29. Mai 2024

Große 8 auf kleinen Seen

Die Gelegenheit zum Paddeln will genutzt werden - Marius Andre macht sich auf den Weg zur Mecklenburgischen Seenplatte

Schon seit einiger Zeit wächst bei mir das Interesse, mal eine mehrtägige Gepäcktour zu machen. Bisher erschien mir der Gedanke zwar immer interessant, aber es hat sich dann irgendwie nie so richtig ergeben oder andere Sachen waren wichtiger. Doch jetzt ergibt sich eine großartige Gelegenheit...

 

Von Marius Andre, www.canadier-paddeln.de

 

Morgenstimmung am Ellbogensee (Foto: Marius Andre)

Die Kinder sind unterwegs und damit gut versorgt, meine Frau muss schon wieder arbeiten, aber ich habe noch ein wenig berufliche Flaute und kann es mir durchaus erlauben mal flott einige Tage mit Sack und Pack zu verschwinden.

 

Der Plan

Mich zieht es an die Mecklenburger Seenplatte. Die Region habe ich mehrfach in Familienurlauben als ausgesprochen sympathisch kennengelernt und möchte das nun vom Boot aus bestätigen.
Mehrfach habe ich gelesen, dass man die Hauptsaison besser meidet, wenn man etwas Ruhe haben will. Aber da ich nun mal genau jetzt die gute Gelegenheit habe und von unserer guten Ruhr an Sommerwochenenden einiges gewohnt bin, wird mich so schnell nichts schocken.
Ich schnappe mir also die Landkarte und überlege mir einen ganz lockeren Plan. Die „Alte Fahrt“ würde ich sehr gerne mitnehmen, da wir diese Strecke mal abbrechen musste, als uns der Wind zu hart erwischt hatte. Auch die „10-Seen-Runde“ scheint mir für meine Zwecke interessant zu sein. Ich entscheide mich also für einen Startpunkt in der Gegend von Mirow, der mich schön flexibel macht, weil ich ziemlich genau in der Mitte meiner Ziele sitze. Viel tiefer steige ich in die Planung aber nicht ein, denn eigentlich möchte ich den Luxus der Spontanität genießen und nach Lust und Laune fahren.

 

Der Blick aus dem Zelt. (Foto: Marius Andre)

Tag 1 – Anreise

Da ich in diesem Sommer schon einige super Tage an der wunderbaren Soca verbracht habe, gebe ich mich der Illusion hin zumindest muskulär auf meine Tour gut vorbereitet zu sein. Das Wildwasserpaddel lasse ich jetzt aber in der Garage und packe stattdessen den gemütlichen Holzknüppel ins Auto und den großen 16-Fuß-Prospector aufs Dach. Beim Gepäck bin ich mit dem großen Boot nicht superwählerisch. Da kommt es nicht auf jedes Kilo und jeden Liter Gepäck an. Mit Nahrung habe ich mich auch schon grob versorgt, so dass ich entspannt durch die Tage komme, wenn ich immer mal rechts und links am Weg bei den zahlreichen Fischereien zuschlage.
Nach entspannten 6 Stunden Fahrt komme ich am Naturcampingplatz am Mössensee an. Ich bin begeistert! Die hellen, wunderbar duftenden Wälder, die sandigen Böden und die großartigen Seen machen mir sofort klar, warum ich diese Ecke Deutschlands in so guter Erinnerung habe.  
Ich mache mich an den Aufbau, sortiere meinen Krempel und parke dann das Auto für die kommenden Tage direkt am Campingplatz.
Am Abend setze ich dann für die ersten Kilometer mein Boot ins Wasser und fahre Richtung Fleether Mühle, um mich mit einem Abendessen zu versorgen.  

 
Die "Alte Fahrt" (Foto: Marius Andre)

Tag 2 – Alte Fahrt

Ich raffe meine Sachen zusammen und verstaue das erste Mal alles im Boot. Das ist kein Problem, aber ich stelle auch fest: wer großzügig packt, der schleppt auch großzügig.
Nach einem kurzen Blick in den Wetterbericht entscheide ich mich meine Tour Richtung Norden zur Müritz zu starten. Mit ein bisschen Glück habe ich so eine nette Windunterstützung von hinten. Der Plan geht auf, ich bin flott über den Zotzensee unterwegs und am frühen Vormittag schon an der Seenfischerei in Mirow. Ich wollte mich viel von Fisch ernähren, aber am frühen Vormittag überkommt es mich dann doch noch nicht so richtig.
Ich lasse mich vom Wind entspannt über den Mirower See schieben, mache an der Kanustation in Ganzow eine kleine Pause in der Sonne und genieße dann die Kette kleiner Seen rund um das Seerosenparadies.
Nach groben 15 Paddelkilometern belohne ich mich beim Paddel-Paul mit einem kleinen Imbiss und beschließe, dass ich weiter in den Nationalpark Richtung Müritz fahren werde. Ich kann nicht behaupten, dass ich mit der Idee allein wäre, aber es ist trotzdem eine wunderbar ruhige Angelegenheit. Die Folge kleiner Kanäle und Seen ist fabelhaft zu paddeln und auf jeden Fall eine Empfehlung.
Bei der Müritzfischerei am Bolter Kanal komme ich dann doch noch zu meinem Fisch, bevor ich dann am späten Nachmittag, leider im Nieselregen, auf die Müritz fahre. So große Gewässer, wie die Müritz, haben wir in Deutschland nicht allzu viele und so ist das schon ein schöner Moment, wenn sich die große Wasserfläche vor einem auftut.
Kurze Zeit später ziehe ich mein Boot auf den hellen Sandstrand am Campingplatz Bolter Ufer. Die ersten 22km sind gemacht…

   
Bootsschuppen und Ferienhäuser am Klenzsee (Foto: Marius Andre)

Tag 3 – Die Müritz

Am nächsten Morgen erinnern mich Schultern und Handflächen daran, dass das Wasserwandern im großen und gut beladenen Boot doch eine andere Disziplin ist, als sich entspannt von der Soca durch die slowenische Sonne schieben zu lassen.
Ich werfe einen ernsten Blick in den Wetterbericht, denn auf der Müritz kann es schon mal ordentlich windig und wellig werden. Es sieht aber gut aus und ich mache mich früh auf den Weg, um vor dem einsetzenden Wind die kleine Müritz zu erreichen. Auf dem Wasser ist es dann sehr ruhig, der Himmel aber leider grau und es regnet immer mal wieder. Trotzdem hat die Müritz ihren Reiz.
Ab der kleinen Müritz nimmt der Motorbootverkehr deutlich zu. Da sollte man schon etwas drauf achten, denn es sind natürlich viele Leute unterwegs, die im Führen der Boote nicht die ganz große Routine haben (das gleiche gilt übrigens für die meisten Paddler, die ich sehe). Grundsätzlich hatte ich während meiner Tour aber den Eindruck, dass sich alle ihrer Fähigkeiten bewusst sind und entsprechend rücksichtsvoll und vorsichtig fahren. Wer in seinem Paddelboot noch etwas unsicher sitzt, der sollte unbedingt auf Wellen achten. Denn je nachdem, wie sich die Kurse bestimmter Boote kreuzen, können da manchmal ganz eigenartige Hügel auf dem Wasser entstehen.
Die Fahrt durch den Mirower Kanal ist dann unspektakulär, endet für mich aber amüsant, als ich sehe, wie lange man mit Motorbooten an der Schleuse warten muss, wenn ordentlich Betrieb ist. Da treffe ich also alle wieder, die mich überholt haben und stelle fest, dass man paddelnd in Summe schneller ist!
Den Abend verbringe ich nach 23km am Campingplatz Zotzensee. Dort treffe ich 2 sehr nette Menschen aus Hattingen, die für mich einige gute Tipps für die nächsten Tage haben. Ich staune dann aber doch, als ich erfahre, dass die beiden seit Jahren gerne an der Mecklenburger Seenplatte paddeln, aber noch nie auf der Ruhr waren, obwohl sie fast direkt dran wohnen. Sachen gibt’s…

 

Sandige Buchten sind in dem ganzen Schilf nicht immer leicht zu finden. (Foto: Marius Andre)

Tag 4 – Der Schleusentag

Nachdem der vorherige Abend noch ordentlich Regen und raue Böen zu bieten hatte, geht es heute Morgen grau und kühl weiter. Es ist aber Besserung in Sicht und ich gehe die 10-Seen-Runde an. Ich lasse wieder den Wind die Entscheidung fällen und beginne die Tour mit dem südlichen Bogen (Vilzsee, Labussee, Kleiner & Großer Pälitzsee, Ellbogensee) und dem Westwind im Rücken.
An diesem Tag stehen 3 Schleusen auf dem Programm, die mir einiges Geschleppe abnehmen. Grundsätzlich funktioniert das Schleusen für uns Paddler sehr einfach. Man stellt sich vorne an und wartet dann auf die Anweisungen der Schleusenwärter, die eigentlich immer dafür sorgen, dass man irgendwo zwischen den größeren Booten unterkommen kann. Das funktioniert ganz prima.
Ich denke mir, dass ich meine Zeitpläne optimieren sollte, als ich wieder vormittags an der einladend aussehenden Seenfischerei in Canow vorbeikomme. Statt meinen Magen mit Fisch fülle ich im Ort meine Vorräte etwas auf und setze meine Tour fort. Insgesamt ist dieser Abschnitt der am wenigsten attraktive meiner Tour, denn es ist viel Verkehr und gerade der Canower See ist sehr eng bis ans Ufer bebaut.
Ab dem Nachmittag fange ich an in meinem Boot ordentlich in der Sonne zu braten und nutze gerne die sehr schöne Badestelle an meinem Zielcampingplatz Havelperle in Priebert.

 

Hausbrücke Ahrensberg (Foto: Marius Andre)

Tag 5 – Die schöne Havel

Dieser Morgen fängt genauso an, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich schlage das Zelt auf und schaue direkt auf den See, der wunderbar still in der flachen Morgensonne liegt und sich von seiner schönsten Seite zeigt.
Ich bin wieder zeitig unterwegs und habe den Großen Priepertsee fast für mich allein. Ab hier wird meine Tour wieder deutlich ruhiger und grüner. Ich durchquere den Kleinen Priepertsee und biege im Wagnitzsee direkt links in die Havel ab. Ein wunderbarer Abschnitt der Tour, der mit seinen Bäumen den inzwischen willkommenen Schatten spendet.
Direkt hinter der Hausbrücke Ahrensberg sehe ich, mal wieder am frühen Vormittag, den schönen Biergarten „Beim Fischer“. Dieses Mal gebe ich mir einen Ruck und stelle fest, dass ein Fischbrötchen und ein Pils ein ausgesprochen gutes zweites Frühstück abgeben. Man lernt nie aus…
Gut gefüttert schiebe ich mich weiter die Havel rauf, um irgendwann links in die Schwaanhavel abzubiegen. Dieser Abschnitt war einer der großen Tipps der beiden Hattinger und ich werde nicht enttäuscht. Die Schwaanhavel windet sich sehr schmal in teilweise ganz engen Kurven und dicht zugewuchert durch den Wald Richtung Plätlinsee. Wer hier im langen Boot nicht an Ufer und Gegenverkehr anecken will, der sollte seine Paddeltechnik gut klar haben.
Am Ende der Schwaanhavel wird es so flach, dass ich das Boot treideln muss, bevor ich den Plätlinsee erreiche. Hier beginnt eine Kette von Seen, die für Motorboote gesperrt sind. Wer bei seinem Besuch an der Seenplatte nicht viel Zeit hat, der sollte sich auf der Karte genau diese Seen aussuchen, denn hier ist es grün, wenig bebaut, und eben ruhig.
Am Kanuhof Wustrow (hier muss man ca. 300m umtragen) mache ich eine kleine Pause, bevor ich dann durch einen der schönsten und kleinsten Seen meiner Tour komme. Hier ist alles mit Seerosen überwuchert und es bleibt nur eine schmale Rinne, um den See zu durchqueren. Herrlich!
Ich folge weiter meiner Route durch den Klenzsee zum Gobenowsee und schlage dort am Campingplatz mein letztes Lager auf.

 

"Der See liegt absolut still vor
mir und ich genieße
jeden Paddelschlag."

Tag 6 – Der frühe Vogel…

Für den letzten Tag habe ich nur noch 11km vor der Brust, was mir die Zeit gibt mich wieder mit dem Auto Richtung Ruhrgebiet zu bewegen.
Da ich die morgendliche Ruhe sehr mag, bin ich der erste, der den Platz verlässt. Der See liegt absolut still vor mir und ich genieße jeden Paddelschlag.
An der Drosedower Bek erwartet mich ein weiteres Highlight. Bei absoluter Windstille spiegelt sich die großartige Schönheit der Bek perfekt im Wasser und ich bin im Reinen mit der Paddel-Welt. Auch den Rätzsee teile ich mir mit nur ganz wenigen Frühaufstehern und erst an der Fleether Mühle wird es wieder etwas lebendiger. Auch hier muss das Boot nochmal ein kleines Stück getragen werden, bevor ich die letzten Meter über den Vilzsee zurück zu meinem Ausgangspunkt paddeln kann.

 

Fazit

In 4,5 Paddeltagen hat Marius fast 100km zurückgelegt (Foto: Marius Andre)

In 4,5 Paddeltagen habe ich so fast 100km zurückgelegt und mich davon überzeugen können, dass die Seenplatte so schön ist, wie ich sie in Erinnerung hatte. Zur Hauptsaison ist teilweise schon ordentlich Betrieb auf und am Wasser, aber das ist auch immer die Gelegenheit viele nette Menschen zu treffen. Wer versucht sich hier der Illusion von großer Wildnis und Weite hinzugeben, der wird fast zwangsläufig scheitern. Man muss die Mecklenburger-Seenplatte als das nehmen was sie ist: eine für mein Empfinden unheimlich schöne Landschaft, die in Deutschland so nicht nochmal zu finden ist. Ein Landstrich mit einer mir sehr sympathischen Bevölkerung und ein Paddelrevier, das einem die Logistik sehr einfach macht. In jedem Fall ein perfekter Ort, um mal die ersten Schritte mit reichlich Gepäck im Boot zu machen.

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 7/2022:

KANU-SPORT 7/2022
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