Kanu-Slalom-Weltmeisterin Andrea Herzog ordnet ihrem Sport alles unter. Es gibt wenige Augenblicke für Abwechslung.
von Uta Büttner
Kanu-Slalom-Weltmeisterin Andrea Herzog ordnet ihrem Sport alles unter. Es gibt wenige Augenblicke für Abwechslung.
von Uta Büttner
Sie ist gerade einmal 19 Jahre, als sie ihren bislang größten Erfolg feiert. Ende September 2019 wird sie Weltmeisterin im Einer-Canadier im spanischen La Seu d’Urgell. Andrea Herzog. Bis dato hatte sie es in der Leistungsklasse nie geschafft, im entscheidenden Moment alles zusammen zu bringen. Doch was sie kann, hatte sie in den Wettkämpfen im Verlauf der Saison bis zum damaligen Höhepunkt bereits angekündigt. Zumindest der Sprung auf ein Treppchen war angezeigt. Dass es auf das höchste reichen würde, darüber war Herzog selbst ein wenig überrascht. Die Freude darüber umso mehr, auch wenn ihr Jubel im Vergleich zu manch anderem eher verhalten ausfiel.
Zurückhaltend, eher ein wenig introvertiert – so wird Andrea Herzog wahrgenommen. Ein Feierbiest ist sie nicht. So ist es für sie nicht schlimm, dass sie ihren 21. Geburtstag, Anfang Dezember, nur ganz klein begehen konnte. „Ich feiere gern im engsten Familienkreis“, sagt die gebürtige Meißnerin. Aufgewachsen nahe der Porzellanstadt, in Niederau. „Zum Kanuslalom kam ich durch meinen Bruder.“ Beim Training immer nur Zuschauerin, wurde sie gefragt, es nicht einmal selbst auszuprobieren. Gefragt, getan.
Ihr Hang zum Perfektionismus kommt ihr sicher zugute. Den zeigte sie deutlich, als sie wenige Stunden nach ihrem Triumph bei den Weltmeisterschaften fragte: „Aber wenn Jessica die Strafsekunden nicht gehabt hätte, hätte ich nicht gewonnen, stimmt‘s?“ Sie analysiert immer, wie sie besser werden kann. Vor Wettkämpfen legt sie den Fokus auf sich, will ihre beste Leistung zeigen.
Privates steht an zweiter Stelle. Bei ihrem Freund Philipp stößt die Wahl-Leipzigerin dabei auf volles Verständnis. Einst selbst Slalomkanute, engagiert er sich weiterhin bei Wettkämpfen und unterstützt den Sport. Seine Schichtdienste mit ihrem Zeitplan unter einen Hut zu bringen – keine leichte Aufgabe. „Wir schaffen es meistens, dass wir uns nicht sehen“, sagt Herzog scherzhaft. Doch wenn, dann nutzen sie die Zeit gern einmal zum gemeinsamen Kochen. „Das klappt inzwischen besser. Früher hatte jeder seine eigene Vorstellung, aber wir haben gelernt uns die Aufgaben zu teilen“, sagt sie lachend. „Ich koche viel und gern.“ Absoluter Favorit sind Gerichte mit Nudeln, aber auch Reis und Produkte aus Kartoffeln. Kohlenhydrate eben. Süßes wie Kuchen isst sie mal ganz gern, aber eher selten. „Ich sitze nicht abends auf der Couch und muss dann Schokolade essen.“
Abends auf der Couch entspannen, dass liebt die 21- Jährige indes. Gerade wie jetzt, wenn das Training auf einem Level angekommen ist, man nur noch kaputt ist, „lasse ich mich dann gern rund eineinhalb Stunden vom Fernseher unterhalten. Oder schaue auf Instagram, was andere Sportler gemacht haben, um mich inspirieren zu lassen.“ Manchmal nimmt sie auch gern ein Buch in die Hand. Ihre Lieblingslektüre: Kriminalromane. Den Urlaub mit Philipp, wie er in diesem Jahr im Berchtesgadener Land dann doch möglich war, genießt sie gern mit Wandern. Wichtig ist für sie, dass sie sich in einer schönen Landschaft bewegt
2019 war das bisher erfolgreichste Jahr für die noch so junge Paddlerin, nicht nur sportlich. Vor ihrer Krönung zum WM-Titel schloss sie das Abitur mit 1,1 ab. Sicherte sich das Olympia-Ticket, holte den Quotenplatz. Verschiedene Auszeichnungen wie „Eliteschülerin des Sports“ folgten. Der Erfolg ist ihr nicht zu Kopf gestiegen. An ihrem Leben hat sich nichts geändert: „Der WM-Titel ist nur Lohn für die harte Arbeit. Er macht mich nicht zu einem anderen Menschen.“
Hart arbeiten, das kann sie: an Leistungsgrenzen gehen, Schmerzen und Niederlagen verkraften, an sich glauben, kämpfen. Immer an ihrer Seite: Trainer Felix Michel. Viel Neues wurde vor ihrem Erfolgsjahr probiert. Der Lohn: Weltmeisterin.
Der Weg dahin war geradlinig. In Meißen lernte sie bei ihrer ersten Trainerin Sigrid Heinecke die ersten Paddelschläge. „Sie hat mich sehr weit gebracht. Dafür bin ich ihr und auch Mirko Arold, der viel Energie in mich steckte, sehr dankbar.“ Doch die Grenzen des Machbaren waren in Meißen erreicht. „Der einzig logische Schritt für mich war, nach Leipzig zu gehen.“ So wechselte sie 2015 vom Meißner Gymnasium ans Sportgymnasium in Leipzig, weil sie in Markkleeberg die besten Bedingungen für ihre Weiterentwicklung hatte. Es war allein die Entscheidung der damals 15-Jährigen.
„Meine Eltern haben mich nie zu etwas gedrängt. Sie haben mir aber alles ermöglicht.“ Es war eine einschneidende Erfahrung, vom behüteten Elternhaus auszuziehen. „Die ersten Wochen waren echt die Hölle.“ Es dauerte Monate, bis sie sich an das neue Leben gewöhnt hatte. Um alles musste sie sich von nun an kümmern: essen, Training organisieren, Anfahrt zum Wildwasserkanal mit all ihrem Gepäck. Ihr schönes eigenes Zimmer musste sie tauschen gegen ein etwa zehn Quadratmeter großes Internatszimmer, geteilt mit einer anderen Bewohnerin. Außerdem eine unbekannte Stadt. Inzwischen ist Herzog natürlich schon längst angekommen in ihrer Wahlheimat, hat viele Freunde gefunden, ist in die erste eigene Wohnung gezogen. Das Abitur mit Bravour absolviert, obwohl sie selten anwesend war. So musste Herzog, als sie 2019 fast vier Wochen in Australien war, dort die Geschichts- und Mathematikklausuren schreiben. Ihr Trainer Felix Michel fuhr mit ihr extra in die Bibliothek der Universität. „Das war aber nicht entspannt, wie viele meinen würden – ganz im Gegenteil“, betont sie. „Felix hat das sehr ernst genommen.“ Er ist Bezugsperson Nummer eins: Trainer, Mentor und Mentaltrainer. Er hat ihr auch aus ihrer bisher größten Krise 2018 geholfen, als sie weit unter ihren Fähigkeiten blieb, WM-27. wurde.
Seit Juli 2019 gehört Herzog der Bundeswehr an. „Die Bundeswehr wollte mich unbedingt haben. Und studieren kann ich auch dort.“ Was, damit beschäftigt sie sich später. Jetzt konzentriert sie sich erst einmal auf den Leistungssport. „Er macht Spaß, und ist vor allem die Schule des Lebens“, erklärt sie ihre Leidenschaft und ergänzt: „Mit all den Rückschlägen.“
Die Olympia-Verschiebung: für sie eine Chance, alles Erlebte aus 2019 zu verarbeiten und vor allem an sich zu arbeiten, um noch besser zu werden. Auch wenn sie nicht den Drang hat, im Mittelpunkt zu stehen, so freut sie sich auf das Karriere-Highlight eines jeden Athleten. „Eine Olympia-Medaille ist noch einmal etwas ganz anderes, als Weltmeisterin zu sein. Olympia gibt es nur einmal alle vier Jahre und wird in der Öffentlichkeit wahrgenommen.“
Nach Olympia, so der Plan, möchte Andrea Herzog studieren. Neben ihrem Sport und ihrer militärischen Ausbildung. „Da macht uns die Bundeswehr große Zugeständnisse und unterstützt uns sehr. Wir können uns nebenher ein Standbein aufbauen. Dafür müssen wir einen FünfJahres-Plan vorlegen, wie wir alles miteinander vereinbaren möchten.“
Aktuell denkt sie an ein Studium der Ernährungswissenschaften, „weil es mir auch sportlich weiterhelfen kann.“ Allerdings ist sie sich noch nicht sicher. „Ich weiß nicht, was mich derart interessiert, dass ich mein ganzes Leben dann auch auf diesem Gebiet arbeiten möchte.“ Deshalb findet sie es auch gut, durch die Olympia-Verschiebung etwas mehr Zeit für diese Entscheidung zu haben.
Persönliche Daten
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Sportliche Erfolge
Olympische Sommerspiele:
2021 Tokyo/JPN: Bronze C1 Weltmeisterschaften: 2019 La Seu d'Urgell: Gold C1 Europameisterschaften: Weltcup: 2018: Gesamt 5. (1x4., 1x5., 1x10.) 2017: Ivrea/ITA 8. U23-Weltmeisterschaften: 2018 Ivrea/ITA: C1 4. Junioren-Weltmeisterschaften: 2015 Foz de Iguazu/BRA: Silber K1 Team, Gold C1 Team, Gold C1 2017 Bratislava/SVK: Gold K1 Team, Gold C1 Team, Gold C1 |
Auflistung der Erfolge
2021 OS: 3. K1
2021 WM: 14. C1 2021 EM: 4. C1 Team 2019 WM: 1. C1 2018 WM: 9. C1 Team 2016 JWM: 2. C1, 5. C1 Team 2016 EM: 3. C1 Team, 5. C1 2015 WM: 7. C1 Team 2015 EM: 4. C1 Team, C1 Einzel 2015 JEM: 6. K1 Team, 5. C1, 6. C1 Team, 8. K1 2015 JWM: 1. C1, 1. C1 Team 2. K1 Team 2014 U23 EM: 2. C1 Team 2014 JEM: 2. K1 Team, 7. K1 Einzel |
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GefragtBlick ins Familienalbum: Andrea wurde in eine sportliche Familie geboren. Ihr Vati war im Fußball-Verein aktiv
Andrea liebte bereits in der Grundschule den Sportunterricht. Da sie sehr talentiert
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