15. März 2021

Kanuunfälle im Jahr 2020

Regelmäßige Sicherheitstrainings bereiten auf den Ernstfall vor. Foto: Christian Zicke, Outdoordirekt

Einmal am Anfang jedes Jahres wertet das Ressort Sicherheit und Material unseres Kanuverbandes die erfassten Unfälle des Vorjahres aus. Diese Auswertung erfolgt auf der Grundlage von eingegangenen Unfallmeldungen und –berichten, die Kanusportler zusandten sowie durch die Kommission Sicherheit und Material recherchiert wurden.

 

Bernd Schildwach, Verantwortlicher für Unfallerfassung

 

Berichterstattung zu Unfällen

Leider kommen die Meldungen von Kanusportlern recht spärlich vor. In der Mehrzahl dienen Zeitungsberichte für die Unfallauswertung. Dabei werden bei den Meldungen nur die Unfälle berücksichtigt, die in der Bundesrepublik geschahen oder im Ausland von deutschen Kanuten verursacht wurden. Die ausgewerteten Unfälle sind in der Tabelle aufgeführt. Bei Benennung der Gewässerkategorien in der Tabelle sind mit der Bezeichnung in der DKV-Wassersportordnung zum Erwerb der Auszeichnungen im Kanu-Freizeitsport vom 10.06.20 identisch. Da Wehre eine besondere Gefahr auf den Gewässern darstellen können, wurde diese Kategorie bezüglich des Unfallortes hinzugefügt.
Es muss bei dem Unfallgeschehen auch beachtet werden, dass zu den Unfällen auch die Umstände wichtig sind. Ein Wildfluss kann recht harmlos sein. Jedoch nach starkem Regen verbunden mit dem Ansteigen des Wasserpegels und durch Sturm umgefallene Bäume stellt dann dieser Fluss eine Gefahr dar.
Die Luft- und Wassertemperaturen und die Wetterbedingungen sind bei Ausfahrten auch zu beachten. Z.B. zunehmende starke Winde, Sichteinschränkungen durch Regen und starke Strömungen des Wassers können auch erfahrene Kanuten schnell überfordern. Aus einer geplanten entspannten Ausfahrt kann dann schnell ein dramatischer Kampf gegen die Naturgewalten werden.

 


Die Unfallstatistik des Jahres 2020 - hier klicken für eine größere Ansicht


 


Kenterungen im Kanusport

Die Mehrzahl der eingegangenen Meldungen beschreiben Kenterungen, die von aufmerksamen Bürgern am Ufer bemerkt wurden und die Rettungskräfte alarmierten. Dann wird die gesamte Rettungskette in Gang gesetzt und der Aufwand zur Bergung von Gekenterten und dem Bootsmaterial ist sehr groß. Die Berichte in Zeitungsmeldungen beschreiben dann meist den Aufwand an Rettungskräften, die am Unfallort handelten. Das eigentliche Unfallgeschehen, die Ursachen, die zur Kenterung führten, werden dann häufig nicht genannt. Aber gerade der Unfallverlauf und die damit verbundenen Ursachen, sind für unsere Auswertung wichtig. Daraus ließen sich dann Erkenntnisse für präventive Maßnahmen ableiten, die wir als Kanusportler bei unseren Fahrten berücksichtigen können. Somit erscheinen in der Auswertung in der Regel nur die Berichte, bei denen auch der Unfallverlauf bekannt wurde.
Natürlich ist es schön, wenn aufmerksame Bürger bei beobachteten Kenterungen Rettungsdienste alarmieren. Damit konnte dann häufig verhindert werden, dass die Verunglückten in eine lebensbedrohliche Lage gerieten. Dafür zollen wir den Rettungskräften unseren Dank. Die Rettungskräfte reagieren natürlich ungehalten, wenn sie trotz Warnungen vor den Gefahren auf und am Wasser uneinsichtige Zeitgenossen erleben, die trotz Hochwasser eine Flussfahrt unternehmen und sich dann in Gefahren begeben, aus denen sie nur mit Hilfe der alarmierten Rettungskette wieder befreit werden. Was mag dann wohl in den Köpfen der Helfer von der Wasserwacht vor sich gehen, wenn sie kurz nach einer erfolgreichen Rettungsaktion zwei junge Männer beobachten, wie sie auf der hochwasserführenden Loisach ihre Flussfahrt im Schlauchboot fortsetzen wollten?


Fehlverhalten führt zu Flusssperrungen

Das warme Wetter im Sommer lockte viele Bürger an abkühlende Flüsse. Hinzu kam, dass infolge der Reisebeschränkung in der Corona Pandemie viele ihre Freizeit an unseren nationalen Gewässern verbrachten. So wurden alle möglichen Schwimmgeräte genutzt, mit denen man sich auf den Gewässern bewegten konnte.
Die Deutsche-Presse-Agentur teilte im Juli mit, dass es im Raum München auf der Isar innerhalb einer Woche mehrere Unfälle gab. Im Bereich der sogenannten Floßrutsche an der Marienklause kenterten an einem Tag mehr als 30 Menschen innerhalb von wenigen Stunden mit ihren Schlauchbooten. Dort hatte im Frühjahr ein Hochwasser große Schäden hinterlassen, die den Bootsfahrern zum Verhängnis wurden. Die Stadt München sperrte den Fluss daraufhin vorübergehend für Bootsfahrer. Und das natürlich zum Nachteil des organisierten Wassersports.


Gefahren beim Treibenlassen auf den Flüssen

Mitarbeiter der DLRG erklärten, dass das sogenannte Floaten schon seit Jahren beliebt sei. Dabei treibt man mit Utensilien (Gummireifen, Gummitiere u.a.) mehr oder minder passiv einen Fluss hinab und trinkt dabei gerne auch Alkohol (s.a. Unfall 20-07). Unabhängig vom Alkoholgenuss kann das auf Strömen wie der Donau schnell zum Verhängnis werden, wenn man zu dicht an ein Fahrgastschiff gerät. Ob der Hinweis eines DLRG-Mitarbeiter richtungsweisend ist, wenn er für das Floating auf kleinere Flüsse wie Naab oder Regen verweist, damit man den kleinen und großen motorisierten Booten und Schiffen erst gar nicht in die Quere kommt, ist fraglich. Wer ausschließlich den Spaß auf dem Wasser auch unter Alkoholeinfluss sucht und wenig Erfahrung mit dem Wassersport hat, kann sich schnell in Gefahrensituationen bringen. Letztlich leidet darunter dann unser organisierter Wassersport.


Unterschätzte Gefahren beim SUP

Seit einigen Jahren können wir auf den Gewässern eine Zunahme von Stand-Up-Paddlern erleben. Auch im vergangenen Jahr waren diese SUP auf vielen Gewässern anzutreffen. Insbesondere in der Pandemiezeit konnten die Vorteile des Sportgeräts gut genutzt werden. Während viele Bootshäuser oder Vereinsgelände gesperrt waren, konnten die zu Hause gelagerten SUP-Boards leicht zu den Gewässern transportiert und dort mit der notwendigen Druckluft aufgepumpt werden. Natürlich gibt es Wassersportler, die ein SUP als Sportgerät nutzen, deshalb erkennt unser Verband die SUP auch als Kanu an. Jedoch gibt es jede Menge an Unternehmungslustigen, die sich früher auf eine Luftmatratze gelegt hätten. Diese Schwimmgeräte scheinen ja nun an den Stränden ausgestorben zu sein und dafür werden nun SUP genutzt. Dabei werden wie früher die möglichen Gefahren unterschätzt. Ein Beispiel ist dafür der Unfall 20-02.
Auf einigen Werbeblättern werden SUP-Fahrten am Wehr gezeigt. Das sieht ganz toll aus. SUP-Fahrer sollten aber beachten, dass ihre Fallhöhe von ihrer Körpergröße bestimmt wird. Die bei einer Kenterung aktivierten dynamischen Kräfte stellen wohl auf einem freien Gewässer kein Problem dar, jedoch auf einem Wehr wohl schon…


Tödliche Unfälle

In der Unfalltabelle sind 6 Unfälle mit tödlichem Ausgang beschrieben. Darunter befinden sich Unfälle mit recht unerfahrenen Kanunutzern. Es sieht so einfach aus auf einem SUP die Schönheit der Natur zu bewundern. So hat es wohl auch die Verunglückte im Unfall 20-03 gedacht. Wenige haben leider nur Kenntnis von der Reaktion unseres Körpers, wenn er unverhofft ins kühle Wasser fällt. So wurde das auch der 67 Jährigen wahrscheinlich zum Verhängnis.
Ein Kanu kann man als Sportgerät nutzen oder nur um mit viel Spaß und Jubel sich treiben zu lassen. In einem Canadier passen nicht nur Paddler, sondern jede Menge an Getränken und Essen. Die Wasserwacht könnte wohl ein dickes Buch über gerettete Kanuten schreiben, die alkoholisiert kenterten. Leider geht das nicht immer gut. So auch im Unfall 20-08. Als organisierte Kanusportler können wir über diese feierwütigen Kanunutzern meist nur den Kopf schütteln. Jedoch wird die Öffentlichkeit leider nicht zwischen organisierten Kanuten und Freizeitkapitänen unterscheiden können.
Zu dem tödlichen Unfall 20-09 liegen leider keine weiteren Erkenntnisse vor. Es konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden, was den Verunglückten motivierte  den Wildwasserkanal zu befahren. Aber auch hier zeigt sich die Gefahr, wenn man völlig auf sich allein gestellt ganz bewusst derartige risikoreiche Fahrten unternimmt. Was verbirgt sich dahinter, eine überzogenes Selbstbewusstsein, Selbstüberschätzung oder nur Dummheit?
Der Unfall 20-10 macht viele Kanuten aus der Region sprachlos. Das Wehr, das der tödlich verunglückte befuhr, ist als unfahrbar bekannt. Schilder und Bojen weisen rechtzeitig auf die Gefahren am Ufer und auf dem Wasser hin. Weshalb der Kanute dennoch das Wehr befuhr bleibt ein Rätsel.
Aber auch erfahrene Kanuten sind vor tödlichen Unfällen nicht gefeit. Die Umstände, die zum tödlichen Unfall 20-13 führten sind häufig bei Wildwasserfahrten typisch. Was soll man tun, wenn es zu einer Kenterung kommt und der Gekenterte das rettende Ufer erreicht hat, jedoch das Bootsmaterial davon schwimmt? Meist spontan entscheidet sich einer der Kameraden allein zur Suche und Bergung des Bootsmaterials. Und da beginnt eine neue Gefahrensituation. Sich auf das vor einem schwimmende Bootsmaterial konzentrierend, kann der Bergende schnell selbst in eine gefährliche Situation geraten. Und so war es wohl auch bei diesem tödlichen Unfall. Ein Radfahrer fand den leblosen Körper des Kanuten, der das Bootsmaterial alleine bergen wollte, hinter einem Wehr am Ufer. Den eigentlichen Unfall hatte er nicht beobachtet. Er konnte aber schnell Hilfe holen. Leider verstarb dieser erfahrene Berliner Wildwasserkanute.
Kanuten sind rastlose Menschen. Sie haben immer viele kreative Ideen und so kam es wohl, dass im Unfall 20-19 zwei Kanuten eine weihnachtliche Überraschung auf einem See platzieren wollten. In der Dunkelheit befuhren sie den Bossee, um an einer Boje auf einem Ponton aufgebauten Weihnachtsbaum festmachen zu wollen. Dabei kippte das Kanu um. Einer der Gekenterten, ein 47 jährige konnte sich mit letzter Kraft schwimmend an das Ufer retten. Dem Zweiten, ein 39 jähriger gelang dies nicht. Er wurde zwei Tage später von Tauchern tot geborgen.


Schlussfolgerungen aus Unfällen

Dieser jährliche Beitrag im Kanusport sollte eigentlich von den Ausleihstationen und auch von den privaten Kanunutzern beachtet werden. Sie werden aber wohl in der Mehrzahl nicht den KS lesen. Oder irre ich mich?
Ich kann nur hoffen, dass in den Vereinen diese beschriebenen und auch bei ihren Fahrten selbst erlebten Beinahunfälle ausgewertet werden, um daraus Konsequenzen für zukünftige Fahrtenplanung und -durchführung zu ziehen. In vielen der Ausgabe des KS gibt es dazu auch Informationen und Hinweise.
Ältere und erfahrene Kanuten kennen die notwendigen präventiven Maßnahmen beim Ausüben ihres Sports, aber diese werden auch von ihnen häufig ignoriert. Jedoch werden sie über manch einen Unfall nur den Kopf schütteln. Jüngere Kanuten und Neueinsteiger kennen die Gefahren auf und am Wasser zwar vom Hörensagen, werden aber schnell leichtsinnig, wenn ihnen das richtige Verhalten nicht vorgelebt wird. Das sollte von den alten Hasen beachtet werden. In diesem Sinne wünsche ich uns schöne und unfallfreie Kanuerlebnisse.

 


 


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KANU-SPORT 03/2021
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