06. Juni 2024

Irgendwo im Nirgendwo Nordböhmens - Paradiesische Ploucnice

Langsam gleitet der Canadier auf der Ploucnice durch einen von unterschiedlichen Grüntönen geprägten Teppich aus flutendem Hahnenfuß. (Foto: Heinz-Georg Luxen)

Eine gewisse Lagerfeuerromantik schlägt uns im Ploucnice Camp unweit von Borecek entgegen. Gastfreundschaft wird hier noch groß geschrieben und so können wir uns in aller Ruhe für das sicherlich landschaftlich schönste Teilstück der Ploucnice startklar machen, denn nicht ohne Grund sind die nun folgenden Flussmäander als Naturdenkmal geschützt

Von Heinz-Georg Luxen

 

Jenseits der Zivilisation

Allen macht es sichtlich Spaß auf der Ploucnice.

Die Unterfahrung der Straßenbrücke am Camp stellt quasi das Tor in eine “andere Welt“ dar. Jeglicher Lärm, jegliche Hektik und jedwede Anzeichen der Zivilisation gehören von nun an, zumindest bis kurz vor Brenna, der Vergangenheit an. Langsam gleitet der Canadier durch einen von unterschiedlichen Grüntönen geprägten Teppich aus flutendem Hahnenfuß, um bereits kurze Zeit später bedingt durch die stärker werdende Strömung um engste Haarnadelkurven zu rauschen. Ein fahrtechnischer Hochgenuss, der jedoch immer wieder von plötzlich auftauchenden Baum- und Buschhindernissen gebremst wird. Wunderschöne, intensiv leuchtende Pflanzen thronen auf den halbhohen Lehmwänden der Prallhänge. Wohin man auch schaut, erspäht man Natur pur, dichte, dunkle Wälder und unendliche, natürliche Wiesenflächen formen die Landschaft des Muldentals. Nach den ersten Kilometern auf dem Fluss sind wir völlig beeindruckt und müssen dem anfangs belächelten Kommentar des Flussführers „nice countryside and no civilization“ uneingeschränkt zustimmen. Nach unzähligen Flussschleifen und der Überwindung aller möglichen und unmöglichen Baumhindernissen, mit teilweise durchaus beeindruckenden, akrobatischen Einlagen gepaart, differiert die Schätzung der bereits zurückgelegten Strecke innerhalb der Gruppe doch erheblich, allerdings ist man in einem Punkt durchaus konform: Zeit für eine Pause!

   

Überraschende Begegnung

 Wohin man auch schaut, erspähtman Natur pur.

An einem fast zerfallenen, treppenartigen Steggebilde krabbeln wir aus den Kanus und erkunden die Lichtung. Hier mitten im Irgendwo bei Nirgendwo ist unsere Überraschung doch einigermaßen groß, auf ein Jugendcamp am Fluss zu treffen. Neugierig betrachten wir die interessanten Zeltkonstruktionen und kommen mit der weltweit funktionierenden Hand-Fußsprache kombiniert mit einigen Worten Englisch ins Gespräch. Nach reichhaltigem “fachsimpeln“ und diversen Stärkungen setzen wir die Fahrt fort und stellen alsbald fest, dass auch der Fluss selbst noch für überraschende Begegnungen sorgen kann.
Plötzlich auftauchende, bis an das Wasser heranreichende Felswände sorgen für ein großes Staunen, damit hatte hier im Flachland wohl keiner gerechnet, somit bleibt die Ploucnice auch weiterhin landschaftlich äußerst abwechslungsreich. Jedoch hat auch ein derartiges Paradies seine Dornen, im Fall der Ploucnice erlebt man sie als fast drei Kilometer langen Dschungel bis kurz vor Brenna. Nahezu undurchdringlich behindern dichtes Gebüsch gepaart mit einigen, unpassierbaren Baumhindernissen die Weiterfahrt. Jeder Meter muss erkämpft werden, akribisch genau wird der Canadier innerhalb der Verhaue um das Gehölz gelenkt, um ein festfahren zu vermeiden, Teamarbeit ist angesagt und die Paddel werden teilweise überflüssig, es wird gezogen und geschoben, quasi eine “Camel-Trophy“ auf dem Wasser. Doch am ehesten dürfte hier der Vergleich mit dem “Roitener Dschungel“ des Kamp im Waldviertel passen. Genau wie auf der Ploucnice bremst hier dichtes Buschwerk bei flotter Strömung den Vorwärtsdrang, doch die Gefahr ist nicht nur in einer möglichen Kenterung oder im Paddelverlust zu sehen, sondern vor allem im Zeitverlust, daher sollte auch hier die Fahrtzeit großzügig kalkuliert werden!
Glücklicherweise hat aber irgendwann auch die größte Strapaze ein Ende. Das deutliche Rauschen des kleinen Wehres am Ausbootpunkt dringt bereits an unsere Ohren. Noch eine letzte Kurve und die Zivilisation hat uns zurück. Optional beendet man die Fahrt rechtsufrig oberhalb des Wehres oder man gönnt sich als krönenden Abschluss einer einzigartigen Kanutour einen schnellen Rutsch (unbedingt ganz rechts fahren, in der verlockenden Mitte lauert ein Stein!) in das flussabwärts gelegene Kehrwasser, welches sowohl links- als auch rechtsufrig als erfrischende Badestelle fungiert.

   

Infos zum Revier

 
Allgemeines

Die Ploucnice (Polzen) ist ein rechter Nebenfluss der Labe (Elbe) in Nordböhmen. Das Gewässer entsteht durch den Zusammenfluss zweier Quellbäche die aus der oberen bzw. unteren Polzenquelle gespeist werden. Über 102 Kilometer Länge durchfließt die Ploucnice größtenteils ein breites Muldental, welches nur im Bereich des Kummergebirges von einigen schroffen Erhebungen begrenzt wird. Unterhalb von Stary Sachov strömt der Fluss nun durch ein klassisches Kerbtal, um schließlich bei Decin in die Elbe zu münden. Als Naturdenkmale sind der “Höllenschlund“ und die Mäander der Ploucnice bei Dobranov geschützt.

  • Ploucnice CZ: Rechter Nebenfluss der Elbe (Labe)
  • Bester Zeitraum: fast ganzjährig
  • Unterkunft:
  • Camping: www.ukerama.cz bei Ceska Lipa
  • Ferienwohnung: Diverse Ferienwohnungen in Nordböhmen findet man u.a. hier: www.fewo-direkt.de/Tschechien, oder www.tourist-online.de/Böhmen
  • Alternativ bieten sich Tagestourenaus der Sächsischen Schweiz (D) heraus an, entsprechende Unterkünfte findet man u.a. unter: www.sächsische-schweiz.de
  • Fahrstrecke: Straßenbrücke (270) bei Borecek – Straßenbrücke bei Brenna, 14,4 Km
  • Gefahren: Unzählige Baum- und Strauchhindernisse. Das Wehr am Ausstieg kann nach Besichtigung auf der rechten Seite gut befahren werden, mittig liegt ein versteckter Stein! Man kann die Fahrt auch direkt oberhalb des Wehres bequem beenden.
  • Besonderheiten: Aufgrund der zahlreichen Mäander, sowie Baum-und Strauchhindernissen sollte man trotz der flotten Strömung deutlich mehr Zeit als üblich einplanen!
  • Optionen: Eine Befahrung der Ploucnice ist auch oberhalb der beschriebenen Strecke möglich und bietet als Highlight eine außergewöhnliche Durchfahrung eines Felsentunnels “Höllenschlund“, im Sommer ist der Wasserstand dieses Flussabschnitts jedoch zumeist nicht ausreichend.
    Im Frühjahr bietet die untere Ploucnice bei entsprechenden Wasserständen leichtes Wildwasser (WWI), bei höheren Wasserständen wird dieser Abschnitt aufgrund der zahlreichen Wehre mit teils heftigen Rückläufen schnell lebensgefährlich!!!
  • Paddelalternativen: Wanderungen zum Höllenschlund und zur Julienshöhe unweit von Mimon gelegen
  • Stadtbummel durch das historische Zentrum von Ceska Lipa
  • Weiterführende Links: www.kanusport.at (sehr schöne kilometrierte Flussbeschreibung mit Bildern der kompletten Wehranlangen, sowie dem aktuellen Befahrungszustand/Pegel)
  • Literatur: DKV-Auslandsführer Band 7, Nordosteuropa, 2. Auflage

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

 


 

 

 


Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 7/2022:

KANU-SPORT 7/2022
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