22. August 2023

Kanuvereine im Blick: Freie Kanufahrer Marl e.V.

Foto: Freie Kanufahrer Marl e.V.

Vereine im Porträt. Was zeichnet sie aus und wie fallen sie auf? In seiner Serie „Kanu-Vereine im Blick“ stellen wir in loser Folge einen Club und seine Mitglieder in den Fokus. In diesem Beitrag präsentieren wir die Freien Kanufahrer Marl e.V.  Die fallen durch einen besonders vollen Paddelkalender und durch eine rege Jugendabteilung aus. Warum klappt es in Marl mit den Kindern und Jugendlichen besonders gut?

 "Der Erfolg der Freien Kanufahrer Marl ist Ergebnis eines'guten Menschenverstandes'."

„Die ganze Sache hat vor etwa zehn Jahren angefangen“, sagt Frank Schniedenharn, Jugendleiter bei den Freien Kanufahrern Marl e.V. Mit „Sache“ meint er - natürlich nicht ganz wortwörtlich Kinder - und zwar seine eigenen. Mit seinen damals neun und elf Jahre alten Söhnen Rene und Till fing er mit der Paddelei an. Sowohl für ihn selber als auch für den Kanuverein war Familienpaddeln Neuland. „Die Befürchtung war, dass Kinder mehr Belastung als Bereicherung sind.“ Doch das war nicht der Fall - im Gegenteil, immer mehr junge Paddler fingen bei den Freien Kanufahrern an. Dass der Versuch so gut geklappt hat, liegt nicht unbedingt nur daran, dass Kinder immer uneingeschränkt und für alles Glück und Segen bedeuten. Für Frank Schniedenharn ist der Erfolg der Freien Kanufahrer Marl Ergebnis dessen, was er als „den guten Menschenverstand“ bezeichnet. Von diesem ließen sich nämlich die Kanufahrer bei ihrer Jugendarbeit maßgeblich leiten. Im Ergebnis sind das eine Menge Regeln, ohne die es aber nicht funktioniert und die vor allem den Zusammenhalt stärken:

  1. Jeder bekommt Verantwortung
    Es ist leichter, dass die Kinder das tun, was sie sollen, wenn sie für einen Teilbereich Verantwortung übernehmen. "Wenn man sie aktiv mit einbezieht, dann fühlen sich die Kinder und Jugendlichen verstanden und wollen zeigen, dass sie es schaffen“, sagt Frank Schniedenharn. Die Aufgaben können sein: Tourenplanung, Reinigung der Boote, Transport der Boote usw. Wenn jeder einzelne merkt, dass er was „gut hinkriegt“, macht ihn das stolz und motiviert. Das zeigt sich im übrigen auch beim Eskimotiertraining in der Schwimmhalle. Frank Schniedenharn sagt hier zu seinen Schützlingen: „Ich zeige euch was ihr könnt. Ihr müsst mir zeigen, ob ihr es wollt.“
     
  2. Die Großen achten auf die Jüngeren
    Die älteren Jugendliche bekommen „Ziehkinder“ an die Seite gestellt, um die sie sich kümmern sollen. Vieles können sich Kinder und Jugendliche untereinander besser vermitteln. „Dazu gehört vor allem, dass sich alle gegenseitig helfen.“ Die Großen geben sich Mühe, damit sie zeigen können was aus ihren Zöglingen wird, die Jüngeren bemühen sich, damit sie ihren Vorbildern nacheifern können.
    Außerdem hat die Idee, dass sich die Größeren automatisch um die Jüngeren kümmern müssen, einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Wir haben auch im Trainerbereich keine Nachwuchssorgen. Einige Jugendliche, die im Jugendbereich großgeworden sind, haben den Fachübungsleiter gemacht.“ Außerdem hat der Verein zwei engagierte Jugendwarte (René Schniedenharn und Catrin Rieger-Rüdiger), die beide Trainerlizenz C haben und einen großen Teil ihrer Freizeit neben Ausbildung und Studium für den Verein zur Verfügung stellen.
     
  3. Kinder wollen unter sich sein
    Jugendliche sind eine Einheit für sich. Bei den Kanufahrern Marl nennen sie sich „Kanupiraten“ und zeigen das auch mit entsprechender Kleidung. Die Eigenständigkeit von Kindern zu akzeptieren ist wichtig, damit das Projekt Jugendarbeit Fahrt aufnehmen kann. Das bedeutet unter anderem, dass für eine erfolgreiche Jugendarbeit auch Fahrten speziell für Kinder angeboten werden müssen. Sei es Ferienfreizeiten und auch mal eine Fahrt ins Phantasialand. Hier übernehmen Eltern und Trainer Aufgaben wie Fahrtdienst und Betreuung. Dadurch dass die Kinder über diese Projekte unvergessliche Zeit als Vereinsmitglieder erleben, fangen sie an sich mit ihrer Gruppe und ihrem Verein zu identifizieren. Ein wichtiger Grundstein dafür, dass sie irgendwann auch eigene Aufgaben für den Verein übernehmen.

    Zur Selbstständigkeit von Kindern und Jugendlichen gehört bei den Freien Kanufahrern Marl aber auch, dass sie ihre Probleme unter sich klären. „Die Jugendleiter sind in der Abteilung groß geworden. Dadurch sind sie natürlich besonders akzeptiert.“ In ihrer Aufgabe bilden sie einen "Puffer" als "Vermittler" zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. „Ich sage immer wieder ‘Klärt das unter euch, wenn ich kommen muss, gibt es wahrscheinlich Stress’.“

Die paar wenigen vorgestellten Regeln machen deutlich: Jugendarbeit funktioniert dann, wenn alle es wollen. Mit nur ein oder zwei Mitgliedern alleine funktioniert es nicht. Frank Schniedenharn sagt: „Auch wenn der Impuls von einigen wenigen kommt, dann müssen möglichst viele Mitglieder motiviert und eingebunden werden. Dann klappt es!“ Das können ganz unterschiedliche Aufgaben sein:

Viele Aufgaben für viele Mitglieder

 

  • Kuchen backen für ein Familienfest
  • Planung eines Grillabends
  • Aufräumen des Bootshauses, damit neue Boote Platz finden
  • Sponsoren ansprechen, um finanzielle Mittel zu beschaffen
  • Fotos in den Sozialen Medien hochladen, damit auch andere von den Aktionen des Vereins erfahren
     


„Ich würde grundsätzlich möglichst viele mit eher kleinen Aufgaben einbinden“, rät Frank Schniedenharn. Dann werden die Projekte nicht zu Belastung, sondern dadurch, dass jeder eine Kleinigkeit tun „darf“, fühlt er sich bestärkt in seiner Bedeutung als Mitglieds des Vereins. Denn vor vielen Regeln - auch wenn sie eigentlich wenig auffallen, weil sie dem gesunden Menschenverstand entsprechen - steht vor allem eine Überzeugung, die mittlerweile bei allen Freien Kanufahrer Marl angekommen ist: Arbeit mit Kindern lohnt sich für alle. „Kinder machen Spaß und Freude. Es ist toll mit ihnen zu arbeiten“, sagt Frank Schniedenharn. „Daher würde ich eigentlich eher sagen, dass wir es besonders unkompliziert machen.“ Sprich, bei den Freien Kanufahrern wird viel ausprobiert, weil man einfach Lust darauf hat.
Deshalb ist immer viel los: „Wir sind breit aufgestellt, sei es Wander-, Renn-, Wildwassersport oder auch SUP. Jeder kann ausprobieren worauf er Lust hat.“ Jedes Jahr ist der Marler Terminkalender wie eine bunte Ideenliste für spannende Aktionen: „Wir machen regelmäßig ein Familienfeste, mehrere Familienfahrten, Ferienfreizeiten, Grillabende und vieles mehr. Viele Ideen kommen übrigens von den Jugendlichen selber. „Wir binden alle in die Jahresplanung ein. „Zum einen bringt das immer neue Ideen, zum anderen helfen die jungen Paddler besonders motiviert, damit ‘ihr Projekt’ zum Erfolg wird.“ 

(Stand: Mai 2018)

 

 


 

 

 

Diesen Artikel sowie weitere Touren, Beiträge und Themen findest du im KANU-SPORT 5/2018:

KANU-SPORT 5/2018
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