte. Dann entfernte sich der Fisch aber wie eine Rakete von mir und kutschierte mich durch die Gegend. Ein absolutes Kraftpaket, das mich bis zum Rande der Erschöpfung brachte. Nach einigen nervenaufreibenden Fluchten konnte ich den Heilbutt dann mit der Hilfe von Peter und Christian auf das Kayak ziehen. Da war er endlich, Mission erfüllt! Wir paddelten im Adrenalinrausch auf die unbewohnte Insel, auf der wir unsere Zelte aufgebaut hatten, zündeten das Lagerfeuer an und kippten uns ein kühles Blondes in den Rachen. Ganz großes Kino!

   


Einen Tag später hatte der Wind aufgefrischt und die Strömung zog uns zum ersten Mal soweit auseinander, dass plötzlich kein Blickkontakt mehr bestand. Peter und ich empfingen einen Funkspruch, den wir aber nicht deutlich verstehen konnten. Sofort war uns aber klar, dass bei Christian ein Heilbutt eingestiegen ist und wir paddelten gegen die Strömung, um Christian zu unterstützen. Fakt ist, dass man einen größeren Butt nicht einfach auf das Kayak ziehen kann. Man hat nur die Chance, den Fisch zu landen, wenn man dabei Hilfe bekommt oder den Butt zu einer Insel schleppt und dort landet. Ich traf als Erster bei Christian ein, der den Heilbutt bereits zu einer Insel geschleppt hatte. Ein traumhafter Fisch, die Freude war unendlich gross! Ein perfekter Abschluss für unsere Woche auf Vega!

   


In einer traumhaften Landschaft vorbei an Elchen, Rentieren und gigantischen Wasserfällen

Am nächsten Tag ging es weiter Richtung Süden. Wir genossen die Fahrt durch die traumhafte Landschaft in vollen Zügen, vorbei an unzähligen Elchen, Rentieren und gigantischen Wasserfällen. Wir nutzen unsere zahlreichen Kontakte und holten uns Informationen aus Deutschland, wo die Pollacks derzeit unterwegs sind. Die Tipps waren Gold wert und führten uns direkt zu den Schwärmen, mit denen wir in den darauffolgenden Tagen unendlich viel Spaß hatten. Zelten, Outdoor-Cooking und Kayak Fishing ist eine perfekte Kombination. Das Ganze dann in Norwegen ist fast unschlagbar.
Eine solche Tour ist ein unvergessliches Erlebnis für jeden Paddler, aber bitte nur mit idealer Vorbereitung und allen erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen. Anfänger sollten die Finger davon lassen, erst einmal viele Erfahrungen auf anderen Gewässern sammeln, und diese Art von Trip aber niemals aus den Augen verlieren. Es lohnt sich, intensiver kann ein Kayak Fishing Trip nicht sein!

 

 

 


 

 


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