07. September 2023

Interview Stefan Bühler: Was macht Paddeln sicher?

Dr. Stefan Bühler (DKV Ressortleiter Sicherheit und Material)

Was ist eigentlich gemeint, wenn von Sicherheit beim Kanufahren die Rede ist. Welche Faktoren machen die Paddeltour sicherer? Dr. Stefan Bühler (DKV Ressortleiter Sicherheit und Material) im Expertengespräch.

Stefan was sind die wichtigsten Punkte bzgl. Sicherheit beim Kanufahren?
Stefan Bühler: Bei dem Thema Sicherheit denken viele Kanuten an die Kenterrolle den Wiedereinstieg, die Wurfsackrettung oder an einen Flaschenzug. Das sind natürlich wichtige und sinnvolle Techniken im Falle einer Kenterung oder einer Bergungsaktion. Aber wir vergessen häufig die Vorbeugenden Maßnahmen zu Unfallvorbeugung

 

"Sicherheitsausrüstung,
die man nicht benutzen
kann, ist wertlos. Ausrüstung, die man falsch bedient, kann gefährlich sein."

Und welche Maßnahmen wären das? 
Stefan Bühler: Das fängt schon bei der Fahrtenplanung an. Welches Revier wähle ich aus und welche Ausrüstung wird dazu benötigt. Wenn man z.B. eine längere Tour auf dem Rhein plant, wird ein erfahrener Paddler kein Spielboot sondern ein Tourenboot auswählen. Aber was ist ein erfahrener Paddler? Wieviel Erfahrung ist nötig? Platt gesagt so viel das paddeltypischen Unfälle vermindert werden und die entsprechende Reaktion darauf schnell und professionell erfolgen kann. Deshalb ist eine gute Vorbereitung wichtig. Was könnte passieren, wie kann ich das vermeiden, wie kann ich darauf reagieren. Zurück zu unserem Beispiel wäre bei einem Paddelverlust die Mitnahme eines Ersatzpaddels eine gute Vorbereitung gewesen? Eine andere Frage wäre z.B. ob ich meine Ausrüstung ins Boot bekomme oder Teile des Gepäcks aufs Deck packen muss und welche Konsequenzen das dann für meine Sicherheit haben kann. 

Aber das macht doch jeder Paddler sowieso?
Stefan Bühler: Ja hoffentlich! Meist aber mit unterschiedlicher Intensität und Zielsetzung. Ein Anfänger wird sich ggf. weniger gut vorbereiten wie ein erfahrener Paddler. Aber kommen wir zur Zielsetzung: Wenn das Ziel ist nur paddeln zu gehen, ist die Sicherheit vielleicht Nebensache. Man deckt zwar das ein oder andere Risiko unbewusst ab. Wenn man das Ziel aber ändert und nun lautet „sicher zu paddeln“+, bekommt die Fahrtenplanung wieder eine andere Qualität und man bereitet sich bewusst auf Gefahren und Risiken vor. Damit kann man Unfälle verhindern bzw. Unfallfolgen vermindern.


Gut, dann hätten wir die Fahrtenplanung. Aber was sind die anderen Maßnahmen?

Stefan Bühler: Nach einer guten Fahrtenplanung ist dann natürlich wichtig vor Ort die richtigen Maßnahmen durchzuführen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Man muss z.B. schauen ob die die Voraussetzungen vor Ort mit denen der Fahrtenplanung übereinstimmen? Da wäre z.B.: Passt der Wasserstand und oder die Windverhältnisse. Stimmen die Schwierigkeiten für die Gruppen noch? Wenn umgeplant werden muss, ist es wichtig, dass der neue Plan keine neuen und bisher nicht berücksichtigte Gefahren oder Risiken aufweist. Um hier die richtige Entscheidung zu treffen, hilft natürlich die eigene Erfahrung weiter.
Weitere vorbeugende Maßnahme sind:

  • ein guter Trainingszustand (Fitness) und eine gute Tagesform aller Mitpaddler. Ermüdungserscheinungen, die zu Fahrfehler und weiter zu Unfällen führen könnten werden minimiert
  • eine gute Paddeltechnik, die Ermüdungen und Fahrfehlern vorbeugt
  • Kenntnisse und praktische Erfahrung im Umgang mit Rettungsmittel. Dieser Umgang muss regelmäßig auch unter real Bedingungen geübt werden, so dass man sie auch unter widrigen Bedingungen sicher bedienen kann. Sicherheitsausrüstung die man nicht benützen kann ist wertlos, Sicherheitsausrüstung die man fasch bedient kann gefährlich sein und zu Folgeunfällen führen.

Das waren nun alles vorbeugende Maßnahmen. Was macht man bei einem Unfall?

Stefan Bühler: Durch die Vorbereitung (Planung, Training, Üben, …….) und die richtigen Entscheidungen sollte die Zahl der Unfälle bereits minimiert sein. Es ist aber sicher das Unfälle weiterhin eintreten werden. Immerhin ist Kanufahren ein Risikosport. Tritt ein Unfall ein ist es wichtig sich richtig zu verhalten. Generell gilt: bleibe ruhig! verschaff Dir einen Überblick und Entscheide dann was zu tun ist. Dabei darf der Eigenschutz nicht vergessen werden. Niemand muss sich in Lebensgefahr begeben, um eine andere Person zu retten. Was zu tun ist hängt vom Einzelfall ab und würde den Rahmen hier sprengen. Trotzdem ein Tipp: Die Reaktionshandlung sollte möglich einfach und effektiv sein, also dem KISS Prinzip (Keep It Simple Stupid). Eine zu komplizierte Aktion, womöglich mit zu viel Material, kann leichter schiefgehen und zu weiteren Opfern führen. Das richtige Verhalten bei Unfällen und Notsituation kann auch geübt werden. Eine gute Gelegenheit dazu bieten die angebotenen Sicherheitskurse der Vereine, Landesverbände oder des DKVs. Diese Kurse sind auch speziell auf die entsprechende Sportart ausgerichtet. Auch die Nachbearbeitung von Unfällen oder Beinaheunfällen, sollte genutzt werden um den eigenen Erfahrungsschatz zu erweitern, um bei evtl. Unfällen besser und schneller reagieren zu können.

 


 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 8/2019:

KANU-SPORT 8/2019
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