Von Stefan Lander (SUP Kultur)
Mein Revier ist der Rhein. Und zwar zwischen Krefeld und Xanten, mitten im Ruhrpott, wo der Rhein sich kurvenreich durch die Skyline der Industrie und Kraftwerke schlängelt. Hier ist Rhenus eine Schifffahrtsstraße, dicht getaktet durch Frachtschiffe. Duisburg beheimatet den größten Binnenhafen Europas: Dort endet die „Neue Seidenstraße“ und Frachtschiffe entladen ihr Gut, das seine Reise auf der Straße fortsetzt. Sogenannte Schubverbände liefern Erze, Kies, Erde und Kohle für die anliegende Industrie. Präsent ist diese vom Wasser aus auch durch Sicht auf die Schornsteine, die den Weg säumen. Ab Duisburg flussabwärts kommt langsam ein Wechsel: Bäume lösen die Schornsteine ab, es wird grün, Vieh weidet auf Grünflächen und sogar kleine Abschnitte mit Sandstrand laden zum Verweilen ein.
Der Rhein birgt durch die starke Frequentierung und Nutzung also Gefahren, bietet geübten PaddlerInnen aber auch ein sehr reizvolles und einzigartiges Paddel-Erlebnis.
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Großes Kino: Vom SUP aus die einmalige Industriekulisse im Breitbandformat genießen – das geht nur hier! |
Zum vereinbarten Tour-Termin Ende Mai führt der Rhein mit knapp fünf Metern immer noch ordentlich Wasser, aber mit Erfahrung und entsprechender Vorsicht sollte es zu machen sein. Wir entscheiden uns für die Strecke vom Beeckerwerther Kanu Verein im Norden Duisburgs nach Ossenberg am linken Rheinufer. Es erwarten uns auf der Strecke Duisburger Schwerindustrie mit Kohleöfen, Kraftwerken und auch an einem Sonntag viel Berufsschifffahrt. Rheinabwärts wird es am Niederrhein landschaftlich sehr offen und grün. Wir freuen uns auf die abwechslungsreiche Tour und die Pause am Sandstrand. Das Wetter meint es gut, es wird sonnig und warm, nur der Wind wird uns ein wenig Sportlichkeit abverlangen...
Bei bestem Wetter geht es also endlich auf den Rhein. Bevor wir uns in den Hauptstrom begeben warten wir hinter einer Buhne im Kehrwasser, bis die Gruppe komplett ist. Der Rhein empfängt uns an der Kurvenaußenseite, bedingt durch den hohen Wasserstand, mit ordentlich großen Wellen und Druck. Das fängt ja schon mal spannend an!
"Durch Bückenpfeiler werden Querströmungen erzeugt, die den Fluss des Wassers verändern." |
Bis jetzt ist der Fluss für alle auf ihren Boards dennoch gut befahrbar. Dann kommt die Autobahnbrücke der A42. Ein mächtiges Gebilde, dessen Brückenpfeiler den Strom teilen. Durch Pfeiler werden Querströmungen erzeugt, die den Fluss des Wassers verändern. Je stärker der Druck des Wassers, umso stärker auch die Querströmung am Hindernis. Wer hier arglos oder unachtsam unterwegs ist, riskiert einen Sturz vom Board. Hier gilt es, möglichst viel Abstand zu den Pfeilern zu halten und die Strömung gut zu beobachten, um angemessen darauf reagieren zu können. Wer sich nicht sicher ist, ob er das fahrtechnisch beherrscht, sollte sich sicherheitshalber hinknien. Die Querströmungen, die hier entstehen, wollen uns vom Board ziehen. Wir bleiben aber ausnahmslos standhaft und trocken!
Nach diesem Stresstest gibt sich der Rhein wieder etwas versöhnlicher. Die Gruppe hat sich auf den Boards und auf den Wellen eingeschaukelt. Und wir können den Fluss mit seiner spannenden Industriekulisse im Breitbandformat genießen. Nach den ersten Kilometern machen wir vor einer spannenden Kulisse Pause. Hier wird auch nochmal die Ausrüstung diskutiert und wir wechseln die Boards.
"Als wir beginnen zu queren, fährt Daniel auf dem schmalsten Board der Truppe aus dem Kehrwasser in den Hauptstrom – und geht prompt schwimmen." |
Der Rhein ist in diesem Abschnitt sehr kurvenreich. Die Berufsschifffahrt fährt die Kurven in der Regel ganz außen in Richtung bergauf. Auf dem SUP bergab unterwegs wählt man die Innenseiten der Kurven um dem auszuweichen und möglichst wenig Schiffe um sich zu haben, was meistens gut funktioniert. Vor den Kurven ist es also notwendig, die Seiten zu wechseln und den Rhein zu queren.
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Vor den Schiffen der Berufsschifffahrt sollten immer mindestens 50 Meter Abstand eingehalten werden. Gute Sichtbarkeit ist ebenfalls von Vorteil. |
Nun kommt also die erste von mehreren Querungen der Tour. Zuerst ist es schwer, eine Lücke zwischen den Berufsschifffern zu finden, die lang genug ist. Auf dem Rhein ist mächtig was los heute. Bedingt durch die hohe Fließgeschwindigkeit bei Hochwasser sind die talfahrenden Schiffe sehr schnell bei uns angekommen, was unsere Lücke verkürzt. Nach langen Minuten kommt das Kommando zur Querung. Als wir beginnen zu queren, fährt Daniel auf dem schmalsten Board der Truppe bei „choppy water“ aus dem Kehrwasser in den Hauptstrom – und geht prompt schwimmen. Und schon ist die Lücke zum Queren zu klein! Er tut das einzig Richtige, behält die Ruhe, paddelt zurück zum Ufer und wartet auf eine neue Lücke. Kurz danach sind wir wieder komplett.
Wie groß ist das Zeitfenster das bleibt, wenn sich so ein Dampfer nähert? Man sollte von fünf Minuten und 300 m Rheinlänge ausgehen, da man sich immer mit der Strömung mitbewegt. Durch ständige Beobachtung lernt man die Geschwindigkeiten einzuschätzen. Kritisch wird es, wenn sich verdeckt hinter einem gesichteten Boot noch ein weiteres befindet, das überholt und doppelt so schnell ist. Man muss die Lage permanent beobachten. Wenn der Fahrtenleiter einschätzt, dass es nicht reicht, muss die Gruppe seiner Einschätzung folgen.
Wenn Schiffe gegen die Strömung flussaufwärts („bergauf“) fahren, ziehen sie sehr viel Wasser durch die Antriebsschraube unter sich durch, was einen Sog erzeugt. Wenn man zu nahe kommt, kann man in diesen Sog geraten und unter das Schiff gezogen werden ... Die Schifffahrt hat Vorfahrt und man darf sich nie darauf verlassen, dass das Schiff reagiert. Als Gefahr wird erst alles ab < 50 m Abstand zum Boot wahrgenommen. Wer sich in diese Zone begibt, riskiert im schlimmsten Fall sein Leben – und in jedem Fall den Ruf aller Freizeitpaddler!
"Diese Kohletransporter bestehen aus mehreren Einheiten, die geschoben werden und sind 190 bis 270 m lang." |
Eine weitere Besonderheit des industriellen Rheins: Im Bereich der Kraftwerke liegen sogenannte Schubverbände vor Anker. Diese Kohletransporter bestehen aus mehreren Einheiten, die geschoben werden und sind 190 bis 270 m lang. Aufgrund ihrer flachen Bauweise werden sie auch liegend vom Wasser unterströmt. Liegend besteht daher große Gefahr, darunter gezogen zu werden und man sollte mindestens 20 Meter Abstand halten. Fahrend erzeugen sie starke Wellen, durch die Sturzgefahr ausgeht, insbesondere dann, wenn der Rhein schmaler wird und die Wellen dadurch hohen Druck mitbringen.
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Auf dem SUP über den Rhein – mit etwas Können ein interessantes Paddelrevier. |
Strudel entstehen in Kombination mit Hindernissen oder der Bodenbeschaffenheit des Grundes. Trifft die Strömung auf ein Hindernis entstehen Strudel, die auch einen Sog nach unten bilden. Bemerkbar macht sich das dadurch, dass das Board plötzlich nicht mehr geradeaus läuft, sondern in alle möglichen Richtungen gezogen wird. Hier gilt es, mit entsprechender Fahrtechnik zu kontern oder den Schwerpunkt nach unten zu bringen – sprich: knien. Bei Hochwasser werden Uferzonen und alles was sich darauf befindet überspült. Dadurch befinden sich Büsche, Bäume und Weidezäune unter Wasser. Diese stellen für die Strömung ebenfalls Hindernisse dar und bergen eine besondere Gefahr für den gekenterten Paddler: Man kann sich darin verfangen und durch den Wasserdruck nach unten gezogen werden. Je höher der Wasserstand, desto größer die Risiken, bei echtem Hochwasser sollte man daher von einer Befahrung absehen. Auch deshalb ist es unbedingt notwendig, eine Hüftleash zu tragen, die man besser erreichen und auslösen kann als eine Leash am Bein.
Grundsätzlich gilt: Wer vom Board fällt, sollte es schnell wieder besteigen oder sich zumindest daran festhalten können und sich sofort bemerkbar machen, zum Beispiel durch eine Trillerpfeife, die an der Schwimmweste befestigt ist. So haben die anderen der Gruppe die Person im Blick und können reagieren. Keinesfalls sollte man solche Unterfangen alleine oder bei Hochwasser durchführen – eine Schwimmweste ist ohnehin ein Muss.
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Paddeln auf dem Rhein ist anstrengend und kostet Kraft. |
Die weiteren Querungen verlaufen problemlos. Teilweise kommen uns dabei Wellen mit mindestens 150 cm entgegen. Das ist dann schon sehr fordernd. Aber keiner kniet sich hin, und die Wellen werden im Stehen bezwungen. Nach einer letzten, linksrheinischen Pause, am Sandstrand und in der Sonne, genießen wir dann die verbleibenden Kilometer unserer Tour.
Weiter auf der linken Rheinseite geht es von nun an Strom abwärts. Mit genügend Routine können wir jetzt die beeindruckenden Strudel vor uns bewältigen. Die Berufsschifffahrt kommt uns jetzt teilweise sehr nahe. Gefährlich wird es aber nie. Wir haben die Boards und die Situation jederzeit unter Kontrolle.
Am Ende unserer Tour laufen wir in eine malerische Bucht ein und wir freuen uns auf das finale Ufer.
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In den Tourenberichten stellen wir unabhängig von einem aktuellen Bezug besonders schöne oder abwechslungsreiche Paddelstrecken aus Deutschland vor. Die dort beschreibenenen Bedingungen, Befahrungsregeln, Zugangsmöglichkeiten etc. können unter Umständen nicht mehr den aktuellen Bedingungen vor Ort entsprechen!
Bitte plant jede Tour Gewässer vor Fahrtantritt sorgfältig!
Zunächst wird dabei das Paddelrevier ausgewählt. Dort muss es für alle Mitfahrer Gewässer und Abschnitte geben, die in ihrem Können entsprechen. Bei der näheren Planung wählt man dann ein bestimmtes Gewässer und dort einen genauen Abschnitt aus, sucht sich die passenden Ein- und Ausstiegspunkte und informiert sich über aktuelle Befahrungsregelungen, das Wetter, die Pegelstände (z.B.: Wildwasser), die Gezeitenverläufe (z.B.: Nordsee) und eventuelle Gefahren (z.B.: Wehre).
Wichtig ist es dann vor Ort vorm eigentlichen Fahrtbeginn zu überprüfen, ob die Planungen im Vorfeld mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen und eine Fahrt problemlos begonnen werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein müssen eventuell noch Änderungen vorgenommen werden oder sogar die Fahrt abgesagt werden. Bei der Planung sollten unbedingt auch Fragen der Nachhaltigkeit geklärt werden.
Online-Übersicht der Befahrungsregelungen:
In allen Bundensländern gelten an einigen Flüssen, Bächen und Seen sowie an der Küste bestimmte Einschränkungen (BV = Befahrungsverbot, UV = Uferbetretungsverbot) für Paddler. Sie sollen das Gewässer sowie die Pflanzen und Tiere in ihnen oder in der Umgebung schützen. Befahrungsregeln dienen bei größeren Wasserstraßen auch zur Erhöhung der Sicherheit aller Wassersportler.
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KANU-SPORT 7/2023 |