08. Mai 2024

Kurs Nord durch die Schärenwelt

Traumplatz auf der Insel Eknö (Foto: Jürgen Stecher)

Die Sonne scheint und leichte Wellen umplätschern einen flachen Felsen im Kalmarsund. Darauf liegt eine Robbe. Verträumt schaut sie in die Runde. Doch was ist das? Ihr Blick wird plötzlich wach. Was nähert sich dort Seltsames groß und bunt von Süden? So etwas hat sie noch nie gesehen. Scheinbar treibt dieses bunte Teil in sicherem Abstand an ihr vorbei, aber sicher ist sicher, eine Rolle zur Seite, ein leichtes Platschen und die Robbe geht auf Tauchstation. Vorsichtig hebt sie den Kopf aus dem Wasser, schaut sich die Sache an und staunt.

Von Ursula und Jürgen Stecher

 

Die Außenschären.

Die Sonne scheint und leichte Wellen umplätschern einen flachen Felsen im Kalmarsund. Darauf liegt eine Robbe. Verträumt schaut sie in die Runde. Doch was ist das? Ihr Blick wird plötzlich wach. Was nähert sich dort Seltsames groß und bunt von Süden? So etwas hat sie noch nie gesehen. Scheinbar treibt dieses bunte Teil in sicherem Abstand an ihr vorbei, aber sicher ist sicher, eine Rolle zur Seite, ein leichtes Platschen und die Robbe geht auf Tauchstation. Vorsichtig hebt sie den Kopf aus dem Wasser, schaut sich die Sache an und staunt.
Wir sind mit zwei Kajaks von Revsudden aus Richtung Norden gestartet. Der südwestliche Wind wird von der Halbinsel kanalisiert und nimmt zu. Das könnte für guten Vortrieb durch unseren Segelschirm ausreichen. Er liegt griffbereit unter den Gepäckgummis des Zweiers. Ein Griff, ein leises Klack, der große bunte Schirm entfaltet sich und zieht den Zweier durch den Sund. Ich beeile mich, mit dem Eski längsseits zu kommen, um von dem Schirm zu profitieren. Damit ist auch das Rätsel gelüftet, was die Robbe so seltsames gesehen hat. Schade, dass das Tier so scheu ist. So müssen wir auf das Porträt einer Ostseerobbe in unserer Bildersammlung verzichten. Na, vielleicht beim nächsten Mal, denn jetzt hat die Robbe ja genau geschaut und erkannt, dass so etwas Großes, Buntes völlig ungefährlich ist.
Die Freude am stetigen Zug des Regenschirms ist nur kurz. Wir lassen die weit in den Kalmarsund hinaus ragende Halbinsel hinter uns. Zum Schutz vor dem aufgefrischten südwestlichen Wind steuern wir weiter unter Land. Vor uns versperrt eine Reihe flacher Inseln den Weg. Ob es dort einen Durchschlupf gibt? Beim Blick durch das Fernglas sehen wir viele kleine Felsen, an denen sich die Wellen brechen und eine Durchfahrtsmöglichkeit. Es scheint recht flach zu sein. Der Einer als Lotse vor, kommt der Vorschlag von Ursel und Regina im Zweierkajak. Zweimal sitze ich auf und kann der Zweierbesatzung noch rechtzeitig ein Zeichen geben, das Hindernis zu umfahren, dann sind wir durch und haben wieder genug Wasser unter dem Kiel.  
Im mittleren Kalmarsund haben viele der kleinen Inseln wunderschöne Sandstrände, die lockend herüber leuchten. Wir haben jedoch inzwischen Starkwind und im Westen drohen hohe, dunkle Wolkengebirge. Da ist es günstiger, im landnahen Inselgürtel zu bleiben. Doch auch dort gibt es einen schönen Sandstrand, auf dem im Windschutz eines Eichenwäldchens Pause gemacht wird.
Bei der Weiterfahrt erwischt es uns. Die Wolken sind inzwischen über dem Wasser und öffnen ihre Schleusen. Starke Böen peitschen die großen Regentropfen vor sich her. Sie spritzen so hoch, dass sie zeitweise die Sicht behindern. Gut, dass die Anoraks griffbereit lagen. So sitzen wir geschützt in den Kajaks. Der Wind treibt die Front weiter, bald ist der Spuk vorbei.
Die Sonne scheint wieder und über der See wölbt sich ein mit grauweißen Wolken durchzogenen Himmel. Ursel holt erneut den Schirm heraus und ab geht die Post. Rechts und links werden einsame Inseln passiert. Eine lockt mit einem gelbem Sandstrand, Heide und Wacholdergruppen zum Zwischenstopp mit Badeeinlage.


Camp auf der Kuhwiese

Auf einer mit lichtem Kiefernwald bestandenen Insel grasen friedlich mehrere Kühe. Eine liegt wiederkäuend auf dem Wiesenstreifen am Ufer und schaut übers Wasser. Was kommt denn dort Großes Buntes auf die Insel zu? So etwas hat auch die Kuh noch nicht gesehen. Müde steht sie auf und schaut sich das lieber aus einiger Entfernung und im Schutz des Waldes stehend an. Wir kennen das mit den Kühen auf den Inseln und überlegen, ob wir in deren Nachbarschaft unsere Zelte aufbauen sollen. Doch die schön in der Sonne liegende Wiese entspricht schon sehr den Vorstellungen von einem guten Paddler-Zeltplatz. Die lange Leine ist dabei. Wenn die Kühe zu lästig werden, muss sie die Tiere von unserem Platz aussperren. Beim Aufbau der Zelte kommt die Kuh neugierig wieder näher und bringt einige Schwestern mit. Kurze Zeit stehen sie noch als Zaungäste, das scheint ihnen auf die Dauer langweilig zu sein. Sie haben sich überzeugt, dass die neuen Nachbarn harmlos sind und ziehen friedlich auf die andere Seite der Insel.

 Abendlicher Weintrinkplatz.

Der abendliche Seewetterbericht verspricht, dass jetzt endlich das Hochdruckgebiet an Einfluss gewinnen soll und unser Barometer zeigt auch schon seit einiger Zeit ganz langsam steigenden Luftdruck. Das sieht nach länger anhaltendem schönen Wetter aus. So weiß auch der nächste Morgen zu gefallen. Unter einem großen blauen Himmel ziehen einzelne weiße Wolken von einem sorglosen Südwind getrieben nach Norden. So haben wir uns den Sommer in den Schären vorgestellt.
Muss ich da noch extra erwähnen, dass bei der Windrichtung der „GROSSE BUNTE“ einen Teil der Paddelarbeit übernimmt?  Am Nachmittag jedoch, bei einer größeren Querung, wurden Wind und Wellen so stark, dass der Schirm an seine Grenzen kommt. Immer wieder ziehen Böen das Gestänge des Schirms in seine Federung. Er ist kurz vor dem Umklappen. Eine Zeit lang hab ich paddelnderweise neben dem Kajaksegler die Wellen durchpflügt, doch dann bin ich längsseits und lasse mich ziehen. Wie schnell wir wohl sind? Da schalten wir einfach einmal das GPS ein. Gespannt geht der Blick auf das Display. So zwischen 7,5 und 8 km/h pendelt sich die Anzeige des Gerätes ein. Eine beachtliche Geschwindigkeit für zwei vollbepackte Kajaks. „Gib mir den Schirm mal nur für den Einer,” fordere ich Ursel auf. „Den kannst du bei dem Wind und den  Wellen gar nicht alleine in deinem Eski bändigen,” meint sie. Na, das will ich jetzt aber wissen. Losgelöst von dem Gewicht des Zweiers geht die Fahrt erst so richtig los. Ich bin im Rausch der Geschwindigkeit. Das Zweierteam kommt nicht mehr mit. Doch die Frauen haben Recht, der Ritt durch die Wellen erfordert volle Konzentration. Die Freude ist jedoch nur kurz. Der Kurs geht mehr nach links und so kommt der Wind zu sehr von der Seite.
Vor uns zieht sich die Halbinsel Oknö weit in die See hinaus. Sie ist durch einen Damm mit dem Festland verbunden. Ob der einen Durchlass für uns bietet? Auf der Karte ist an der engsten Stelle ein „Onö-Ström“ vermerkt. Wo etwas strömt, müsste es eigentlich auch für unsere Kajaks durch gehen. Es bleibt spannend bis zuletzt. Erst als wir kurz vor dem Damm um eine Ecke biegen, ist der Durchschlupf zu sehen. Jetzt ist das Fahrwasser nach Mönsteras zu queren und dann geht es auf der anderen Seite gleich wieder in das Inselgewirr.
Am nächsten Tag liegt erneut ein enger Durchlass auf unserem Kurs und es stellt sich die Frage, ob der wohl schiffbar ist. Doch wir können am Abend beruhigt schlafen gehen. Kurz vor dem Damm zur Insel Björnö stehen die Zelte auf einer kleinen Wiese im Kieferwäldchen. Mildes  Licht der Abendsonne bescheint die Zelte und lesende Paddler. Da kommt plötzlich aus der Bucht, die zum Damm führt, das Geräusch eines Außenborders. Hinter einer vorgelagerten Insel taucht tatsächlich ein kleines Fischerboot auf. Damit ist klar: Wo der durch den Ström gekommen ist, klappt es am nächsten Tag auch für uns. Etwas Strömung läuft dort zwar entgegen, aber die wird zügig überwunden, dann öffnet sich die Welt der Außenschären. Weit verstreut liegen die einzelnen Inselchen und über alle wölbt sich ein hoher nordischer Himmel. Eine Inselreihe zieht sich genau von Süd nach Nord. An der entlang ist die Navigation einfach. Auch ab der letzten Schäre geht es einfach weiter. Weiter innen liegt eine große Fabrik für Holz- und Papierverarbeitung. Ihre Schornsteine dienen als Ansteuerungsmarke. Aber erst einmal gibt es den Stopp für die morgendliche Apfelpause. Auf der kleinen Insel ist richtig was los. Kormorane und Seeschwalben fliegen erschreckt hoch, als die Kajaks um die Ecke kommen. Ein paar Schwäne gründeln im Wasser vor der Insel und auf der Nachbarschäre schnattert aufgeregt eine Gruppe von Kanadagänsen. Die eigentliche Attraktion auf der Insel sind jedoch die Schmetterlinge. Es gibt kaum Zeit, den Apfel zu essen. Die ganze Zeit laufen wir mit schussbereiter Kamera den Schmetterlingen hinterher. Es ist gar nicht einfach, so einen nervösen Falter scharf zu fotografieren. Doch mit Geduld klappt es und mit einigen schönen Schmetterlingsfotos auf dem Chip geht es weiter.
Auf der Karte ist in der Nähe des kleinen Fischerhafens Svartö ein Badeplatz eingezeichnet. Wäre der nicht etwas für ein erfrischendes Bad und für die Mittagspause?  Schon von weitem ist durch das Glas ein gelber Sandstrand zu erkennen und beim Näherkommen ist sogar eine Bank mit Tisch zu sehen. Normalerweise spielt sich bei uns ja alles auf dem Boden ab oder es werden kleine Felsriegel als Sitzerhöhung genutzt, aber jetzt steht dort ein richtiger Picknicktisch! Das ist schon Luxus pur und was die beiden Frauen dazu zum Essen auf den Tisch zaubern, ist diesem angemessen. Aber erst einmal gibt es ein Platschen vom Wasser her. Ursel zieht ihre Runden durch das kristallklare Wasser.
Die Inselwelt der Schären ist eigentlich bis auf wenige kleine Siedlungen, die mit ihren bunten Häusern und den kleinen Häfen einfach dazu gehören, eine ruhige Wildnis.
Als wir bei Svartö um die Ecke kommen, ist es vorbei mit der Idylle. Eine hohe Kaimauer, große Holzlager, Fabrikhallen und hohe Schornsteine prägen das Bild. Am Ufer liegt ein Kümo, der gerade entladen wird und von der See kommt mit schäumender Bugwelle schon der nächste angerauscht. Hier ist richtig BIG BUISINESS. Nur schnell vorbei an dem lärmenden und stinkenden Platz. Die Fabrik zieht sich fast zwei Kilometer hin und dann ist wieder Ruhe. Von links meldet sich die Wildnis eindrucksvoll zurück. Der Schrei von Seeadlern schallt über das Wasser. Über den Uferbäumen kreisen zwei der großen Greifvögel im Aufwind. Es ist ein majestätisches Bild. Links ist die Mündung des Eman. Mit erstaunlich viel Wasser rauscht er in die Ostsee. Am Fluss sind mehrere Fliegenfischer zu sehen. Bis fast zum Bauch stehen sie im Wasser und schwingen ihre Angel. Sie sind auf Lachs aus, denn dafür ist der Bach in Anglerkreisen berühmt. Ob sie wohl Erfolg haben?
Eine wunderschöne Halbinsel bietet sich als Zeltplatz an. In hohem, mit leuchtenden Glockenblumen durchwachsenem Gras und zwischen Heidebüschen hat sie mehrere tolle Zeltplätze. Natürlich alle mit Ausblick über die See. Die Auswahl fällt direkt schwer. Die bereits aufgebauten Kuppelzelte stehen schon, als es heißt „schaue mal dort, der Platz ist ja noch viel schöner“ und schon geht wieder eins der Zelte wandern. Ein Grummeln aus Westen beendet dieses Spiel. Es hat sich drohend eine Wolkenwand aufgebaut, aus der bereits die ersten Blitze zucken. Über der Feuerstelle, die schon andere Paddler vor uns aufgebaut haben, wird schnell das schützende Tarp aufgespannt und ein Feuer angezündet.  So kann uns das Gewitter nichts mehr anhaben.

 

Einkauf

Unsere Reserven an Essbaren gehen noch lange nicht zu Ende, aber etwas Frisches dazu wäre nicht schlecht. Also wird nach einer Einkaufsmöglichkeit geschaut. Oskarshamn liegt auf der Route. Ob es dort in den Außenbezirken einen Laden gibt? Weit draußen ist ein Campingplatz eingezeichnet, der eventuell einen Shop hat.

Starthafen Revsudden

Das festzustellen ist nicht so einfach. Vor dem Platz steht ein Mann auf dem Sprungbrett der zugehörigen Badeanstalt und schaut verträumt über die Schärenwelt. In der Ferne sieht er zwei Punkte, die langsam größer werden. Was ist denn das, sind das Kajaks? Die kommen ja direkt auf mich zugefahren und jetzt stoppen sie auch noch. Was wollen die von mir?
Auch wir sehen den Mann. Er müsste doch wissen, ob es auf dem Platz einen Kaufmann gibt. Also versuche ich es auf englisch. Er schaut mich groß und fragend an, zieht die Stirn in Falten, antwortet jedoch nicht. Gemeinsam versuchen wir unsere schwedischen Kenntnisse anzubringen. Wieder keine Antwort. Erst als Ursel und Regina sich in Deutsch unterhalten, kommt in schönstem sächsisch von oben die Frage „Was wollt ihr denn wissen?“ und so erfahren wir, dass ein Laden vorhanden ist. Na, das nächste Mal fragen wir gleich in Deutsch.
In die Schäre beim Badeplatz ist ein Badebecken gesprengt worden, das jetzt als Hafen für die Boote genutzt wird. Schnell sind die Vorräte aufgefüllt und ein Eis dazu, schon hat uns die Weite und Ruhe der Schärenwelt wieder. Mit einem großen Rutsch soll die große Bucht vor Oskarshamn gequert werden. Aus dem nahen Hafen schallt das Abfahrtssignal der Gotland-Fähre herüber. Wir sind sicher, dass die Kajaks vor ihr die andere Seite erreichen und steigern die Schlagzahl. So einfach ist das jedoch nicht. Kaum aus dem Hafen heraus, wird auf dem großen Schiff der Maschinentelegraph ganz nach vorne gelegt und wir haben das Nachsehen. So machen die Boote zur Abwechslung ein paar große Sätze durch die Bug- und Heckwellen der Fähre, schaufeln ein paar Liter Ostsee über das Deck und dann geht es auf glatter See weiter.


Trauminsel für Ruhetag

Als wir am Nordende der Bucht wieder in das Inselgewirr eintauchen, ist es erst früher Nachmittag und damit noch nicht die Zeit zum Beenden der heutigen Tour. Vor uns im äußeren Schärengürtel liegt jedoch eine Insel, an der man einfach nicht vorbei paddeln darf. Sanft ansteigend im inneren Bereich, ideal für die Landung und steil abfallend auf der Außenseite, ideal zum Angeln. In der Mitte steht malerisch ein kleines Wäldchen. Wir schauen uns an und merken, dass alle das Gleiche denken: Das ist die Trauminsel für einen Ruhetag. Dort stehen bald darauf die beiden Zelte im weichen Moos vor den nordischen Kiefern und dann lockt das klare und warme Wasser. Schwimmend werden die ersten Runden gedreht. Anschließend wird es gemütlich. Der Kaffeekessel summt, die Kekse werden ausgepackt und so sitzen wir Kaffee trinkend auf den warmen Felsen, genießen die Stille und den weiten Blick.
Lange bleibt es nicht so. Gegenüber taucht zwischen den Inseln ein kleines traditionelles Holzboot auf und steuert mit vernehmlichen Tuck-Tuck-Tuck auf unsere Insel zu. Ist es jetzt mit der Ruhe vorbei? Nein, kurz vor der Insel erkennen die Insassen uns und die Zelte. Sie respektieren, dass andere vor ihnen die Insel besetzt haben. Freundlich grüßend drehen sie einen Bogen und verschwinden in der Weite der Schärenwelt.
Jetzt ist Lesestunde. Zeigt mal her, was ihr zum Lesen habt! Interessiert schaue ich die Titel an. Beide halten mir einen „Schweden-Krimi“ entgegen. Na, hoffentlich können sie heute Nacht gut schlafen.
Ich schnappe lieber die Angel und versuche, die Verpflegung durch frischen Fisch zu ergänzen. Oben auf der Steilküste stehend werfe ich Mal um Mal in weitem Bogen die Angel aus. Dabei tauchen Erinnerungen an eine schon länger zurückliegende Schärentour auf. Damals ging fast jeden Abend ein großer Hecht an die Angel, der in Alufolie gepackt im Feuer gegart wurde. In Gedanken daran läuft jetzt noch das Wasser im Mund zusammen. Aber heute tut sich nichts. Einmal ist einer dran, der sich jedoch wieder los reißt. Dann verfängt sich noch ein paar Mal der Blinker in den Algen und das war es. Da schnappe ich mit lieber auch ein Buch.

 

Starkwindtag

 Ruhepause.

Als wir nach dem Ruhetag aufbrechen, ziehen wie gewohnt weiße Wolken an einem großen weiten Himmel entlang. Sie werden von einem sorglosen Nordwind getrieben, der mit Windstärke Vier bis Fünf eigentlich zu sorglos ist, denn er kommt von dort, wo wir hin wollen. Lange Zeit bieten die Innenschären Schutz, dann geht es hinaus ins Freie. Die Wellen kommen ungebremst aus der endlosen Ostsee entgegen. Hoch und runter klettern die Kajaks auf den langgezogenen Wellen und alle Augenblicke läuft eine Ladung Ostsee schäumend über das Deck. Plötzlich deutet Ursel nach vorne. Im Wellengetümmel kommt ein Kajak entgegen. Der hat es gut, so mit Rückenwind denken wir. Doch damit ist der Paddler scheinbar gar nicht so glücklich. Warum stützt er denn so oft und macht immer wieder Steuerschläge?
Des Rätsels Lösung ist eine große, hohe Deckslast, die ihm jetzt bei den Bedingungen Probleme bereiten. Er ist so mit sich beschäftigt, dass er kaum Zeit zum Grüßen hat.
Die Aufmerksamkeit galt so sehr dem anderen Paddler, dass wir uns erschrocken umschauen, als es dicht hinter uns plötzlich stark plantscht. Ein Folkeboot in traditioneller Klinkerbauweise kreuzt in starker Schräglage durch die Wellen springend unseren Kurs. An der Pinne steht ein älterer, braungebrannter Seebär, der lässig seine Pfeife raucht und grinsend winkt. Er hat seinen Spaß an Wind und Wellen, während die meisten anderen Segler weiter draußen nur noch unter Motor unterwegs sind.


Wasserversorgung

In den sommerlichen Schären ist die Wasserversorgung ein Problem. Deshalb wird jede Möglichkeit genutzt, in den kleinen Häfen den Verbrauch zu ergänzen. Ob wir in Krakelund Glück damit haben? Mit den leeren Wassersäcken bewaffnet ziehen die beiden Frauen durch den Ort. Eine Pumpe oder ein öffentlicher Wasserhahn sind nicht zu finden und die gepflegten rot gestrichenen Häuser machen einen verlassenen Eindruck. Doch, rührt sich da hinter der nächsten Hütte nicht etwas? Ja, ein Mann kommt um die Hausecke und schaut fragend. Zuerst will er sein Wasser nicht so recht mit uns teilen, denn er bringt es selbst von der nächsten Kleinstadt im Auto mit. Dem Lächeln von zwei hübschen Frauen kann er nicht lange widerstehen. Die leeren Wassersäcke dürfen aufgetankt werden. Jetzt sind wir wieder längere Zeit autark und steuern die Kajaks in die einsame Welt der Inseln.
Neben dem Wasser ist noch Rotwein an Bord. Kühl gelagert liegt ein Pappkarton  auf dem Boden des Kajaks. Was gibt es Schöneres, als am Abend einen Becher davon zu trinken. Dazu braucht es aber einen gemütlichen sonnigen Platz mit Aussicht. Am besten einen mit erwärmter Felswand im Rücken und einem weiteren Absatz davor, über den man die Beine hinunter baumeln lassen kann. Heute haben wir Glück. Vor den Zelten gibt es eine entsprechend geformte Felsplatte. Dort sitzen wir und denken an die Erlebnisse des Tages zurück. Aber die Rechnung wurde ohne die wandernde Sonne gemacht. Sie verschwindet nach einiger Zeit hinter den Bäumen der Nachbarschäre. Wie sieht es denn auf der anderen Seite aus? Ja, da gibt es eine kleine Felsrippe, die jetzt von den Sonnenstrahlen erreicht wird. Wir ziehen um und so steht einem weiteren Schluck Rotwein bei abendlichem Sonnenschein nichts im Wege.
Die Schatten der Kiefern und Felsen werden länger, der Wasserarm vor uns zieht weit nach Westen, dort versinkt die Sonne tief als blutroter Ball zwischen den Wolken.  Die Insel rechts verfärbt sich langsam in ein blassblau und das Wasser scheint sich an dem hinteren Ende des Kanals mit dem Himmel zu treffen.


Kirchsonntag auf Stupö

Lezter Zeltplatz bei Blankaholm.

Dass der heutige Tag ein Sonntag ist, merken wir bereits beim Aufstehen. Die Sonne scheint. Doch das gab es auch die Tage vorher. Auffallend ist heute der rege Bootsverkehr, und alle haben sie scheinbar das gleiche Ziel. Selbst schnelle Wassertaxis steuern mit vollem Speed auf eine enge Einfahrt in der vor uns liegenden Inselgruppe zu. Das macht neugierig. Wo wollen die alle hin und was ist dort los? Den Booten durch einen engen Kanal folgend, tauchen auf beiden Seiten vereinzelt rot gestrichene Häuschen auf und etwas weiter öffnet sich links die große geschützte Bucht von Stupö. Zwischen den bunten Häuschen, die den Hafenplatz umrahmen, ist reichlich Betrieb und es schallt typisch schwedische Blasmusik und Gesang herüber. Die Schärenbewohner der Umgebung treffen sich zum Kirchenfest unter freiem Himmel. Einem kleinen Pfad folgend bummeln wir durch den Ort. Die bunten Häuschen wetteifern mit den leuchtenden Blumen auf den Wiesen. Festlich gekleidete Kirchenbesucher begegnen uns fröhlich grüßend. Von einer Anhöhe aus geht der Blick über die malerische Bucht und über die weite Inselwelt.  Wieder im Kajak sitzend begleitet uns Musik und Gesang der Kirchenbesucher noch bis zur Ausfahrt aus dem Hafen. Schade, dass wir zu wenig schwedisch verstehen, um so einem traditionellen Gottesdienst  folgen zu können.


Nord Eknö

Das kommt mir bekannt vor, meint Ursel, als wir im Norden der Insel Eknö in eine Bucht einlaufen. Na, das soll es wohl. Vor einigen Jahren bist Du hier zusammen mit unserer Tochter im Faltbootzweier fast abgesoffen. Das Boot war auf ein scharfes Unterwasser-Hindernis gelaufen und dann ging alles ganz schnell. Innerhalb kurzer Zeit waren 10cm Wasser im Boot und nur eine schnelle Landung hier in der Bucht konnte die beiden retten.
Heute braucht Ursel keine Befürchtungen haben. Sie sitzt in einem stabilen Polyesterzweier. Die Erinnerung von damals ist gut, denn der Zeltplatz in der Bucht hat schon etwas von Paddlers Traumplatz. Der Felsboden ist zwar etwas ungleichmäßig, doch im Wäldchen hinter uns gibt es reichlich Moospolster, die jetzt alle auf die Reise gehen, um den vorgesehenen Zeltplatz auszupolstern.
Ob die anwachsen, fragt Regina? Das wäre gut bei einem nächsten Besuch.


Einsame Zeltplane

 Fischerort Stup.

Angewachsen scheint beim Start zur nächsten Etappe auch die grüne Abdeckplane für die Lüftung des einen Zeltes. Sie passt sich mit ihrer Tarnfarbe so an die Umgebung an, dass sie beim Packen nicht auffällt. So schaut sie den Paddlern traurig hinterher, als sie wie kleine Punkte in der Ferne verschwinden. Mögen die mich nicht mehr? Soll ich sie nicht mehr vor Wind und Regen beschützen, fragt sie sich. Gefühlte tausend Inseln weiter nördlich ist man auch traurig. Es wird aufgeregt nach der Abdeckplane gesucht. Da drohende Wolken am Himmel aufgezogen sind, fehlt sie schon sehr.
Es hilft nichts, sie ist weg. Wo sie wohl geblieben ist? Unsere Gedanken gehen zurück an das Camp nach Nord-Eknö. Na, erst einmal wird mit einer Plastikplane ein Ersatz gebastelt. Am nächsten Morgen ist klar, dass es eine Änderung im Generalkurs gibt. Die Nasen der Kajaks zeigen wieder nach Süden. Die Plane hängt immer noch am Baum und hält nach den Paddlern Ausschau. Aber, was ist denn das, da sind ja zwei Kajaks in der Ferne zu sehen. Ob sie das sind? Die Freude ist auf beiden Seiten groß, als man sich erkennt und wieder zusammen ist.
Eigentlich bietet sich der schöne Platz mit den ausgepolsterten Zeltspots zu einer erneuten Übernachtung an. Das Ziel ist jedoch Blankaholm, wo wir die Tour beenden wollen. Der Wind steht günstig, weht ausreichend stark und die Abende sind lange hell. Schnell ist der Segelschirm aufgespannt und ab geht es über eine weite, freie Fläche, die mindestens sieben Kilometer Segelvergnügen bringt. Vorbei an kleinen Inseln mit Fischerhöfen darauf geht der Kurs. Doch was ist das für ein roter Fleck, weit vor uns auf dem Wasser? Der Blick durch das Fernglas bringt Klarheit. Ein Kajak segelt auf gleichem Kurs. Ob wir den wohl einholen? Unser Schirm muss immerhin zwei Kajaks vorwärts ziehen. Am Ende der langen Gerade haben wir ihn. Es ist ein Faltboot mit einem professionell gefertigtem Segel. Dass wir ihn eingeholt haben, spricht sehr für unseren Segelschirm. Zu dem Faltboot gehören noch mehrere Paddler und sie sind sich nicht sicher, ob es am Ende des vor uns liegenden Armes einen Durchschlupf Richtung Blankaholm gibt. Wir können sie beruhigen. Durch den Damm gibt es einen kleinen Kanal.
In Blankaholm ist richtig was los. Erst der trubelige Seglerhafen und dann der stark belegte Campingplatz. Fast wie ein Schock nach drei Wochen Ruhe in der einsamen Schärenwelt. Da streiken Ursel und Regina. Den letzten Abend der Kajaktour haben sie sich anders vorgestellt. Obwohl wir heute schon 35 Km hinter uns haben, geht es nochmals in die Boote, um ein Wildniscamp nach unserer Vorstellung zu finden. Zwei Kilometer zurück, etwas abseits der alten Route, finden wir den Idealplatz. Einige Meter über dem Wasser stehen bald die Zelte an der Vorderkante eines Steilufers unter malerischen Kiefern. Eigentlich sind wir müde von der langen Tour, doch bei dem tollen Ausblick und dem restlichen Wein sitzen wir lange dort oben und schauen zu, wie sich der Himmel langsam rot verfärbt.   

 

 

Infos zum Revier

 
Allgemeines
Der Schärengarten im Osten Schwedens liegt zwischen Kalmar im Süden bis etwas nördlich von Stockholm. Er ist ein Relikt aus der letzten Eiszeit. Aus Fels bestehend und teils bewachsen, bewaldet und/oder bewohnt, sind sie die das Werk eines mächtigen Eispanzers, der sich einst über den nordeuropäischen Kontinent geschoben und tiefe Kerben im Grundgestein hinterlassen hat. Bis auf den Umkreis einiger Siedlungen und Städte ist es eine einsame Wildnis. Das Küstenbild wird in den Außenschären von glatt polierten flachen und manches Mal auch recht steilen Felsinseln geprägt, während die Innenschären überwiegend bewaldet sind.

Einzelne kleine Fischersiedlungen liegen malerisch in dem Gebiet verstreut.
Das alles macht ein ideales Seekajakrevier, in dem sich jeder nach Geschmack und Können den Kurs aussuchen kann.

Klima
Das Gebiet der Ostseeschären wird oft „DIE SONNENKÜSTE“ genannt.
Trotz der nördlichen Lage können die Sommer in Schweden sehr warm werden.
Im Juli und August werden 20 Grad und an klaren Tagen auch wesentlich mehr erreicht. Die tägliche Sonnenscheindauer ist um einiges mehr als bei uns in Deutschland. Sie erreicht im Hochsommer bis zu 18 Stunden täglich. Das ist die Zeit der hellen Nächte, in der man seinen Zeltplatz so wählen sollte, dass er die ersten Sonnenstunden im Schatten liegt.
Das Wasser erreicht in der Zeit angenehme Badetemperaturen.

Anreise
Hierfür bieten sich je nach Ausgangsort verschiedene Alternativen. Von Rostock, Saßnitz und Travemünde aus gibt es von verschiedenen Reedereien Fährüberfahrten nach Südschweden und von dort aus die Weiterfahrt über Autobahn oder die gut ausgebauten Landstraßen zum Zielgebiet.
Alternativ kann die Anreise auch über die Vogelfluglinie unter Einbeziehung der Öresundbrücke erfolgen. Wenn man jedoch die kleine Fährfahrt plus Brückenmaut und Benzin rechnet, ist die Fährfahrt die bessere Alternative.
In Schweden gelten generelle Tempolimits. Auf der Autobahn ist Höchstgeschwindigkeit auf 110 Km/h begrenzt. Auf Landstraßen dürfen maximal 70 km/h oder 90 km/h gefahren werden. Innerorts sind es 50 km/h, in Wohngebieten überwiegend nur 30 km/h. Man muss immer mit eingeschaltetem Abblendlicht fahren. Wer ohne Abblendlicht von der schwedischen Polizei angehalten wird, kann sich auf ein Bußgeld von etwa 55 Euro einstellen.

Ausrüstung und Voraussetzung
Komplett ausgerüstete Seekajaks und Faltboote mit fest schließenden Spritzdecken sind am besten geeignet. Kompass und eine gute Karte sind Pflicht in dem Inselgewirr. Ein Fernglas mit großem Gesichtsfeld erleichtert das Auffinden der Durchfahrten. Zur leichteren Navigation und als zusätzliche Sicherheit bei unsichtigem Wetter empfiehlt sich ein GPS mit Kartenfunktion.
Da die Routen oft weitab der Siedlungen verlaufen, sind Flickzeug, Ersatzpaddel und ein Erste-Hilfe-Set notwendig. Als Sonnenschutz empfiehlt sich eine wasserfeste Sonnenmilch mit hohem Schutzfaktor und entsprechende Bekleidung. Zur Einschätzung der Wetterentwicklung leistet ein  Barometer gute Dienste. Mit einem geeignetem Handy mehrmals am Tag die Wetterentwicklung überprüfen. Im Bereich der Schären ist mit dem Weltempfänger der der tägliche Seewetterbericht zu empfangen. Frequenzen und Zeiten und Sender unter:
Für das Schärengebiet ist ein robustes sturmfestes und Zelt in der Bauart Geodät oder geodätartiges Kuppelzelt vorteilhaft.

Übernachtung
Wer mit dem Kajak in einsamen Buchten oder an flachen Außenschären landet und dort zeltet, hat das Jedermannsrecht auf seiner Seite. In der Nähe von Häusern oder Siedlungen sollte der Besitzer gefragt werden. In verschiedenen Orten gibt es Campingplätze mit Zugang zum Wasser. In der Hauptferienzeit sind sie jedoch größtenteils überfüllt.

Versorgung
Der Großeinkauf vor der Tour kann am besten in einer der Städte (Kalmar, Oskarshamn, Västervik) erfolgen. Besonders auf einen ausreichenden Wasservorrat ist zu achten, da Wasser auf den Schären Mangelware ist.
Wichtige Telefonnummern
Für den Notfall gilt auch in Schweden die einheitliche Notrufnummer 112.
 

 

 

 

Vor der Paddeltour steht die Planung

 


Hinweis der Redaktion

In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren  (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.



Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:

In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
 


Die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich bei den Sportkameraden vor Ort oder bei den zuständigen Naturschutzbehörden, bevor Sie eine fremde Strecke befahren.
 

 

 

DKV-Hinweis zum Tragen von Schwimmwesten

WICHTIG: Der Deutsche Kanu-Verband weist aufgrund zahlreicher Kanuunfälle eindringlich alle Paddler :innen auf die Notwendigkeit von Schwimmwesten hin.

Weitere Infos: www.kanu.de

 

 




Letzte News